22. Oktober 2020 | Magazin:

Ein Quantencomputer bis 2025 TU Braunschweig Mitglied im niedersächsischen Quantenbündnis

Im „Quantum Valley Lower Saxony“ bündeln mehr als 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Expertise, um bis 2025 einen Ionenfallen-Quantencomputer zu entwickeln. Mit einem Forschungsschwerpunkt auf Metrologie, der Wissenschaft des Messens, ist die Technische Universität Braunschweig essentieller Teil des Bündnisses mit der LU Hannover und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Denn wer die Qubits eines Quantencomputers kontrollieren will, braucht extreme Präzision.

Die drei Sprecher des Quantenbündnisses in einem Forschungslabor, in dem Quantencomputer realisiert werden sollen.

Auf dem Weg zum Quantencomputer: (v.l.) Professor Andreas Waag (TU Braunschweig), Professor Piet Schmidt (PTB) und Professor Christian Ospelkaus (LUH). Bildnachweis: T. Dubielzig

Dass Quantencomputer als nächste technische Revolution gelten, liegt an den Qubits. Während ein normaler Computer mit Nullen und Einsen rechnet, können Qubits auch alle Zwischenstufen abbilden. Miteinander verschränkt ergeben sich Eigenschaften eines so genannten neuromorphen Netzwerks. Damit wären sie ähnlich gut vernetzt wie Gehirnzellen. Für die Künstliche Intelligenz (KI) ergäben sich Anwendungen, die heute nicht einmal vorstellbar sind.

„Wir haben in Niedersachsen ausgezeichnete Voraussetzungen, um einen Quantencomputer weltweit führend voranzubringen. Doch wenn diese Technologie in 20 Jahren der Kern der KI ist, müssen wir jetzt handeln. Wir dürfen auf dem Feld nicht unsere technische Souveränität verlieren“, erklärt Professor Andreas Waag vom Institut für Halbleitertechnik der TU Braunschweig.

Allerdings ist so ein Qubit extrem sensibel. Sobald es seinen Zustand ungeordnet ändert, ist es als Recheneinheit unbrauchbar. Wie gut ein Quantencomputer ist, entscheidet sich daher an der Fehlerrate der Qubits. Deswegen entwickelt das „Quantum Valley Lower Saxony“ einen Ionenfallen-Quantencomputer. Mit Professor Christian Ospelkaus und Professor Piet Schmidt (LUH und PTB) sind dafür weltweit führende Quantenoptik-Experten mit an Bord. Der Ionenfallen-Ansatz verspricht stabile Qubits mit unerreicht geringerer Fehlerrate. Die Qubits bestehen aus Ionen, die freischwebend im Vakuum abgeschottet sind, nur noch von Lasern adressiert. Die Idee für den Ansatz stammt aus der Metrologie, genauer gesagt von optischen Atomuhren. Auch dort isolieren Forschende einzelne Ionen und lesen deren Informationen aus.

Profis im Miniaturisieren

Noch gibt es Quantencomputer nur als große, sperrige Laboraufbauten. Selbst wenn es gelingt, die Ionen auf einem kleinen Chip zu fangen, ist der Rest des Labors voll mit Lasern, Steuerung und Vakuumpumpe. Für ein kompakteres Ergebnis ist die Expertise der TU Braunschweig in Halbleiter- und Nanotechnologie gefragt. Stück für Stück sollen die Laboraufbauten auf Chips realisiert werden. Aus einem Lasersystem wird ein kleiner Halbleiterlaser, die Vakuumpumpe und die elektronische Ansteuerung wird miniaturisiert. So lange, bis alle Laborgeräte im Chip mit den Qubits integriert sind.

Das Miniaturisieren beschleunigt aber nicht nur den Prozess zu Marktreife und Serienproduktion. Zusätzlich steigt die Skalierbarkeit des Gesamtaufbaus. Für mehr Qubits bräuchte es dann nur ein paar Chips mehr und kein größeres Labor. Derzeit ist das Ziel des „Quantum Valley Lower Saxony“ ein Quantencomputer mit 50 Qubits bis 2025. Wenn der Quantencomputer jedoch in Chip-Format gebracht ist, ließen sich auch 500 oder gar 5000 Qubits realisieren.

Physik trifft Ingenieurskunst

Metrologische Forschung ist ein Schwerpunkt der TU Braunschweig. Gleich mehrere Faktoren stützen dort den Bau eines Quantencomputers. Beispielsweise ist die Universität Mitglied im Exzellenzcluster QuantumFrontiers. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Clusters sind spezialisiert auf quantenmetrologische Ansätze, die sie jetzt zum Bau eines Quantencomputers nutzen. Dadurch wurde QuantumFrontiers zur Keimzelle des neuen Quantenbündnisses in Niedersachsen.

Ähnliches gilt für das Laboratory for Emerging Nanometrology (LENA). In dem Forschungszentrum der TU Braunschweig kommen Physik und praktische Nanotechnologie unter einem Dach zusammen. Diese interdisziplinäre Aufstellung kommt jetzt dem Bau eines Quantencomputers zu gute. Denn gefragt ist beides: hochspezialisierte Quantenforschung und präzise Ingenieurskunst.