Wie lang ist ein Pikometer? – Der Blick aufs einzelne Atom Höchstauflösende Mikroskopie im LENA
Solange es nur auf den Millimeter genau sein soll, reicht der heimische Zollstock. Komplizierter ist dagegen, einen Millimeter in eine Million Nanometer einzuteilen. Diese Feinheiten unserer Maßeinheiten entscheiden sich an der Grenze des Messbaren. Genau da setzt das Forschungszentrum LENA (Laboratory for Emerging Nanometrology) der Technischen Universität Braunschweig an. Um künftig an dieser Grenze weiter zu forschen, installieren Professor Andreas Hangleiter und sein Team vom Institut für Angewandte Physik zurzeit ein neues Elektronenmikroskop, das auf atomarer Ebene auflöst.
Es ist das größte und teuerste Gerät des LENA: Das hochauflösende Transmissionenelektronenmikroskop (HR-TEM). Noch kümmert sich das Team um Professor Andreas Hangleiter um die letzten Feinheiten beim Aufbau und der Kalibrierung. Bald durchdringen im HR-TEM dann Elektronen mit hoher Energie Messobjekte, die selbst nur ein paar Nanometer dick sind. Das Ziel ist eine Auflösung von 70 Pikometern (0,07 nm). Damit arbeiten die Forschenden nah am aktuellen Limit der Auflösung, dem Kern des Forschungsschwerpunkts Metrologie. „Mit dem HR-TEM ‚sehen‘ wir einzelne Atome in Kristallen. Besonders reizt uns der tomographische Ansatz. Wir wollen zukünftig einzelne Atome in ihrer dreidimensionalen Anordnung verorten“, erklärt Professor Hangleiter.
Umgeben von Wasser, Kupfer und Aluminium
Neben dem Preis von 3,5 Millionen Euro, stellt das HR-TEM hohe Ansprüche an das Labor. Wenn in 500 Metern die Straßenbahn vorbeifährt, bedrohen Vibrationen und Magnetfelder das exakte Messen. Deswegen steht das Mikroskop auf einem fast 50 Tonnen schweren, luftgefederten Fundament und eine nahtlos verschweißte Aluminiumplatte umhüllt den Raum von allen Seiten. Um zusätzlich das Erdmagnetfeld abzuschirmen, umgeben das Labor elektrische Magnetspulen. Sie sind dem Erdmagnetfeld entgegengerichtet, sodass am Ort des Mikroskops nur ein geringstes Magnetfeld übrig bleibt. Die ersten Test zeigen, dass die Maßnahmen notwendig sind und sogar noch erweitert werden mussten: „Als wir die Effektivität der Schutzmaßnahmen prüften, wurde deutlich, dass die Laborstühle nicht ideal sind. Das HR-TEM merkte, sobald sich jemand auf seinem Stuhl drehte. Jetzt haben wir nachgerüstet“, erzählt Professor Hangleiter.
Eine weitere Schutzmaßnahme sorgte für Verwunderung: Zweimal griffen Handwerker bei der Vorbereitung des Raums für das Elektronenmikroskop zur Bohrmaschine. Als dann Wasser aus den Bohrlöchern in der Wand strömte, wurden sie stutzig. „Jedes Material reagiert anders auf Temperaturunterschiede. Wir brauchen also ein konstantes Klima, um genau und reproduzierbar zu messen. Deswegen durchfließt Kühlmittel alle Wände und verhindert Wärmeströmungen und Temperaturunterschiede“, erklärt Professor Hangleiter. Seitdem sind alle Flächen mit einer weiteren Sicherheitsmaßnahme versehen: „Bitte nicht bohren!“
Voraussichtlich wird das HR-TEM in einigen Wochen einsatzbereit sein. Dann kann sich das Team um Professor Hangleiter voll auf die Suche nach Atomen und deren Eigenschaften konzentrieren.