Stadt und Kultur entdecken trotz social distance Rundgang mit App durch das historische Braunschweig jetzt für alle Studierenden
Aus einer Lehr-Anwendung für Germanistik-Studierende, ausgezeichnet mit dem Niedersächsischen Wissenschaftspreis, ist ein Rundgang für alle Studierende durch die Sprach-, Literatur- und Kulturgeschichte der Stadt Braunschweig geworden. Das ist das Ergebnis eines Transferprojektes, das von Beginn an von Studierenden für Studierende konzipiert und gestaltet wurde. Mit der „Mittelalter-App für Braunschweig für alle“, kurz MAppBS, wird die Entdeckung der nächsten Umgebung – gerade für Erstsemester und in Corona-Zeiten – zum Spiel. Im Interview berichtet Dr. Wiebke Ohlendorf, was sich seit dem Entwicklungsstart 2018 getan hat und wie die weiteren Pläne aussehen.
2018 haben Sie gemeinsam mit Studierenden Stadtrundgänge für das Smartphone (MAppBS) erstellt, mit der Germanistik-Studierende auf spielerische Weise die Sprache im Mittelalter erkunden können. Wie hat sich das Projekt weiterentwickelt?
Unsere „Mittelalter-App für Braunschweig. LiteraToUr in der Stadt“ (MAppBS) wurde ursprünglich von Germanistik-Studierenden für Germanistik-Studierende erstellt. Als Basis diente die App Actionbound, mit der man solche Touren entwerfen kann. Diese Rundgänge werden in der Lehre genutzt: Als Lernunterstützung wenden Studierende das im Modul „Einführung in die Mediävistik“ Gelernte praktisch an Braunschweiger Beispielen an. Mit Corona hat sich alles verändert, aber MAppBS hat dadurch noch zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Unsere App bringt einerseits die Studierenden als Lerngruppe im Freien zusammen und andererseits macht sie Zweitsemester mit ihrer geschichtsträchtigen Stadt vertrauter. Wir haben gemerkt, dass das Projekt sehr gut ankommt. Das gerade fertiggestellte Transferprojekt „MAppBS für alle“ erschließt die Themen und die Stadt für alle Interessierten. Daher sind auch Studienanfänger aus anderen Fächern – etwa dem Maschinenbau, der Psychologie oder der Lebensmittelchemie – dazu eingeladen, Braunschweig auf diese Weise kennenzulernen.
Wie entstand die Idee, die App allen Fakultäten zur Verfügung zu stellen?
In vielen Projektvorstellungen wurden wir gefragt, ob „MAppBS“ auch für Menschen lohnenswert sei, die nicht ausgerechnet Germanistik studieren. Wir haben das als Anregung genutzt, die Zielgruppe mit dem Transferprojekt weiter zu öffnen, ohne den germanistisch-mediävistischen Fokus auf die Stadt zu verlieren.
Wen habt Ihr als Benutzer*innen konkret im Blick?
Prinzipiell alle Menschen, die etwas über Braunschweig in der Zeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit erfahren wollen und dem spielerisch-kompetitiven Zugang gegenüber offen sind. Die Erstsemester im Besonderen können einen guten Einblick in die mittelalterliche Bedeutung ihrer Studienstadt erhalten. Dadurch, dass sie sich in kleinen Gruppen zum Rundgang im Freien verabreden können, kann „MAppBS für alle“ vielleicht auch ein wenig den fehlenden Sozialkontakt zum Studienbeginn kompensieren.
Die Öffnung für einen breiteren Anwenderkreis bedeutet auch, dass die Anforderungen an die Teilnehmenden angepasst worden sind, oder?
Ja, ohne die Einführungsveranstaltungen müssen wir mehr Hintergrundinformationen liefern, aber natürlich ohne einen belehrenden Ton anzuschlagen. Den Studierenden, die die Texte verfasst haben, ist das meines Erachtens sehr gut gelungen.
Was habt Ihr zum Beispiel konkret angepasst?
Für „MAppBS für alle“ ist ein völlig neuer Rundgang entstanden. Auch inhaltlich sollten die vorhandenen Stationen nicht einfach kopiert werden. Die relevanten Texte oder Orte, die bereits im ursprünglichen „MAppBS“-Weg Verwendung fanden, bleiben natürlich bestehen. Wir haben also zum Beispiel an das Buch „Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel“ oder die Rolle Heinrichs des Löwen als Förderer der Kunst neue Fragen gestellt.
Die Germanistik-Vorlesung als Gerüst ist ja entfallen. Wie habt Ihr das gelöst, damit die Wissenstour für Nicht-Germanisten spannend bleibt?
Ja, das war eine Herausforderung. Wir hatten anfangs fast zu viele thematische Freiheiten. Die Inhalte mussten jetzt losgelöst vom Vorlesungsplan auf eine sinnvolle Abfolge der Stationen gebracht werden. Das musste gleichzeitig für einen räumlich und zeitlich machbaren Weg geschehen. Da Braunschweig eine riesige Fülle von Details zu bieten hat, konnten wir einen etwa zweistündigen Rundgang durch die Stadt entwickeln. Durch die kreative Umsetzung der Studierenden ist eine Mischung aus informativen Hörtexten, Fragen und Aufgaben entstanden, mit der sich die mittelalterlichen Spuren aktiv suchen lassen.
Gibt es Highlights während der Schnitzeljagd, die Ihr besonders hervorheben möchtet?
Mein persönliches Highlight ist die Station der „Kaffeetwete“. Hier hat eine Studentin die Begebenheiten vor Ort recherchiert und ist dabei mit einem Anwohner ins Gespräch gekommen, der eine originelle Erklärung für den Namen der Straße gegeben hat, auch wenn diese sprachhistorisch nicht haltbar ist. Diese Anekdote ist in den Hörtexten gelandet und gibt ihnen einen besonderen Charme. Was sich dahinter konkret verbindet, muss man natürlich selbst ausprobieren.
Wie steht es um die Pflege der Inhalte? Ist die gesichert?
Die Pflege der Inhalte wird über die Germanische Mediävistik geregelt. Waren im aktiven Projekt an der Entstehung noch Studierende und Hilfskräfte involviert, so läuft die Pflege des „Actionbound“-Accounts jetzt nur noch über mich.
Gibt es möglicherweise weitere Pläne bezüglich der App?
Das Transferprojekt hat dazu geführt, dass das „MAppBS“ schon einmal erfolgreich als „PharmAppBS“ in die Pharmaziegeschichte übertragen wurde. Aktuell wird das Konzept von Prof. Dr. Johannes Wienand und Miriam Geißmar, die ja auch schon bei „MAppBS“ mitgearbeitet hatte, als weiteres Transferprojekt unter dem Namen „urban/classics.bs“ in das Institut für Geschichtswissenschaft übertragen. Wir freuen uns immer über spannende Kooperationen. Wer Interesse hat, kann sich gerne bei mir melden.