22. Oktober 2020 | Magazin:

Keine virtuellen Berührungsängste Stefanie Tschierlei ist neue Professorin für Physikalische Chemie

Am 15. September 2020 wurde Stefanie Tschierlei zur Professorin für Physikalische Chemie am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie ernannt. “Online das Interesse für ein naturwissenschaftliches Fach zu entwickeln, ist eine der großen Aufgaben für die Lehrenden“, erzählt sie im Video-Interview. Viktoria Heyer hat mit ihr über ihren Start an der Carolo-Wilhelmina, ihre Forschung zur Umwandlung von Sonnenenergie und die Herausforderungen eines hybriden Semesters gesprochen.

Stefanie Tschierlei ist neue Professorin für Physikalische Chemie. Bildnachweis: Viktoria Heyer/TU Braunschweig

Professorin Tschierlei, sind Sie gut an der TU Braunschweig angekommen?

Ja, das kann ich definitiv sagen. Ich wurde von den Kolleginnen und Kollegen herzlich empfangen und sehr gut aufgenommen. Bereits kurz nach meinem Start ist mein bisheriges Laborequipment, u.a. ein übergroßes Spektrometer, nach Braunschweig umgezogen. Meine größte Herausforderung ist aktuell noch die Sanierung der mir zur Verfügung gestellten Büro- und Laborräume. Aber auch da ist langsam Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.

An der TU Braunschweig übernehmen Sie die Professur für Physikalische Chemie. Wie sind Sie dahin gekommen und aus welchen Gründen haben Sie sich für diese Universität entschieden?

Ganz einfach gesagt, über die Ausschreibung. Die Stellenbeschreibung hat sehr gut zu meinem eigenen Forschungsprofil und den Schwerpunkten meiner bisherigen Arbeit gepasst. Für die TU Braunschweig habe ich mich entschieden, weil mir in der Forschung viele Möglichkeiten geboten werden und viele Anknüpfungspunkte in die gesamte Region bestehen.

Braunschweig gehört zur forschungsstärksten Region Europas. Gab es für Sie weitere Gründe, sich für die Carolo-Wilhelmina und die Löwenstadt zu entscheiden?

Tatsächlich war für mich ein weiterer ausschlaggebender Punkt, dass die TU Braunschweig die duale Karriere ermöglicht, d.h. als familiengerechte Hochschule auch den Partner unterstützt, wenn dieser ebenfalls in der Region arbeiten möchte. Ferner bieten die Stadt und die Umgebung im Sinne einer Work-Life-Balance auch viele Freizeitangebote und Erholungsmöglichkeiten. Der Harz ist quasi um die Ecke und so weit ist es bis zur Nordsee ja auch nicht.

Sie haben in Jena studiert und nach einem Aufenthalt in Schweden zuletzt in Rostock und Ulm gearbeitet. Womit haben Sie sich in Ihrer Forschung bisher beschäftigt?

Meine Forschungsschwerpunkte liegen auf der spektroskopischen Charakterisierung und mechanistischen Untersuchung verschiedener Systeme zur Umwandlung von (solarer) Energie. Dabei stehen insbesondere molekulare, immobilisierte oder heterogene Photosensibilisatoren und (Photo-) Katalysatoren zur Aktivierung kleiner Moleküle wie zum Beispiel Kohlendioxid oder Wasser im Fokus. In meinen Arbeiten beschäftige ich mich daher intensiv mit den Energie- und Elektronentransferprozessen innerhalb beziehungsweise zwischen verschiedenen Verbindungen. Zur Charakterisierung dieser Prozesse werden von mir primär zeitaufgelöste Laserspektroskopie im Nano- und Femtosekundenbereich sowie stationäre UV/vis-, IR- und Raman-Spektroskopie als auch Spektroelektrochemie angewendet.

Zusammengefasst für Nicht-Chemiker: ich beschäftige mich mit den Mechanismen der künstlichen Photosynthese, also wie Sonnenenergie in chemische Energie gewandelt werden kann. Dabei nutze ich unter anderem die Spektroskopie.

Sie werden an der TU Braunschweig die „AG Tschierlei“ leiten und zu Energiekonversion forschen und arbeiten. Womit werden Sie sich dabei beschäftigen?

