20. November 2014 | Magazin:

Stellungnahme der TU Braunschweig zur Aufarbeitung ihrer Stasi-Vergangenheit

Im Herbst 2013 hat der Präsident der TU Braunschweig im Rahmen einer journalistischen Recherche erfahren, dass offenbar insgesamt 30 Personen, die an der Carolo-Wilhelmina tätig waren oder sind, in Stasi-Vorgänge (also Vorgänge des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR) verwickelt waren. Dabei ging es mehrheitlich um das Ausspähen von wissenschaftlichen Verfahren und Erkenntnissen für die damalige DDR, aber auch um Stasi-Akten von Bürgerinnen und Bürgern der DDR, die nach 1989 an der TU Braunschweig arbeiteten.

Diese Vorgänge werden inzwischen aufgearbeitet:

Sie wurden zunächst unabhängig von der TU Braunschweig im Rahmen einer noch unveröffentlichten Dissertation an der Viadrina Universität Frankfurt/Oder untersucht. Der Präsident hat Kontakt zum Betreuer der Dissertation aufgenommen und die AG Hochschulgeschichte der TU Braunschweig mit der Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit an der Universität beauftragt. Für diese Aufgabe wurden die Mittel für eine Stelle (E 13) ganztägig für einen Zeitraum von fünf Monaten beim Historischen Seminar, Abteilung Geschichte und Geschichtsdidaktik (Leitung Prof. Dr. Matthias Steinbach) bewilligt. Es wurde ein Antrag auf Akteneinsicht beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gestellt. Die Behörde hat die Recherche eingeleitet, die Antwort liegt der TU Braunschweig noch nicht vor. Die Ergebnisse werden zügig veröffentlicht und – wie im Rahmen der Aufarbeitung der Nationalsozialistischen Vergangenheit der TU Braunschweig – öffentlich diskutiert.

Die journalistische Recherche konzentrierte sich insbesondere auf einen dieser 30 Fälle. Ein DDR-Bürger hatte der Staatssicherheit Informationen über einem damaligen Kollegen gegeben, die für diesen möglicherweise bei Fortbestehen der DDR gravierende Folgen hätte haben können. Dem damaligen Präsidium war dieser Fall 1996 zur Kenntnis gebracht worden, alle Beteiligten wurden bereits damals angehört, die Fakten wurden von beiden Seiten transparent gemacht, und es gab gemeinsame Gespräche mit beiden Seiten. Aus der Sicht des damaligen Präsidenten hatte der Fall keine dienstrechtlichen Folgen.

Nach dem erneuten Bekanntwerden der Fälle war für das aktuelle Präsidium erneut zu entscheiden, inwieweit die damalige Entscheidung richtig war, und ob der Vorgang heute dienst- bzw. beamtenrechtliche Folgen nach sich ziehen würde. Beide Seiten sowie weitere Zeugen wurden im Rahmen von mehreren Gesprächen angehört. Konsequenzen können in diesem Fall nur aufgrund der Beurteilung der dienstrechtlichen Voraussetzungen gezogen werden. Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts in der Rechtsabteilung der TU Braunschweig und im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat der Präsident entschieden, dass dienstrechtliche Maßnahmen zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr verhältnismäßig wären.

„Ich möchte meinen Respekt dem Opfer gegenüber zum Ausdruck bringen, das uns mit großer Offenheit und Sachlichkeit über den Sachverhalt berichtet hat, dessen Opfer er geworden ist“, erläutert Prof. Jürgen Hesselbach. „Die Tätigkeit der Stasi insgesamt und die Aktivitäten von Inoffiziellen Mitarbeitern haben vielen Menschen in der DDR Unrecht getan und ihnen und ihren Familien Leid zugefügt.“ Zur Entscheidung stand hier aber ausdrücklich nicht die ethische, sondern nur die rechtliche Beurteilung der Fakten.

In dem inzwischen am 10.11.2014 auf ZEIT online veröffentlichten Zeitungsbericht wird indirekt suggeriert, dass beide Betroffenen nach 1989 an der TU Braunschweig hauptberuflich tätig gewesen seien und eng zusammengearbeitet hätten. Das ist nicht der Fall. Das Opfer hatte hier einen Lehrauftrag, war aber in einer anderen Forschungseinrichtung in Braunschweig angestellt.