Vibrierende Waagen gegen Mikroplastik Wilson Ombati Nyang’au aus der Graduiertenschule B-IGSM im Porträt
In der „Braunschweig International Graduate School of Metrology“ (B-IGSM) widmen sich circa 50 Promovierende der Wissenschaft des genauen Messens. Wilson Ombati Nyang’au ist einer von 15 internationalen Studierenden im Kolleg. Nachdem er bereits in Kenia für präzise Waagen sorgte, ermittelt er an der Technischen Universität Braunschweig das Gewicht kleinster Partikel in Flüssigkeiten. Die Graduiertenschule ist für ihn ein Ort voll Gastfreundschaft und Unterstützung, erzählt er uns im Interview.
Wer sind Sie und woran forschen Sie?
Ich bin Wilson Ombati Nyang’au, geboren und aufgewachsen in Kenia. Dort trat ich auch nach meinem Master in Physik 2011 dem Kenya Bureau of Standards (KEBS), also dem kenianischen Nationalen Metrologie-Institut bei. Dort wartete und kalibrierte ich in meiner Arbeitsgruppe Normale und Waagen verschiedener Klassen, damit diese auf die SI-Einheit Kilogramm, also auf das internationale Einheitensystem, abgestimmt sind. Meine dortige Abteilung entstand dank der PTB, dem Nationalen Metrologie-Instituts Deutschlands.
Seit dem 6. Oktober 2017 promoviere ich mit einem Stipendium des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Graduiertenkolleg B-IGSM. Für meine Doktorarbeit arbeite ich an einem „Single Particle Mass Detector“-System am Institut für Halbleitertechnologie (IHT) der TU Braunschweig. Neben TU-Professor Erwin Peiner habe noch einen zweiten Betreuer an der PTB, Dr. Harald Bosse. Er leitet dort die Abteilung für Feinwerktechnik und unterstützt mich mit seiner messtechnischen Perspektiven.
Welcher Fragestellung gehen Sie konkret nach?
Von Anfang an galt mein Forschungsinteresse einem kostengünstigen und machbaren Nachweis für die Masse von flüssigkeitsgetragenen Partikel. Deren Resonanzfrequenz ändert sich proportional zum Gewicht, weshalb sich die Masse von anliegenden Partikeln präzise bestimmen lässt. Anders als bei luftgetragene Partikel ist dabei die umgebende Flüssigkeit ein Problem für die Sensoren, da sie die Vibrationen des Sensors dämpft. Die verlorene Energie verschlechtert die Effizienz dieser Methode ungemein.
Ich entwickelte daher einen Ansatz, um die Messeffizienz zu steigern. Dabei platziere ich eine bestimmbare Anzahl von Partikeln in einem kleinen Tropfen direkt auf den Sensor. Dafür entwickelte ich eine neue Generation an Sensoren, die empfindlicher auf Masse reagieren. Denn je kleiner die Probe ist, desto weniger Partikel müssen gezählt werden. Deswegen wurde zudem das Auftragsverfahren verfeinert: Jetzt stempelt eine Nadel gewissermaßen die Partikel auf den Sensor. Zusammen mit dem Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik (EMG) forsche ich momentan daran, mit der neuen Methode Masse und magnetisches Moment der Partikel zeitgleich zu ermitteln.
Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?
Ein Beispiel für flüssigkeitsgetragene Partikel ist Mikroplastik in Wasser. Der neue Massensensor hat großes Potenzial, den steigenden Umwelt- und Gesundheitsrisiken entgegenzuwirken, die durch flüssigkeitsgetragene Partikel wie Mikroplastik entstehen. Bislang ist das Messen solcher Partikel extrem komplex und teuer und wird daher nur unzureichend durchgeführt. Ich entwickle eine kostengünstige, simple Alternative, um Proben zu entnehmen und zu messen. Dieses unkonventionelle Partikelerfassungssystem ist zudem flexibel anpassbar und könnte in Zukunft auch flüssigkeitsgetragene Viren wie das Coronavirus erkennen.
Welche Relevanz hat Ihre Forschung für die Metrologie?
Mikroplastik ist in unserer Umwelt mittlerweile allgegenwärtig und bedroht unsere Gesundheit. Daher braucht es vielseitige Sensoren, die unsere Umwelt überwachen können. Der neue Ansatz zur Partikelerfassung hat das Potenzial, genau das zu leisten. Darüber hinaus sind der Nachweis und die genaue Massenmessung mikroskopisch kleiner Partikel in Flüssigkeit von unschätzbarer Bedeutung in der Metrologie. Besonders die Pharmakologie und Medizin sind darauf angewiesen. Beispielsweise ist das magnetische Moment von Partikeln entscheidend, wenn Krankheiten wie Tumore diagnostiziert und behandelt, oder Medikamente verabreicht werden.
Was ist das Besondere, in der Graduiertenschule mitzuwirken?
Die B-IGSM ist für mich ein Zuhause, weit weg von meiner Heimat. In den wöchentlichen Treffen des Kollegs finde ich ein offenes Forum, um meine wissenschaftlichen Ergebnisse zu diskutieren, mich mit Gleichgesinnten über Metrologie auszutauschen und umfangreich Feedback zu erhalten. Bei den Treffen lerne ich zudem von den Experten, den B-IGSM-Professorinnen und -Professoren.
Darüber hinaus trainiere ich in der Graduiertenschule ein breites Spektrum an Soft Skills, beispielsweise Zeit-,Stressmanagement und wissenschaftliches Präsentieren. Die Angebote des Kollegs, wie die Metrologie-Summerschools und wissenschaftliche Feldexkursionen, bereicherten zudem mein wissenschaftliches Können und prägen meinen metrologischen Werdegang. Die B-IGSM ist damit für mich ein Ort der Gastfreundschaft und Unterstützung. Sie verbindet ihre Studierenden nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Metrologie-Organisationen in einem aktiven Netzwerk.