Ausgehend von meiner bisherigen Forschungsexpertise möchte ich einen Beitrag zur mechanistischen Aufklärung der künstlichen Photosynthese leisten. Unter anderem wollen wir im Detail verstehen, wie Sonnenenergie mit Hilfe eines geeigneten Katalysators effizient in chemische Energie umgewandelt werden kann. In diesem Zusammenhang spielen die katalytische Wasserspaltung, die Aktivierung von CO2, aber auch die Photoredoxkatalyse eine wichtige Rolle. Neben dem mechanistischen Verständnis soll die Untersuchung von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern zu einer zielgerichteten Optimierung dieser Prozesse und Katalysatoren führen.

Ein kleiner Ausblick auf die Zukunft: Was sind Ihre Pläne für die Arbeit am Institut, welche Ideen haben Sie?

In naher Zukunft werden wir eine Kooperation mit dem Institut für Anorganische und Analytische Chemie der TU Braunschweig starten, um gemeinsam Forschungsprojekte durchzuführen. Auch eine weitere Verknüpfung meiner Forschungsaktivitäten innerhalb des Institutes sowie mit dem Institut für Technische Chemie oder dem Institut für Organische Chemie ist sehr gut vorstellbar.

Langfristig gesehen stellt der Umzug der Chemie in den geplanten Neubau ein wichtiges Projekt dar. Aktuell ist die Physikalische Chemie räumlich gesehen leider sehr auf verschiedene Gebäude und Standorte an der TU Braunschweig verteilt. Der Umzug in ein gemeinsames Haus wird neue Möglichkeiten für die optimale Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen in der Physikalischen Chemie bieten. Das ist nicht nur logistisch eine sehr große Aufgabe, welche momentan aber noch weit in der Zukunft liegt.

Das Wintersemester 20/21 findet als hybrides Semester statt, wobei der Fokus auf der Onlinelehre liegt. Was sind für Sie als Professorin die besonderen Herausforderungen in der Lehre?

Im Bereich Lehre besteht die größte Herausforderung sicherlich in der Onlinelehre. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen wollen wir diese möglichst attraktiv und spannend gestalten, besonders im Hinblick auf die Möglichkeiten der virtuellen Präsenz. Online das Interesse für ein naturwissenschaftliches Fach zu entwickeln, ist eine der großen Aufgaben für die Lehrenden. Wir möchten, dass die Studierenden auch mit wenig Präsenz viel verstehen und lernen können. Weiterhin versuchen wir, neue Formate und Möglichkeiten des persönlichen Austausches zwischen den Studierenden zu finden, quasi als digitale Alternative zum klassischen Kaffee in der Mensa.

Was möchten Sie den Studierenden dabei mit auf den Weg geben?

In diesem Semester ist die Selbstverantwortung der Studierenden sicherlich noch ein Stück weit größer. Der Kontakt mit den Kommilitonen in der Präsenz ist Pandemie-bedingt sehr eingeschränkt, der Austausch erfolgt primär digital und virtuell. Wir möchten die Studierenden natürlich so gut wie möglich unterstützen, sie brauchen keine virtuellen Berührungsängste haben. Die Kommunikation mit den Lehrenden sollte aktiv gesucht und Möglichkeiten wie zum Beispiel Online-Sprechstunden genutzt werden. Fragen zu den Lehrinhalten können und sollen weiterhin gestellt werden, nur bitte rechtzeitig und nicht erst kurz vor der Prüfung. Es ist und bleibt wichtig, kontinuierlich zu lernen und nicht auf den letzten Drücker.

Den Studierenden möchte ich einen einfachen Tipp mit auf den Weg geben: Schauen Sie über den Tellerrand hinaus. Beschäftigen Sie sich nicht nur ausschließlich mit den Inhalten aus den Vorlesungen und Seminaren, verfolgen Sie weitere interessante Themen. Es geht nicht darum, das Geforderte zu lernen, sondern sich selbst- und eigenständig mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Das eigene Wissen zu erweitern, Erfahrungen zu sammeln und wissenschaftlich zu arbeiten und zu forschen, das bedeutet für mich studieren.

Vielen Dank für das Interview!