UNICARagil – 23,3 Millionen Euro für die Mobilität der Zukunft Hochschulen und Industrie bringen automatisierte Elektrofahrzeuge auf die Straße
Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts UNICARagil haben sich die führenden deutschen Hochschulen im Automobilbereich mit ausgewählten Forschern aus der Industrie zusammengeschlossen, um das Fahrzeug und seine Entwicklungsprozesse revolutionär neu zu denken. Die TU Braunschweig ist mit dem Institut für Regelungstechnik (IfR) und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze (IDA) an dem Projekt UNICARagil beteiligt. Die Institute verantworten den zentralen Aspekt der Sicherheit der Fahrzeuge, insbesondere wenn diese im automatisierten Betrieb gänzlich ohne menschlichen Überwacher fahren. Zudem wird an der TU Braunschweig gemeinsam mit den Kollegen der Technischen Universität Darmstadt der Anwendungsfall der AUTOelfe als automatisiertes Fahrzeug für die ganze Familie realisiert.
Das Projektkonsortium unter Leitung von Prof. Lutz Eckstein, Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen, wird im Rahmen des vierjährigen Projektes eine neue disruptive, modulare und agile Fahrzeugarchitektur sowie Plattform konzipieren. Ausgehend von dieser Plattform werden vier verschiedene Anwendungsfälle vom automatisierten Familientaxi bis zur mobilen Packstation prototypisch aufgebaut und abgesichert.
Autonome, elektrische Fahrzeuge werden essentieller Baustein der Mobilität der Zukunft sein: Sie schaffen die Grundlage für einen nachhaltigen und intelligenten Straßenverkehr, neuartige Mobilitäts- und Transportkonzepte, Verbesserungen der Verkehrssicherheit sowie Steigerung der Lebensqualität in urbanen Räumen.
Neue Wege nach 130 Jahren Auto-Evolution
Dafür geeignete Fahrzeugkonzepte erfordern jedoch eine wesentlich zentralisiertere und leistungsfähige Informationsverarbeitung und -übertragung im Kraftfahrzeug und damit eine Abkehr von etablierten Architekturen und Prozessen. Die in der Automobilindustrie vorherrschenden und in den letzten 130 Jahren bewährten Methoden der evolutionären Weiterentwicklung bestehender Systeme und Konzepte werden daher nur begrenzt Erfolg haben können.
Im Vorhaben UNICARagil werden neueste Ergebnisse der Forschung zur Elektromobilität sowie zum automatisierten und vernetzten Fahren genutzt, um autonome elektrische Fahrzeuge für vielfältige zukünftige Anwendungsszenarien zu entwickeln. Dabei werden Anleihen aus der IT-Industrie mit ihren schnellen Entwicklungszyklen und Aktualisierungsmechanismen genommen. Basis ist ein modulares und skalierbares Fahrzeugkonzept, bestehend aus Nutz- und Antriebseinheiten, das sich flexibel an vielfältige Anwendungsfälle in Logistik und Personentransport anpassen lässt. Kernelement der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist die funktionale Fahrzeugarchitektur, die mit der Cloud, der Straßeninfrastruktur und sogenannten Info-Bienen (Drohnen als fliegende Sensorcluster) vernetzt ist. Weitere Schwerpunkte liegen in der Entwicklung generischer Sensormodule für die Umfelderfassung, einer flexibel erweiterbaren und update-fähigen Software- und Hardware-Architektur sowie Dynamikmodulen zum individuellen Lenken, Antreiben und Verzögern einzelner Räder, die völlig neue Bewegungsformen im Straßenverkehr erlauben.
Forschung und Lehre verzahnt und gestärkt
Das Projektkonsortium umfasst sechs Professoren aus dem Netzwerk des Uni-DAS e.V., die das Projekt initiiert haben. Hinzu kommen weitere Partner aus der Wissenschaft sowie Firmen aus den Bereichen Antrieb, Simulation, IT-Sicherheit, Embedded Software und Systeme, Kommunikation, Kartierung und Lokalisierung, Logistik sowie Elektromobilität. Das Vorhaben bietet die Chance, vielfältige Innovationen hinsichtlich Komponenten und Systemen für autonome elektrische Automobile sowie bei der Umsetzung automatisierter Fahrfunktionen zu initiieren.
Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel sagte bei der heutigen Auftaktveranstaltung in Aachen: „Der Bedarf an alltagstauglichen Elektrofahrzeugen ist groß, ob als Taxi oder Lieferfahrzeug. Wir wollen mit der Forschung dafür sorgen, dass Fahrzeuge entwickelt werden, die leistungsfähig, zuverlässig und emissionsfrei funktionieren. Mit UNICARagil starten wir ein in Deutschland einzigartiges Leuchtturmprojekt.“
UNICARagil leistet damit einen substantiellen Beitrag zur Steigerung der Innovationskraft am Standort Deutschland im autonomen elektrischen Fahren. Darüber hinaus wird die interdisziplinäre Forschung, Entwicklung und Lehre an mehreren Wissenschaftsstandorten in Deutschland im Vorhaben systematisch verzahnt sowie nachhaltig gestärkt.
Beiträge der TU Braunschweig:
Eine Vielzahl an Assistenzsystemen im Auto erlaubt bereits heute große Teile des Autofahrens automatisch ausführen. Ohne menschlichen Fahrer, der im Notfall eingreifen kann, ergeben sich ganz neue Anforderungen an die Sicherheit der Fahrfunktionen. Das gilt umso mehr, wenn ein autonomes Fahrzeug Kinder und ältere Menschen befördert, die nicht selbst fahren können. Innerhalb von UNICARagil verantworten das Institut für Regelungstechnik (IfR) und das Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze (IDA) der Technischen Universität Braunschweig den Bereich der funktionalen Sicherheit und den Anwendungsfall AUTOelfe, einem Auto im Privatbesitz, das App-gesteuert Mobilität für die ganze Familie bereitstellt.
Das Fahrzeug braucht ein Konzept für Gefahren
Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bedeutet dies weit mehr, als die einzelnen Funktionalitäten als solche zu verbessern und die auftretenden Fehler zu reduzieren. Denn ein autonomes Auto muss mehr können, ganz gleich ob es als Lieferfahrzeug oder Familienwagen zum Einsatz kommt. Bei schneller Fahrt muss es beispielsweise die Hinterräder vorsichtiger bewegen als im Schritttempo. Darüber hinaus muss das Fahrzeug nicht nur äußere Gefahren erkennen und vermeiden, sondern auch eigene Defizite feststellen, wie sie durch den Ausfall von einzelnen Funktionen entstehen. Bei einem Reifenschaden etwa muss das Auto selbstständig „entscheiden“, ob es sofort anhält oder auf den intakten Reifen noch langsam bis zur nächsten Werkstatt fahren kann. Das Fahrzeug benötigt also ein Gesamtkonzept für Risiken und Gefahren im Zusammenwirken der einzelnen Funktionen. Darauf sind die Braunschweiger Forscherinnen und Forscher spezialisiert.
AUTOelfe: Familienhelfer wird im Testfeld Braunschweig erprobt
Die Braunschweiger sind außerdem federführend zuständig für einen der vier prototypischen Anwendungsfälle, die AUTOelfe. Dabei rückt das automatisierte Fahrzeug im Privatbesitz als Teil der Familie in den Mittelpunkt. Das visionäre Fahrzeug erledigt etwa den Transport des Wocheneinkaufs, fährt die Kinder zur Musikschule oder die Großeltern zum Arzt. Es bietet dafür ein flexibel nutzbares Interieur, welches für die Anforderungen einer Familie maßgenschneidert ist. Die AUTOelfe soll in urbanen, innerstädtischen Szenarien wie bspw. auf dem Braunschweiger Stadtring im Testfeld Braunschweig demonstriert werden.