23. Juni 2022 | Magazin:

Bewegen in der Stadt Partizipative Experimente mit dem SpACE Lab beim Digitaltag 2022

Was macht einen guten Stadtraum aus? Welche Art von Straßen und Freiräumen bevorzugen wir? Was hilft uns, uns in der Stadt zurechtzufinden? Wie müssen Straßen gestaltet sein, um nachhaltige Mobilität wie das Zufußgehen und Radfahren in Verbindung mit dem ÖPNV zu fördern? Das möchte das SpACE Lab am ISU – Institute for Sustainable Urbanism der Technischen Universität Braunschweig herausfinden. Beim Digitaltag 2022 lädt das Team im Architekturpavillon zu einem Virtual Reality-Experiment ein, das die Teilnehmenden durch Braunschweig führt. Und sie können selbst zu Forschenden und Sammler*innen urbaner Daten werden.

VR-Experiment: Welchen Weg wähle ich? Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

VR-Experiment: Welchen Weg wähle ich? Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Am Anfang des Virtual Reality-Experiments steht die Entscheidung: Welchen Weg nehme ich? Ist einer der Pfade kürzer? Welche Route kenne ich gut oder ist meine Lieblingsstrecke? Los geht’s am „Architower“ an der Mühlenpfordstraße in Braunschweig. Ziel ist das Haus der Wissenschaft. Vier Strecken stehen Fußgänger*innen zur Verfügung: entlang der Hauptstraße, über die Katharinenstraße an der Mensa 1 vorbei, Richtung Bäckerei und dann weiter über die Schleinitzstraße oder eine Tour neben der Oker.

Welchen Weg die meisten Teilnehmer*innen des Experiments bevorzugen, will das Team am Digitaltag untersuchen. Und sie wollen wissen, weshalb sie diese Route wählen. „Die Entscheidung hängt von der Umgebung ab, aber auch von dem Menschen selbst“, sagt Dr. Hsiao-Hui Chen, Forscherin am SpACE Lab. „Die Wahl würde sicherlich auch noch einmal anders ausfallen, wenn wir ein Zeitlimit für die Strecke vorgeben oder wenn der Weg in der Dunkelheit gegangen werden müsste.“ In dem VR-Projekt „Move (in) the City – Participatory Spatial Virtuality“ können die Teilnehmenden erkunden, wie die eigene Bewegung in der Stadt von der Struktur und Gestaltung des physischen Raums beeinflusst wird.

Feedback für Verwaltungen und Planer*innen

Im SpACE Lab entwickeln Wissenschaftler*innen unter anderem neue technologiebasierte Methoden, um Nutzenden zentrierte Daten zu sammeln. Ziel ist ein besseres Verständnis der individuellen Entscheidungen, Präferenzen und Verhaltensweisen in der baulich-räumlichen Umwelt. Der Vorteil von Virtual Reality liegt auf der Hand: Die komplexen Beziehungen und Interaktionen zwischen Umwelt und Fußgänger*innen können in einer kontrollierten Umgebung systematisch untersucht und quantifiziert werden. Gleichzeitig können die Forschenden die Straßengestaltung immer wieder ändern und somit das Verhalten in ganz unterschiedlichen Straßenkonfigurationen und Städten analysieren. „Das Feedback und die Perspektive der Nutzenden können dann beispielsweise in den Entscheidungsfindungsprozess von Verwaltungen, Planer*innen und Architekt*innen integriert werden, um einen Beitrag zur menschzentrierten, wissensbasierten Planung und Gestaltung von nachhaltigen Städten und urbanen Regionen zu leisten“, erklärt Olaf Mumm, stellvertretender Leiter des Institute for Sustainable Urbanism (ISU).

Das Experiment wird zusätzlich als Open Source zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Dadurch können Interessierte das gleiche Experiment auf ihren eigenen Geräten durchführen, die Daten und ihre Erfahrungen mit dem SpACE Lab teilen.

Sense your city

Die Sensoren-Kits zur Erfassung urbaner Daten werden vorbereitet. Bildnachweis: SpACE Lab/TU Braunschweig

Die Sensoren-Kits zur Erfassung urbaner Daten werden vorbereitet. Bildnachweis: SpACE Lab/TU Braunschweig

Gleichzeitig vermittelt das SpACE Lab mit dem Workshop „Sense your city – Participatory Urban Data Lab“ Wissen über die Verwendung kleiner Sensoren-Kits zur Erfassung urbaner Daten wie Geräusche, Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Straßen. „Diese Technik ermöglicht es, auf einfache Art und Weise Daten zu erheben und dabei im Sinne von Citizen Science Bürger*innen einzubinden“, so Dr. Deepank, der in seiner Forschung am SpACE Lab datengetrieben Methoden zur Analyse und Bewertung von Stadt- und Mobilitätsräumen fokussiert. Das Gerät besteht aus einem LCD-Bildschirm, einem Orientierungssensor, einem eingebauten Akku, einem Mikrofon, WLAN- und Bluetooth-Konnektivität und einem ausziehbaren Sockel zum Anbringen weiterer Sensoren. In Gruppen entwickeln die Teilnehmer*innen am Digitaltag mögliche Anwendungsfälle, um Daten zu erheben und auszuwerten, zum Beispiel zu Straßenlärm, Vegetation oder Gebäuden. Gemeinsam werden die dafür erforderlichen Sensoren-Kits realisiert. Anschließend können sie die Geräte im Stadtraum installieren, die Datensammlung in Echtzeit visualisieren und gemeinsam auswerten.

„Datengetriebene Analysen können unter anderem helfen, ein besseres Verständnis von Mobilitätsräumen, ihren Barrieren und Hindernissen für die Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität und Zugänglichkeit für alle Bevölkerungsgruppen zu erlangen“, sagt Prof. Dr. Vanessa Miriam Carlow. „Sie können auch genutzt werden, um beispielsweise die eigene Wohn- oder Arbeitsumgebung auf Lärmemissionen hin zu überprüfen und so Informationen für die Stadtentwicklung beispielsweise im Kontext der Lärmminderungsplanung zu sammeln.“

SpACE Lab

Das SpACE Lab – Spatial Analytics and Crossdisciplinary Experimentation Lab am Institute for Sustainable Urbanism (ISU) unter Leitung von Professorin Vanessa Miriam Carlow ist ein Kompetenzzentrum für multidisziplinäre Stadtforschung, das Architektur, Städtebau und Planung mit einer Vielzahl anderer Disziplinen verbindet. Das Team möchte mit seiner Forschung eine auf den Menschen zentrierte, wissensbasierte Planung und Gestaltung nachhaltiger Städte und Stadtregionen fördern. Es ist Gründungsmitglied des Leibniz WissenschaftsCampus Postdigitale Partizipation Braunschweig und entwickelt neue Methoden, die Bürger*innen befähigt, an der Gestaltung und Planung der Stadt mitzuwirken.