26. Januar 2022 | Magazin:

Was wer über Quanten wissen sollte Ein Wegweiser für die Welt der Quanten

Quantencomputer, Quantenpunkt-Displays und ein Quantum Trost: Quäntchen für Quäntchen tröpfeln Begriffe und Technologien aus der Quantenphysik in den Alltag. Wer mehr dazu wissen möchte, liest häufig Sätze wie „Quanten widersprechen unserem Denken“ oder das Zitat des Nobelpreisträgers Richard Feynmann: „Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass niemand die Quantenmechanik versteht.“ Gibt es also wenig Hoffnung für alle, die keinen Doktor in Physik haben? Rainer Müller, Professor für Physikdidaktik an der TU Braunschweig, ist vom Gegenteil überzeugt – auch.

Das Wort Quantum wandert mehr und mehr in die Gesellschaft und füllt im Zweifel jede Handluckslücke in Kinofilmen. Doch was steckt eigentlich dahinter? Bildnachweis: Jackie Niam/Adobe Stock, Claudia Hurtig/TU Braunschweig

Professor Müller, Sie sind als Wissenschaftler im Exzellenzcluster QuantumFrontiers und dem Quantum Valley Lower Saxony nah dran an den aktuellen Themen der Quantenforschung. Kann man diese wirklich verstehen?

Tatsächlich bringen wir gerade diese aktuellen Forschungsthemen, verpackt in MasterClasses, in die Schulen. Das 50 Jahre alte Zitat von Richard Feynman ist also mehr als überholt: Es gibt viele, die die Quantenphysik verstanden haben. Gerade die aktuell entstehenden Quantencomputer sind dafür ein gutes Beispiel. Wir stehen eben nicht mehr ehrfürchtig an der Schwelle zu einer unverstandenen Welt, sondern bauen jetzt neue Technologien auf der Grundlage dieser einstmals so rätselhaft anmutenden Phänomene.

Um die Grundzüge der Quantenphysik zu verstehen, muss man auch nicht promovieren. Daran arbeiten wir ja auch seit 25 Jahren in der Fachdidaktik. Unser milq-Konzept hat sich etwa zu einem gewissen Standard für das Lernen von Quantenphysik in der Schule entwickelt. Mit dem Konzept der „Wesenszüge der Quantenphysik“ haben wir einen Weg, um mit einfachen Mitteln die schwierigsten Themen aufzubereiten. Wenn man das lange genug macht, wird Quantenphysik verstehbar. Wer nicht über den Schulweg in die Quantenwelt kommt, empfehle ich beispielsweise die acatech Horizonte.

Wie lange ist denn „lange genug“?

Es braucht schon etwas Zeit und Ausdauer. Immerhin muss man dabei ab und zu von liebgewonnen Vorstellungen Abschied nehmen. Da die Mathematik hinter der Quantenmechanik tatsächlich extrem anspruchsvoll ist, lösen wir die Verständnisprobleme auf der Sprachebene. Es geht also darum, das richtige Reden über Quantenphysik zu erlernen.

In der Schule erzielen wir damit bereits nach einigen Wochen, also etwa zehn Schulstunden, gute Erfolge. Die Schülerinnen und Schülerbemerken dann häufig, wie feststehende Alltagsvorstellungen mit dem neuen Wissen kollidieren. Wer etwa selbst merkt, gerade etwas Falsches gesagt zu haben, ist bereits weit fortgeschritten.

Prof. Rainer Müller, Leiter der Abteilung Physik und Physikdidaktik, gehört zum Team von „Quantum Valley Lower Saxony“. Bildnachweis: Foto Artmann

Mit Blick auf den Quantencomputer haben wir zukünftig wohl immer mehr Geräte um uns herum, die beinahe magisch anmuten. Muss man diese Technik verstehen?

(Lacht) Wir laufen doch heute schon durch eine Welt der Dinge, die wir nicht verstehen. Wie mein Smartphone funktioniert, weiß ich ja auch nicht. Es muss auch nicht jeder alles wissen. Aber wir müssen mindestens allen Menschen die Gelegenheit geben, sich informieren zu können.

Corona und 5G zeigen zudem, dass es damit noch nicht getan ist. Wir müssen viel mehr aus der Wissenschaft in die Gesellschaft gehen und für aufgeklärtes Denken werben. Wir müssen etwa aufzeigen, wie Quantencomputer der Gesellschaft helfen, indem sie etwa neue Wirkstoffe für Medikamente modellieren. Auf keinen Fall darf uns die Akzeptanz verloren gehen.

Die Wörter „Quantum“ und „Quanten“ erscheinen mittlerweile in unterschiedlichsten Zusammenhängen. Wer sollte eigentlich was wissen?

Ganz akut betreffen die Quantenthemen vor allem Studierende und Mitarbeitende in Industrien, die Kontakt zu Quantentechnologien haben. Zukünftig werden Menschen Quantencomputer programmieren, die die Hardware selbst nicht mehr verstehen müssen. Es ist also nicht notwendig, alle Details zu kennen. Wichtiger ist, dass das Wort „Quantum“ nicht abschreckt. Außerdem müssen wir jetzt die Menschen ausbilden, die dann erkennen, wo Quantentechnologien weiterhelfen können. Am wichtigsten ist es aber, jetzt die Kinder in den Schulen zu motivieren, in die Welt der Quanten einzusteigen. Ich glaube, für viele sind die neuen Quantentechnologien ein ganz spannendes Thema: Quantencomputer sind das neue „Rocket Science“.

Haben Sie vielen Dank.