4. Oktober 2021 | Magazin:

Tokio und Braunschweig forschen gemeinsam an Qubit-Steuerung Quantencomputer-Kooperation zwischen dem Institut für CMOS-Design und dem Ishikuro Labor der Keio Universität

Wie steuert man eigentlich Qubits, die Recheneinheit von Quantencomputern? Nach aktuellem Forschungsstand auf jeden Fall zu raumgreifend und zu warm. Um platzsparender und kälter zu werden, schlossen sich jetzt das Institut für CMOS-Design aus dem Forschungsschwerpunkt Metrologie der Technischen Universität Braunschweig und das Ishikuro Labor der Keio Universität in Japan mit einem Memorandum of Understanding zusammen. Für die niedersächsische Quantenallianz um das Exzellenzcluster QuantumFrontiers und das Quantum Valley Lower Saxony (QVLS) entsteht damit eine neue Facette.

Über 9.000 Kilometer Entfernung via Fotomontage vereint: (v.l.) Die braunschweiger Wissenschaftler Professor Vadim Issakov und Peter Toth verfassten zusammen mit ihren Kollegen Shuya Nakagawa und Professor Hiroki Ishikuro das Memorandum of Understanding. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig und Shuya Nakagawa

Quantencomputer mögen es kalt: Bisher laufen die zuverlässigsten Ionen-Fallen-basierten Quantencomputer bei 4 Kelvin, was einer Temperatur von circa minus 269 Grad Celsius entspricht. Steigt die Temperatur, verlieren die Qubits, die empfindlichen Recheneinheiten des Quantencomputers, ihre Stabilität. Sie werden fehlerhaft und mehrere andere Qubits müssen einspringen, um den Fehler auszubügeln. Wenn von diesen wieder einige fehlerhaft sind, beginnt das Spiel erneut. Stabilität beziehungsweise die Tiefkühlung hat also oberste Priorität für einen reibungslosen Betrieb.

Ein destabilisierender Faktor ist derzeit die Steuerung der Qubits. Bisher ist jedes einzelne tiefgekühlte Qubit über ein Kabel mit der auf Raumtemperatur arbeitenden Ansteuerung verbunden. Dieser Kabelsalat braucht zunächst einmal viel Platz. Viel schwerer wiegt aber, dass jeder Kontakt Energie und damit Wärme übertragen muss. Das Konzept ließe sich daher kaum von den bisherigen Quantencomputern auf neue Modelle mit einer Vielzahl von Qubits übertragen. Diese wären nicht nur unfassbar groß, sondern durch die vielen Wärmezuleitungen nicht mehr kalt genug für stabile Qubits.

Die richtigen Chips für viele Qubits

Sowohl das Institut für CMOS-Design an der TU Braunschweig als auch die japanische Keio Universität wollen die Skalierungsbremse der Ansteuerungskabel mit Chips lösen. Wenn es gelingt, einen Chip zu designen, der bei minus 269 Grad Celsius die Qubits direkt ansteuert, braucht es nur noch ein Kabel: eben an diesem Chip. Für diese Aufgabe wollen die beiden Institute in Zukunft gemeinsam forschen und lehren.

Dabei kombiniert die Institutspartnerschaft zwei notwendige Expertisen für die kommenden integrierten Schaltngen. Das japanische Team um Professor Hiroki Ishikuro hat bereits viele Erfahrungen mit stromsparenden analogen und mixed-signal Schaltungen gesammelt. Diese Schaltungen versuchen, durch hohe Effizienz möglichst wenig Strom zu verbrauchen. Im Quantencomputer würden solche Chips also vergleichsweise wenig Wärme abgeben. Demgegenüber ist das Braunschweiger Team um Professor Vadim Issakov erfahren bei Schaltungen bei hohen Frequenzen. Nur solche Chips können überhaupt die Ansteuerung von Qubits leisten. „Unsere beiden Arbeitsgruppen bringen das zusammen, was künftig Quantencomputer skalierbarer machen könnte. Wir haben dann ein Vielfaches an Qubits unter der Haube, ohne dass dabei die Größe des Systems übermäßig zunimmt“, sagt Professor Vadim Issakov.

Partnerschaft auf mehreren Ebenen

Bereits am 1. November 2021 folgt dem unterzeichneten Memorandum of Understanding der erste Besuch: Mit Shuya Nakagawa kommt ein japanischer Doktorand für sechs Monate an die TU Braunschweig, woraufhin Peter Toth aus dem Institut für CMOS-Design 2022 für ein halbes Jahr in Japan forscht. Eine beantragte DAAD-Förderung soll zudem den weiteren Austausch für die nächsten zwei Jahre sichern. Damit könnten zwei deutsche Masterstudierende nach Japan reisen und drei japanische nach Deutschland. Zusätzlich geben die beiden Professoren dann jährlich eine Blockveranstaltung an der jeweils anderen Universität. Durch die vielen Brücken soll die Kooperation so langfristig gefestigt werden.

Vom deutsch-japanischen Austausch profitieren zudem die Verbundprojekte, zu denen die Wissenschaftler*innen und Studierenden beitragen. Professor Vadim Issakov: „Die Gruppe von Professor Ishikuro ist beispielsweise im japanischen Programm „Moonshot“ beteiligt. Aus unserer Sicht sticht dagegen vor allem das Exzellenzcluster QuantumFrontiers und der niedersächsische Hub für Quantentechnologien, das Quantum Valley Lower Saxony (QVLS), hervor. Denn die Chips zur Qubit-Steuerung haben ein klares Anwendungsziel: Sie sollen helfen, den bis 2025 entstehenden Quantencomputer des QVLS skalierbar zu machen.“