19. Mai 2020 | Magazin:

Der Weg zur wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Batteriezelle Nachgefragt bei der Koordination des Kompetenzclusters ProZell

ProZell gilt als Grundpfeiler für den Aufbau einer leistungsstarken und kostengünstigen Batteriezellenproduktion in Deutschland. Professor Arno Kwade und Dr. Laura Jess vom Institut für Partikeltechnik koordinieren den Kompetenzcluster, an dem insgesamt 29 Forschungseinrichtungen und Institute an 15 Standorten zusammenarbeiten. Im Interview zeigen die beiden Forschenden der Technischen Universität Braunschweig, wie ein bundesweites Cluster im Notbetrieb funktioniert.

Prof. Arno Kwade auf einer ProZell Tagung in Berlin.n Bildnachweis: Arne Glodde/TU Berlin

Inwiefern hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?

Mit dem Cluster ProZell wollen wir in Deutschland eine international führende und zugleich nachhaltige Batteriezellproduktion entwickeln. Die erfolgreiche Koordination des Clusters setzt gute Kommunikationswege und viele Abstimmungstreffen voraus. Derzeit vernetzen wir uns mit den Kompetenzcluster zu Festkörperbatterien (FestBatt) und zu Batteriematerialien (ExcellBattMat), der Forschungsproduktionsanlage in Ulm und der neuen Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster. Viele Abstimmungstreffen fanden hierzu bislang auf Konferenzen und Tagungen in persönlichen Meetings statt, die nun auf unbestimmte Zeit entfallen werden. Als guter Ersatz haben sich Kommunikationswege per Videokonferenz auf verschiedenen Online-Plattformen bewährt. Die Arbeit in der Koordination gestaltet sich nun deutlich digitaler.

Wie geht es mit ProZell weiter – pausieren Projekte oder laufen sie wie gehabt weiter?

Derzeit vereint ProZell zwölf Forschungsprojekte, zwei Plattformen (Digitalisierung und Recycling) und ein Begleitprojekt zur Geschäftsführung und Öffentlichkeitsarbeit des Clusters sowie ökonomische und ökologische Bewertung der Clusterergebnisse. Viele Projekte setzen innovative Schwerpunkte in der Verfahrenstechnik bei der Batterieproduktion. Beispielsweise entstehen mathematische Simulationen zu einzelnen Prozessschritten, werden Arbeiten aus der ersten Förderphase zur Kosten- und Umweltbewertung fortgeführt und ein digitaler Zwilling der Batteriezellproduktion entwickelt.

Alle beteiligten Forschungsinstitutionen müssen sich an unterschiedliche Vorgaben und Richtlinien zum Umgang mit Corona orientieren und halten. Diese stammen nämlich von den jeweiligen Landesministerien und unterscheiden sich zum Teil deutlich. Daher können wir noch nicht absehen, wie sich die aktuelle Pandemie auf die einzelnen Projekte auswirkt. Mit der zweiten Förderphase seit dem 1. Oktober 2019 starteten auch alle Projekte neu. Während Recherchearbeiten gut im Homeoffice funktionieren, laufen Labortätigkeiten derzeit unter besonderen Schutz- und Sicherheitsvorkehrungen ab. Insgesamt verlangt die Corona-Situation den Forscherinnen und Forschern in dieser Zeit zusätzliche Flexibilität und Kreativität ab.

Die Arbeitsschritte der Batterieproduktion. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig

Die Arbeitsschritte der Batterieproduktion. Bildnachweis: Ulrich Pucknat/Pucknat Pictures

Die Arbeitsschritte der Batterieproduktion. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig

Die Arbeitsschritte der Batterieproduktion. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig

Organisationsstruktur des Clusters ProZell.

Wie geht ProZell mit der plötzlichen Digitalisierung um?

Insgesamt erhält ProZell rund 30 Millionen Euro Fördervolumen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Für die fachliche Ausrichtung und Weiterentwicklung des Clusters und seiner Projekte ist ein Managementkreis mit Vertretern aus Wissenschaft und Industrie verantwortlich, der vom Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLIB) unterstützt wird. Ursprünglich sollte Ende März ein Forschungskolloquium in Braunschweig stattfinden, wo die Projekte dem Managementkreis ihre Fortschritte berichten. Nach der kurzfristigen Absage der Konferenz haben die Forscherinnen und Forscher ihre Vorträge einfach aufgezeichnet. Begutachtet wurde dann in einer Videokonferenz. Das ermöglichte den intensiven fachlichen Austausch trotz erschwerter Bedingungen.

Wir haben für uns gelernt, dass virtuelle Meetings persönliche Treffen gelegentlich und zu einem gewissen Teil ersetzen können. Das werden wir auch weiterhin nutzen. Gleichzeitig zeigen die digitalen Tools und deren Möglichkeiten aber auch den Mehrwert von echtem Zusammentreffen. Unserer Erfahrung nach erreicht der fachliche Austausch bei Präsenzveranstaltungen eine bessere Tiefe und erlaubt eine detaillierte Besprechung und Entwicklung neuer Ideen.

Ein Ende der Corona-Situation ist unklar. Wie ist die Stimmung im Team?

Das Institut für Partikeltechnik ist an neun der zwölf Projekte in ProZell aktiv beteiligt. Das Team passt sich den Umständen entsprechend an und stellt sich darauf ein, dass die Krise auch noch länger die Arbeitswelt bestimmen wird. Für die Technika und Labore wurden entsprechende Regeln erarbeitet, die einen Fortgang der experimentellen Arbeiten, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit, erlaubt.

Die Krise als Chance: Gibt es etwas, dass Ihnen Mut macht?

Die Digitalisierung ist in Deutschland nicht so weit fortgeschritten wie in anderen europäischen Ländern. Die erzwungene Digitalisierung in so kurzer Zeit zeigt, dass Deutschland aufholen kann – und wir persönlich schnell gelernt haben, die digitalen Möglichkeiten flexibel zu nutzen.

Vielen Dank für das Interview.