23. August 2019 | Magazin: ,

Türen öffnen für den Forschungsnachwuchs Eine Zwischenbilanz der Early Career Grants und der Agnes-Pockels-Fellowships

Der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland hat es nicht leicht. Er arbeitet in der Regel in einem hoch kompetitiven Umfeld an jeweils befristeten Projekten – Dauerstellen sind rar. Gleichzeitig stehen Hochschulen im Wettbewerb um herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Vor drei Jahren wurden Early Career-Programm und Agnes-Pockels-Fellowship an der TU Braunschweig eingeführt. Sie fördern gezielt Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler in ihren frühen Karrierephasen. Einer der wesentlichen Initiatoren und zwei Nachwuchsforscher sprechen über ihre Erfahrungen.

Professor Rolf Ernst ist Sprecher des DFG-Netzwerks der TU Braunschweig. Die darin engagierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen – alle mit langjähriger Erfahrung bei der Beantragung von Drittmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) – beraten sowohl das Präsidium als auch Antragsteller in Sachen Forschungsförderung. Die Programme zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung gehen auf die Initiative des Netzwerks zurück. „Ziel der Postdoc Career Grants und der Agnes-Pockels-Fellowships ist es, aussichtsreiche Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler bestmöglich zu unterstützen und in die Selbstständigkeit zu begleiten“, sagt er. Die Postdoc Career Grants richten sich an den eigenen Nachwuchs, möglichst direkt nach der Promotion. Die Postdocs können mit der entsprechenden Förderung forschen und einen ersten eigenen Drittmittelantrag bei der DFG vorbereiten.

Ein Extra-Ansporn für besonders gute Leistung

Zu sehen ist der Stipendiat Dr.-Ing. Saber M. Elsayed.

Dr.-Ing. Saber M. Elsayed ist der erste PostDoc Career Grantee an der TU Braunschweig.
Bildnachweis: Jonas Vogel/TU Braunschweig.

Der erste Postdoc, der aufgrund herausragender Leistungen einen solchen Grant eingeworben hat, ist Dr.-Ing. Saber M. Elsayed. Als Research Associate am Leichtweiß-Institut für Wasserbau erforscht er die Auswirkungen von Sturmfluten auf Küsten und Grundwasser. Nach dem Start in Studium und ersten Berufserfahrungen in seinem Heimatland Ägypten schloss er sein Masterstudium an der Politechnischen Universität in Mailand ab. Zur Promotion kam er an die TU Braunschweig. Sein Projekt „Reaktion von Küstenbarrieren und Süßwasseraquiferen auf extreme Sturmfluten und Überschwemmungen (ReFresh)“ das mit Unterstützung des Grants beantragen konnte, wird inzwischen von der DFG mit rund 350.000 Euro gefördert.

Rückblickend lobt er auch die ideelle Unterstützung durch das DFG-Netzwerk. „Für Nachwuchskräfte im Wissenschaftssystem ist die Finanzierung der eigenen Stelle oft eine Herausforderung. An der TU Braunschweig ist die Aussicht auf einen Postdoc Career Grant deshalb für viele ein Extra-Ansporn. Gleichzeitig mangelt es in der frühen Karrierephase noch an Erfahrungen bei der Beantragung von eigenen Projekten“, sagt er. „In dieser Zeit war mir daher nicht allein die Finanzierung wichtig. Auch meine Mentoren aus dem DFG-Netzwerk haben mir extrem geholfen, letztlich erfolgreich zu sein. Sie haben den Antrag gegengelesen und mir wertvolle Tipps gegeben.“ Elsayed möchte im nächsten Schritt weitere Drittmittel für eine eigene Forschergruppe an der TU Braunschweig einwerben.

Im Netzwerk mit den „alten Hasen“

Und dann? „Dass diese außergewöhnlichen jungen Leute dann letztlich an der TU Braunschweig bleiben, ist nicht unser Ziel“, sagt Rolf Ernst. „Natürlich werden sie, wenn alles gut läuft, einen Ruf oder eine andere hochqualifizierte Stelle erhalten. Das festigt wiederum unseren guten Ruf in der Welt und stärkt unsere Netzwerke.“

Die Zusammenarbeit liegt auch Saber M. Elsayed am Herzen. „Nur, wenn wir unser Wissen und unsere Erfahrungen über Fach und Einrichtungen hinweg teilen, haben wir eine Chance, die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Küstengebiete in den Griff zu bekommen“, sagt er.

Konkurrenz um die klugen Köpfe

Mit der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung steht die Carolo-Wilhelmina nicht allein da. Auch andere Universitäten haben den Handlungsbedarf gesehen, den nicht zuletzt die sogenannte Imboden-Kommission im Rahmen der Evaluierung der Exzellenzinitiative 2016 adressiert hatte, und Programme aufgelegt. „Wir stehen in Konkurrenz um die klugen Köpfe“, erklärt Rolf Ernst dann auch.

