24. August 2020 | Magazin:

Supraleitende Sensoren für die schnellsten Computerchips der Welt Interview mit einem Großgerät: Das Terahertz-Mikroskop

Von außen ist es eine unscheinbare Tür im Laboratory for Emerging Nanometrology, dem LENA, der Technischen Universität Braunschweig. Innen wartet ein Raum, in dem sich bis unter die über vier Meter hohe Decke Technik auftürmt. Silbern glänzende Apparaturen, unzählige Schläuche und Kabel, es brummt und blinkt. Das ist also ein Terahertz-Mikroskop. Was es wohl den ganzen Tag so tut?

Terahertz-Mikroskop: „Auf dem Bild schaut man in meine Vakuumkammer, also dorthin, wo ich messe.“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Guten Tag, Terahertz-Mikroskop. Wie würden Sie sich beschreiben und was machen Sie überhaupt?

Hat Ihnen das noch niemand gesagt? Ich bin ein weltweites Unikat, handgefertigt von meinen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Wenn mir jemand ein Messobjekt, zum Beispiel einen sehr schnellen Computerchip, in die Vakuumkammer legt, fahre ich mit meinem supraleitenden Sensor bis auf wenige Mikrometer an mein Ziel. Und dort spüre ich die abgestrahlte Leistung von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung auf, bis hin zu Terahertz-Frequenzen. Wenn etwas keine eigene Leistung erzeugt, habe ich zudem noch eigene Terahertz-Quellen. Mit einem Laser beschieße ich dann beispielsweise Gitterstrukturen, die die Strahlung gezielt beugen. Dabei erfasse ich, wie Strahlung und Objekt miteinander interagieren. Hinterher erzeuge ich dann sogar ein dreidimensionales Bild davon, wie die Strahlungsleistung verteilt ist. Aber auch wenn ich am liebsten elektromagnetische Strahlung messe: Ich kann auch statische Magnetfelder erkennen und sogar Temperaturverteilungen.

Sie sind ein Unikat? Warum wurden Sie erschaffen?

Um an Terahertz-Strahlung zu forschen. Die reicht etwa von 300 Gigahertz bis 10 Terahertz. Damit liegt sie oberhalb der Mikrowellen, also dem was Radar, WLAN und Mobilfunk nutzen, und gleichzeitig unterhalb der Infrarotstrahlung. Lange Zeit konnte man in diesem Bereich kaum solche Strahlung erzeugen, geschweige denn präzise messen. Entsprechend wenig schaffte es Terahertz-Strahlung in unseren Alltag. Man nennt es die „Terahertz Lücke“. Ich gehöre zu denen, die diese Lücke schließen wollen.

Vieles von dem, was ich bin verdanke ich meinem großen Bruder im Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik (EMG): Dieser zeigte als so genannter „Proof of Pinciple“, dass Terahertz-Mikroskopie funktioniert. Seine ganze Erfahrung floss dann in meine Entwicklung ein.

Was tun Sie denn genau, um diese Lücke zu schließen?

Ich mache Terahertz-Strahlung sichtbar. Mit meinen Messdaten lassen sich neue Technologien erforschen, die die Terahertz-Strahlung vielfältig nutzen. Beispielsweise arbeite ich zusammen mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) an einem Projekt zur Einheit der Spannung: Volt. Die PTB baut Experimente auf, die Einheiten wie Sekunde, Kilogramm oder eben auch Volt besonders genau realisieren. Für die Spannung nutzt die PTB Schaltungen aus dem supraleitenden Material Niob – mit Helium auf -269 Grad Celsius gekühlt und mit Mikrowellen bestrahlt. Hierbei nutzen die Forschenden Quanteneffekte für eine relative Messunsicherheit unter einem Zehn-Milliardstel. Also bei 10 Volt auf ein Nanovolt genau. Mit dieser konstanten Spannung kalibriert man etwa Spannungsmessgeräte.

Terahertz-Mikroskop: „Das bin in meinem Labor im LENA. Einzigartig und handgefertigt auf einem luftgefederten Tisch.“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

„Hier sieht man meinen optischen Strahlengang, meine zweite Vakuumkammer. Ich brauche ihn, um die Terahertz-Strahlung vom Ferninfrarot-Laser in meine Hauptkammer zu bekommen. Das Vakuum verhindert, dass Luftfeuchtigkeit die Strahlung absorbiert.“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

„Das ist einer der elektrischen Klappspiegeln im Strahlengang. Damit lenke ich den Laserstrahl nach Bedarf um. Einer meiner Forschenden drückt auf einen Knopf und – ‚klack!‘ – ist die Strahlung in meiner Hauptkammer.“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

„In der Haupt-Vakuumkammer leite ich den Laser mit einem letzten Spiegel Richtung Sensor. Das Gestänge ist mein Positioniersystem. Wenn ich das gewünschte Messobjekt mit hoher Frequenz bestrahle, kann ich es so zugleich zweidimensional bewegen.“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

„Das Kabel führt zu einer 3D-gedruckte Halterung für eine Hochfrequenzschaltung. Mithilfe eines Hochfrequenzgenerators bringe ich Frequenzen bis 40 Gigahertz in so eine Schaltung. Darüber liegt …“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

„... mein ein und alles: Mein supraleitender Sensor – die kleine Spitze ganz vorne. Meine Kuperelemente kühlen den Sensor auf extreme Temperaturen. Erst dann ist er auch supraleitend.“ Bildnachweis: Laurenz Kötter/TU Braunschweig

„Meine Messgeräte überwachen die Temperaturen des Systems an verschiedenen Stellen, etwa am Sensor. Damit ich meine sieben Vakuumpumpen gezielt nutzen kann, kontrolliere ich zudem den Druck in verschiedenen Bereichen. Unter dem Regal befindet sich meine zentrale Steuereinheit. Ein Computerprogramm hilft mir, alle Komponenten zu lenken und die Messungen durchzuführen.“ Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Ich habe hier den Hochtemperatursupraleiter Yttrium-Barium-Kupferoxid in der Hinterhand. Auch hier verhilft die Quantenphysik zur ultrapräzisen Spannung. Für diesen Supraleiter reicht jedoch eine Kühlung auf -196 Grad Celsius mit flüssigem Stickstoff. Im Vergleich zu Helium ein Kinderspiel. Zusätzlich lässt sich Yttrium-Barium-Kupferoxid mit Terahertz-Strahlung anstelle der Mikrowellen bestrahlen, um höhere Spannungen zu erzeugen. Dafür muss die Strahlung allerdings unbedingt an allen Stellen der supraleitenden Schaltung gleichstark sein und hier komme ich ins Spiel.

Meinen Sensor kann ich auf etwa 10 Nanometer (etwa 100 Atomdurchmesser) genau kontrollieren. So finde ich präzise heraus, wie viel Terahertz-Strahlung wo ankommt. So kriegen wir das Spannungsnormal optimiert und langfristig in ein handliches Gerät, das auch die Industrie für Kalibrierungen verwenden kann. Mit dieser Perspektive bin ich übrigens Teil des Exzellenzclusters QuantumFrontiers, das zu neuen Quantenstandards beitragen will.

Viele Vorteile für die Metrologie, also für die Wissenschaft des Messens. Machen Sie denn auch etwas für diejenigen, die nicht zufällig einen Doktor in Physik haben?

Haben Sie sich schon mal über ihren langsamen Rechner, oder stockende Datenübertragung geärgert? Bisher arbeiten Computerprozessoren mit etwa drei Gigahertz – wenn überhaupt. Für mehr Leistung können Sie natürlich mehr Prozessoren nebeneinander schalten. Aber spätestens wenn Sie 4.000 Euro für 64 zusammengeschaltete Kerne zahlen, hoffen Sie wahrscheinlich auf eine Alternative. Das Problem: Selbst wenn jemand einen schnelleren Computerchip entwickelt – dessen hochfrequente Signale auch zu messen bleibt schwierig. Entsprechend aufwändig ist die Entwicklung. Ich unterstütze die Entwickler, indem ich ihre Schaltungen exakt vermesse. In Zukunft ärgern wir uns dann nicht mehr über zu langsame Rechner, sondern nutzen vollkommen neue digitale Technologien.

Ebenso könnte man mit Terahertz-Strahlung Daten übertragen. Mit dem neuen 5G-Standard sind momentan 40 Gigahertz drin. Wenn stattdessen mit 400 Gigahertz gesendet wird, kommt auch ein Vielfaches an Daten an. Das wäre ein Versprechen der Terahertz-Frequenz. Zusätzlich ist dieses Frequenzspektrum noch nahezu ungenutzt, also etwas wie ein weißer Fleck im dicht gedrängten Terminkalender der Datenübertragung. Selbst wenn die Terahertzstrahlung Probleme mit Luftfeuchtigkeit hat und von dieser schnell abgeschwächt wird: Auf kurzen Distanzen, also etwa bis 1000 Meter, ist sie schwer zu schlagen. Viele meiner wissenschaftlichen Maschinenkollegen in der Nachrichtentechnik und der Hochfrequenztechnik arbeiten weltweit mit ihren Menschen an dieser Technologie, die zukünftig enorme Datenmengen übertragen könnte. Ich leiste meinen Beitrag, indem ich die Hochfrequenzstrahlung genau unter die Lupe nehme.

Terahertz-Mikroskop: „Hier bin ich zusammen mit meiner Nachwuchsgruppe ‚Terahertz-Mikroskopie‘ abgelichtet. Die Menschen im Bild sind (v.l.) Denis Kajevic, Marco Tollkühn, Dr. Benedikt Hampel, Ilya Elenskiy und Dominik Hanisch.“ Bildnachweis: Tanja Coenen/TU Braunschweig

Zugegebenermaßen klingt das recht verlockend. Aber bei allem Können – haben Sie eigentlich auch Macken?

Naja, was heißt Macken? Meine Menschen mergeln gerade die letzten Mängel in der Software aus, aber die hat am Anfang jedes Gerät. Ich stehe kurz davor richtig durchzustarten. Also mehr messen und weniger Eingriffe in meine Anatomie. Zusätzlich arbeiten meine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit einigen Jahren daran, optische Komponenten für Terahertz-Strahlung mit 3D-Druckern herzustellen. Auch für mein Lasersystem werden so noch optimierende Linsen gedruckt, die ich sehr bald auf ihre Genauigkeit überprüfe.

Das heißt, es gibt Sie noch gar nicht so lange?

Nein, die ersten Messungen laufen erst seit diesem Jahr. Drei Jahre lang wurde ich im LENA Stück für Stück zusammengesetzt und immer wieder überprüft. Dass ich überhaupt gebaut werden konnte, verdanke ich dem Prototyp im Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik (EMG). Erst dadurch wurde bewiesen, dass ich funktionieren kann.

Vielen Dank an Marco Tollkühn und Dr. Benedikt Hampel, den Dolmetschern für das Terahertz-Mikroskop. In der Nachwuchsgruppe „Terahertz-Mikroskopie“ sind sie am Forschungszentrum LENA maßgeblich am Aufbau des Terahertz-Mikroskops beteiligt.