Prototyp zur Erprobung der autonomen Fahrfunktionen Rollout der modularen Testplattform im Projekt UNICARagil
Nach drei Jahren intensiver Arbeit ist es endlich soweit – der erste Prototyp der UNICARagil-Familie steht auf den eigenen Rädern: Mit dem autoCARGO hat das erste Fahrzeug mit eigenem Antrieb die Werkstatthallen verlassen und steht nun zur Erprobung der autonomen Fahrfunktionen zur Verfügung. Zeitnah werden drei weitere Fahrzeuge für andere Anwendungsfälle folgen, darunter auch der von der Technischen Universität Braunschweig entwickelte Anwendungsfall des automatisiert fahrenden Familienfahrzeugs autoELF. Außerdem arbeiten die Braunschweiger Forscherinnen und Forscher an einem Sicherheitskonzept für das automatisierte Fahren.
Die UNICARagil-Plattform bildet die Basis für verschiedene Aufbaumodule: Je nach Verwendungszweck des Fahrzeugs werden diese zum Beispiel für den Personennahverkehr und für Warentransporte maßgeschneidert. Der jetzt fertiggestellte fahrende Prototyp autoCARGO beruht auf einer Fahrzeugstruktur, die von Grund auf neu konzipiert und konstruiert wurde. Ebenso wurde die Elektronik-Architektur neu entwickelt, ausgelegt und gefertigt, einschließlich dedizierter Steuergeräte für die Antriebs- und Lenkungsregelung.
Durchgehende Modularität
Mit dem Abschluss der Hardwareintegration ist ein wichtiger Meilenstein im Projekt erreicht. Die fahrfertige Plattform wurde mit einem Aufbaumodul „verheiratet“ und alle für den Fahrbetrieb nötigen mechatronischen Komponenten wurden integriert. Die Besonderheit dieser Fahrplattform ist ihre durchgängige Modularität und die Integration von neuartigen Dynamikmodulen, die elektronisch vernetzt den Antrieb, die Bremse und die Lenkung für jedes einzelne Rad mit Lenkwinkeln von bis zu 90 Grad realisieren.
Nachdem der erste Prototyp auf eigenen Rädern steht und sich aus eigener Kraft bewegen kann, kommen weitere Kernthemen des Projekts zum Tragen: Das Fahrzeug wird in den kommenden Monaten vollständig automatisiert. Dazu werden die Sensormodule bestückt sowie „Großhirn“ (Rechner für die Interpretation des Umfelds, die Verhaltensplanung und -entscheidung sowie für die Trajektorienplanung) und „Stammhirn“ (Rechner zur Umsetzung der vom Großhirn übermittelten Trajektorie) integriert und miteinander vernetzt. Die im Projekt entstandene Software und die automatisierten Fahrfunktionen werden schrittweise in Betrieb genommen und in umfassenden Fahrversuchen geprüft und erprobt werden. Dabei spielt das Thema Sicherheit im Projekt eine hervorgehobene Rolle. Anschließend wird das Interieur ergänzt, das erst zum Projektende komplettiert wird.
Fahrerloses Familienfahrzeug
Im Projekt UNICARagil werden insgesamt vier verschiedene Varianten prototypisch aufgebaut. An der TU Braunschweig entwickelt das Institut für Regelungstechnik ein Fahrzeug im Anwendungsfall autoELF. Hierbei handelt es sich um ein fahrerloses Familienfahrzeug. autoELF soll die alltäglichen Fahrten innerhalb einer Mehrgenerationenfamilie eigenständig ausführen. Eine fahrtüchtige Begleitperson, die für den Transport nicht fahrtüchtiger Personen mit einem konventionellen PKW notwendig ist, wird dann nicht mehr erforderlich sein. Auf diese Weise soll das Fahrzeug auch Kindern oder körperlich eingeschränkten Personen zu mehr Selbstständigkeit im Alltag verhelfen. Gleichzeitig werden Angehörige, die zuvor Fahrten zum Zweck der Begleitung durchführten, entlastet. Neben einer möglichst nahtlosen Integration des Fahrzeugs in den Alltag der Familie liegt deshalb ein besonderer Fokus auf dem Fahrzeugzugang und der Innenraumgestaltung.
Sicherheitskonzept für automatisiertes Fahren
Neben der Entwicklung eines automatisierten Familienfahrzeugs konzentriert sich die TU Braunschweig auf die Sicherheit der Fahrzeuge. Das Institut für Regelungstechnik und das Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze legen den Schwerpunkt auf die Erstellung eines Sicherheitskonzepts für die automatisierte Fahrfunktion. Die Betrachtungen gehen – aufbauend auf Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten – über den Fokus der „funktionalen Sicherheit“ der ISO 26262 hinaus. Zentrale Herausforderungen liegen in den inhärenten Unsicherheiten des automatisierten Fahrens, die aus der Umfeldwahrnehmung, der Vorhersage des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, unvollständigen Anforderungen sowie einer begrenzten Testtiefe stammen. Einen wesentlichen Beitrag zum geplanten Sicherheitskonzept liefert die Selbstwahrnehmung, in der über eine Aggregation von Qualitätsmaßen der einzelnen Systemkomponenten die aktuellen Fähigkeiten des Fahrzeugs ermittelt werden sollen. Diese gesammelten Daten können anschließend von anderen Systemkomponenten genutzt werden, um das Fahrzeugverhalten an die aktuellen Fähigkeiten des Fahrzeugs anzupassen.
Über das Projekt:
UNICARagil liefert einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Mobilität von morgen. Im Projekt werden vollautomatisierte und fahrerlose Fahrzeuge erforscht. Im Zentrum der Forschungsarbeiten stehen neuartige Hardware- und Software-Architekturen, um vollständig fahrerlose Fahrzeuge zu realisieren und deren Fahrfunktionen stetig aktualisieren zu können.
Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts UNICARagil haben sich die führenden deutschen Hochschulen im Automobilbereich mit ausgewählten Forschern aus der Industrie zusammengeschlossen, um das Fahrzeug und seine Entwicklungsprozesse revolutionär neu zu denken. Das Projektkonsortium unter Leitung von Prof. Lutz Eckstein, Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen, konzipiert im Rahmen des Projektes disruptive, modulare und agile Fahrzeugarchitekturen. Basierend auf der entwickelten Plattform werden vier verschiedene Anwendungsfälle vom automatisierten Familienfahrzeug bis zur mobilen Packstation prototypisch aufgebaut und abgesichert.
Mitglieder des Konsortiums sind die RWTH Aachen, TU Braunschweig, TU Darmstadt, Karlsruher Institut für Technologie, Technischen Universität München, Universität Stuttgart, Universität Ulm und Universität Passau sowie die Industriepartner ATLATEC GmbH, flyXdrive GmbH, iMAR Navigation GmbH, IPG Automotive GmbH, Schaeffler Technologies AG & Co. KG und VIRES Simulationstechnologie GmbH. Weiterhin wird das Projekt durch die assoziierten Partner Maxion Wheels Holding GmbH sowie Valeo Schalter und Sensoren GmbH unterstützt. Das Vorhaben wird vom BMBF mit insgesamt 26 Mio. Euro gefördert und hat eine Laufzeit von 48 Monaten.