Dabei vertrete die TU Braunschweig im Vergleich eine besonders fortschrittliche Linie. „Für uns ist das Thema Eigenständigkeit sehr wichtig. Unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler erhalten konsequent das Promotionsrecht für ihren Arbeitsbereich, sobald es ihnen gelungen ist, eine extern begutachtete Nachwuchsgruppe einzuwerben. Wir wollen die jungen Kolleginnen und Kollegen so früh wie möglich in die wissenschaftliche Verantwortung – und das heißt hier auch in die Personalverantwortung – bringen und setzen damit starke Anreize.“

‚Selfie‘ in der Natur. Matthias Beyer ist gerne im Freien und sieht Feldforschung als unbedingt notwendige Grundlage wissenschaftlicher Arbeit. (Bildnachweis: Matthias Beyer/BGR)

Dr.-Ing. Matthias Beyer leitet die Nachwuchsforschungsgruppe Wasserisotope Boden-Pfanze-Atmosphäre am Institut für Geoökologie (Professor Harald Biester). Er hatte bereits eine Freigeist-Fellowship der VolkswagenStiftung an der TU Braunschweig eingeworben, als er im Rahmen eines Interviews von den Agnes-Pockes-Fellowships hörte. Sie sind für Nachwuchskräfte gedacht, die bereits in hochkompetitiven Programmen unabhängige drittmittelfinanzierte Nachwuchsgruppen eingeworben haben. Sind die Zusatzmittel in dieser Phase überhaupt hilfreich? „Aber ja“, sagt der Hydrologe. „Sie waren absolut wichtig, um mich hier zu etablieren.“

Flexible Zusatzmittel für die Top-Ausstattung

Der Freigeist-Antrag ist sein erster Antrag gewesen, und gleich ein sehr großer. Mit den Mitteln konnten seine Nachwuchsforschungsgruppe und ein Wasserisotopenlabor aufgebaut werden. „Wir erforschen hier tief wurzelnde Pflanzen und deren Rolle im sowie Wechselwirkungen mit dem Wasserkreislauf“, erläutert er. „Unser Projekt ist für fünf Jahre geplant. Wie häufig bei feldforschungslastigen Projekten, waren zusätzliche Ausgaben nötig, die nicht vorhersehbar waren. Aus den Mitteln der Agnes-Pockels-Fellowship konnten wir Hilfskräfte einstellen und unser Labor komplettieren.“ Und noch mehr: Das Team arbeitet unter anderem mit einer Drohne, die hochaufgelöste Geodaten liefert. „Was wir nicht kalkuliert hatten, war eine zusätzliche Kamera für die Drohne. Neben der bestehenden Infrarotkamera konnten wir eine Multispektralkamera anschaffen, die uns ganz neue Rückschlüsse auf die Stoffwechselprozesse der Pflanzen und die Ableitung von Bodenparametern ermöglicht. Die Ausstattung ist für uns nun maßgeschneidert und bringt uns jetzt in der Forschung deutlich nach vorn. Es ist klasse, dass wir die Mittel aus der Universität so flexibel verwenden können.“ Auch für Matthias Beyer ist dabei die finanzielle Ausstattung nur ein Aspekt der Förderung. Die Berichterstattung über die Fellowships und sein Projekt habe ihm Türen in die Institute geöffnet. „Dadurch wussten die Kolleginnen und Kollegen schon etwas darüber, wer ich bin und was ich vorhabe“, sagt er.

Auf zum nächsten Antrag

Als erster Antragssteller seien ihm die Rahmenbedingungen für die Agnes-Pockels-Fellowship nicht ganz klar gewesen. „Wir haben uns damals einfach zusammengesetzt und aufgeschrieben, was wohl passen würde. Klare Richtlinien und etablierte Workflows seien aber durchaus für ihn und andere Kandidatinnen und Kandidaten nützlich. Und: Das Programm könne durchaus innerhalb und außerhalb der TU Braunschweig mehr publik gemacht werden, sagt Beyer. Es mache die Universität attraktiv für Nachwuchskräfte und könne auch ein Kriterium sein, in der Region zu bleiben. Der Hydrologe kann sich selbst gut vorstellen, seine Karriere auch nach Ablauf der Fellowships an der TU Braunschweig fortzusetzen. Festlegen will er sich aber noch nicht. Im nächsten Schritt stehen erst einmal weitere Drittmittelprojekte an. „Wir haben jetzt einen neuen Antrag beim BMBF gestellt – wieder eine neue Erfahrung. Dabei haben mir die Kolleginnen und Kollegen vom Forschungsservice sehr geholfen.“