16. April 2021 | Magazin:

Master in Quantentechnologien Ein Studiengang im Zentrum des Quantum Valley Lower Saxony

Bis 2025 soll im Quantum Valley Lower Saxony (QVLS) ein fertiger Quantencomputer entstehen. Nicht als Laboraufbau für Grundlagenforschung, sondern als Arbeitsgerät. Dieser Quantencomputer ist ein Schritt in ein neues Zeitalter. Damit es nicht bei einem Schritt bleibt, soll sich auch das Studium für die neuen Quantentechnologien öffnen. Professor Tobias Voß vom Institut für Halbleitertechnik der Technischen Universität Braunschweig hat unserem Volontär Laurenz Kötter erklärt, was es dafür braucht.

In Virtual Reality könnten Studierende bereits an Quantencomputern lernen, bevor diese selbst Realität werden. Bildnachweis: Daniel Götjen/TU Braunschweig

Herr Voß, Sie sind Studiendekan an der Fakultät für Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik der TU Braunschweig. Sind das zugleich auch die Kernbereiche, in denen sich Expert*innen für Quantentechnologien auskennen sollten?

Ja, und insbesondere geht es dabei um die Schnittstellen dieser drei Bereiche. Die Kompetenz für Quantentechnologie und Quantencomputing liegt aktuell ganz klar in der Physik.  Dort erhalten die Studierenden bislang die notwendigen theoretischen und mathematischen Grundlagen. Das liegt daran, dass Quantencomputing bisher der physikalischen Grundlagenforschung zuzuordnen ist.  Die großen IT-Unternehmen zeigen jedoch, dass ein Wandel bereits begonnen hat. Sie stellen ihre ersten Quantencomputer-Prototypen bereits online bereit, damit künftige User*innen schon ihre Ideen darauf anwenden können. Die Firmen wollen diese Ideen. Sie zeigen ihnen, wer sich kommerzielle Quantencomputer wünscht und was man damit alles machen kann. Forschung und Anwendung gehen dort Hand in Hand.

Genau darauf werden wir unsere Studierenden vorbereiten. Wir wollen ihnen in Elektro- und Informationstechnik bis hinein in die Informatik ermöglichen, selbstständig Ideen für Quantencomputer und -technologien zu entwickeln.  In ihren Fachbereichen sollen sie die Schnittstellen zur Welt der Quanten kennenlernen können, ohne dafür allumfänglich Quantenphysik betreiben zu müssen. Mit anderen Worten: Wir wollen das Know-how der Physik in die Breite bringen.

Wie lässt sich das ins Studium integrieren?

Wir haben in der Elektrotechnik bereits erfolgreich den Bereich „Photonik und Quantentechnologie“ als Vertiefungsrichtung integriert. Geplant ist, diese Schnittstelle mit einem eigenständigen Masterstudiengang auszubauen: ein Master in Quantentechnologien mit Schwerpunkten in Quantenbauelementen, -sensorik und -informationstechnologie, aber eben auch Quantencomputing. Alle zugeschnitten auf Ingenieurinnen und Ingenieure. Diesen Studiengang einzurichten, ist durchaus herausfordernd. Denn die Ingenieursausbildung ist auch im forschungsnah konzipierten Masterstudium sehr praxisorientiert und die Technologien, an denen sich die Studierenden ausprobieren sollen, noch nicht marktreif.

Aktuell sehen wir einen guten Zeitpunkt in die konkrete Planung dieses Masterstudiengangs einzusteigen. Denn diese Absolventinnen und Absolventen werden als neue Expertinnen und Experten der kommenden Quantentechnologie in Forschung und Industrie sehr gefragt sein. Der erste arbeitsfähige Quantencomputer des Quantum Valley Lower Saxony ist ein großer Meilenstein, aber noch lange nicht das Ende des Wegs. Dafür brauchen wir die passenden Fachleute. Ebenso wie unsere Industriepartner, die die Ergebnisse des niedersächsischen Quantenbündnisses wirtschaftlich nutzen wollen. Das langfristige Ziel des neuen Studiengangs ist es, dass Ingenieurinnen und Ingenieure, die heute normale Computer bearbeiten, in zehn Jahren ganz selbstverständlich mit Quantencomputern umgehen.

Vor allem die AG Bodensiek des Instituts für Fachdidaktik der Naturwissenschaften erprobt momentan die Anwendung von Virtual Reality in der Lehre. Bildnachweis: Oliver Bodensiek/TU Braunschweig

Wie wird denn der geplante Masterstudiengang praktisch umgesetzt – vor allem, wenn die Geräte noch nicht entwickelt sind, aber die Fachleute in fünf Jahren ausgebildet sein sollen?

Vor allem wollen wir die Stärke unseres Netzwerks im Quantum Valley Lower Saxony mehr den Studierenden zugänglich machen. Dank der dicht verwobenen Zusammenarbeit mit der Leibniz Universität Hannover und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, können wir hier auf ein breites Spektrum an Kompetenzen zugreifen. Was in der Lehre bereits auf Promovierenden-Niveau passiert, wie beispielsweise im Graduiertenkolleg NanoMet, soll auch im neuen Masterstudiengang genutzt werden.

Zusätzlich arbeiten wir an Lehrveranstaltungen, die gerade auch den Praxisaspekt bedienen. Denkbar sind beispielsweise Seminare zu den aktuell auf den Markt kommenden Quantenpunktdisplays oder ein Quantencomputer, der in Virtual Reality (VR) aufgebaut ist. An dieser Stelle kooperieren wir viel mit Professor Rainer Müller vom Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften als didaktischer Experte für Quantenphysik.

Ein neuer Studiengang ist aber nicht mal eben schnell eingerichtet. Im Sommer dieses Jahres soll das Konzept des neuen Masters stehen. Damit stoßen wir einen Prozess an, der zunächst von vielen Instanzen geprüft und bestätigt werden muss. Wenn alles glatt läuft, können in zweieinhalb Jahren die ersten Studierenden offiziell einen Master in Quantentechnologien anfangen. Die ersten Absolventinnen und Absolventen wären also fertig, wenn der Quantencomputer des QVLS in Betrieb geht.