Das gesprochene Gendersternchen Experiment der TU Braunschweig: Keine Beeinträchtigung der Verständlichkeit durch Glottisschlag
Doppelnennung, Neutralisierung oder Gendersternchen: In immer mehr Texten wird geschlechtergerechte Sprache verwendet. Auch in der gesprochenen Sprache hört man inzwischen häufiger den so genannten Glottisschlag, eine kurze Pause, die quasi das Gendersternchen repräsentiert. Beeinträchtigt die Verwendung des Glottisschlags die Verständlichkeit eines gesprochenen Texts? Das wollte das Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig wissen und hat es in einem Experiment mit einem Lehrvideo geprüft. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift „Psychology Learning & Teaching“ veröffentlicht.
„Die Diskussion zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache wird oft emotional geführt“, sagt Dr. Marcus C. G. Friedrich vom Institut für Pädagogische Psychologie. „Kritiker*innen wenden ein, dass geschlechtergerechte Sprache Texte weniger verständlich und weniger ansprechend machen würde.“ Gemeinsam mit Jennifer Muselick und Professorin Elke Heise hat der Wissenschaftler die Verständlichkeit und ästhetische Bewertung von gesprochenen Texten mit dem Glottisschlag in einem Experiment untersucht.
Der Glottisschlag ist ein stimmloser Verschlusslaut, der zwischen der maskulinen Form oder dem Wortstamm und der weiblichen Endung von Wörtern eingefügt und in der Regel als kurze Pause wahrgenommen wird, so bei “Leserʔinnen“. Diese „gesprochene Lücke“ kommt zum Beispiel auch im Wort „Spiegelei“ vor.
Experiment mit Lehrvideos
An dem Experiment haben insgesamt 105 Personen teilgenommen, davon überwiegend Psychologie-Studierende. Die Teilnehmenden sahen per Zufall eine von zwei Versionen eines Lehrvideos über die Selbstbestimmungstheorie von Edward L. Deci und Richard M. Ryan. Die Videos waren etwa acht Minuten lang. Die Tonspur bestand aus einem Vortrag mit 1.056 Wörtern. Die eine Version des Videos verwendete nur-maskuline Formen wie zum Beispiel „Lehrer“, „Schulleiter“ oder „Teilnehmer“. In der zweiten Version hatten die Wissenschaftler*innen geschlechtergerechte Formen mit dem Glottisschlag eingesetzt, wie beispielsweise „Lehrerʔinnen“, „Schulleiterʔinnen“ oder „Teilnehmerʔinnen“. Insgesamt wurden 27 Textstellen manipuliert.
Nachdem sich die Versuchspersonen das Lehrvideo angesehen hatten, füllten sie einen Fragebogen zur Verständlichkeit des zuvor gesehenen Clips aus. „Die Ergebnisse zeigen keine statistisch signifikante Beeinträchtigung hinsichtlich der allgemeinen Verständlichkeit der Lehrvideos“, so Dr. Friedrich. Ebenso erschwerte der Glottisschlag es den Teilnehmenden des Experiments nicht, den Wörtern eine Bedeutung zuzuschreiben oder die Syntax der Sätze zu entschlüsseln. Auch das ästhetische Erleben der Lehrvideos wurde nicht beeinträchtigt. „Die häufig wiederholte Kritik, dass geschlechtergerechte Sprache die Verständlichkeit beeinträchtigt, konnte hier also nicht bestätigt werden.“
In der Studie wurden ausschließlich Plural-Formen untersucht. In Folge-Studien sollen auch die komplexeren Singular-Formen wie bspw. „der bzw. die Spielerʔin“ untersucht werden. Die Ergebnisse sollen außerdem mit anderen Personengruppen geprüft werden, beispielsweise mit Schüler*innen oder Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen.