24. Oktober 2014 | Magazin:

»Publish in English or Perish in German?« Forschungsprojekt zum wissenschaftlichen Schreiben und Publizieren in der Fremdsprache Englisch legt Ergebnisse vor

Die englische Sprache ist aus dem Wissenschaftsbetrieb nicht mehr wegzudenken. So müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute in der Lage sein, ihre Ergebnisse auf Englisch zu formulieren, unabhängig davon, welcher Disziplin sie angehören und ob es ihre Muttersprache ist. Welche Herausforderungen damit verbunden sein können und welche Auswirkungen die zunehmende Dominanz des Englischen als Publikationssprache für die Kommunikation der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat, wurde in den vergangenen vier Jahren im Forschungsprojekt „Publish in English or Perish in German? Wissenschaftliches Schreiben und Publizieren in der Fremdsprache Englisch“ untersucht.

 

Im Rahmen des zunächst vom Zukunftsfonds der Technischen Universität Braunschweig und in der Hauptphase von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes führten Prof. Dr. Claus Gnutzmann, Jenny Jakisch und Frank Rabe von der Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik am Englischen Seminar der TU Braunschweig Interviews mit über 50 Wissenschaftlern sowie Herausgebern internationaler Fachzeitschriften und Verlagsmitarbeitern durch. Im Fokus standen dabei die Probleme, mit denen sich Nichtmuttersprachler, sogenannte non-natives, beim Schreiben auf Englisch konfrontiert sehen, sowie die eingesetzten Strategien und Ressourcen, um diese zu überwinden. Ein weiterer Schwerpunkt der Studie lag zudem auf den von den Befragten vertretenen Einstellungen gegenüber den Wissenschaftssprachen Englisch und Deutsch.

„Wir haben uns das Ziel gesetzt, dem unterschiedlichen Grad der Anglisierung gerecht zu werden, der in den verschiedenen Disziplinen vorherrscht, statt pauschale Urteile zu fällen, wie etwa, dass Wissenschaft heutzutage ausschließlich auf Englisch ‚gemacht‘ werden würde“, erläutert Prof. Claus Gnutzmann. Deshalb habe man sich für einen disziplinspezifischen Ansatz entschieden, erklärt der Projektleiter. Die Wahl fiel dabei auf Interviewpartner aus der Biologie (stellvertretend für die Naturwissenschaften), dem Maschinenbau (als Repräsentant der Ingenieurwissenschaften) sowie der Germanistischen Linguistik und Geschichte (als Vertreter der Geisteswissenschaften).

 

Schreiben auf Englisch ist nicht gleich Schreiben auf Englisch
Im Rahmen des Forschungsprojektes kamen Prof. Gnutzmann und sein Team zu dem Ergebnis, dass „Schreiben in der Fremdsprache Englisch“ in jedem Fach etwas anderes bedeute: Während Forschungsaufsätze in den Natur- und Ingenieurwissenschaften in der Regel einem strengen Schema folgten (introduction – methods – results – discussion), was die Wiederverwertung typischer „Textbausteine“ erlaube, ließen Publikationen im geisteswissenschaftlichen Bereich den Autoren mehr individuelle Gestaltungspielräume. „Sie werden dadurch aber sprachlich anspruchsvoller und können so auch zu einer Hürde für die Autoren werden“, verdeutlicht Gnutzmann.

Hinzu käme, so die Ergebnisse der Studie, dass beispielsweise Biologen meist im Team arbeiteten und Forschungsergebnisse als Gruppe veröffentlichten, während in einem Fach wie der Geschichte nach wie vor der Einzelne, der „lone writer“, dominiere. Von den Wissenschaftlern beschriebene Schreibprobleme, wie z.B. fehlendes Sprachgefühl oder geringere sprachliche Exaktheit in der Fremdsprache Englisch, seien dabei weniger gravierend, wenn sie gemeinsam mit Kollegen gelöst werden können, stellte die Arbeitsgruppe um Gnutzmann fest.

„Die Sprachkompetenz des Einzelnen ist somit nicht immer der einzig entscheidende Faktor auf dem Weg zu einer erfolgreichen Veröffentlichung, solange es Personen im Team gibt, die ‚fit‘ genug im Englischen sind“, erklärt Projektmitarbeiter Frank Rabe. „Da die jeweiligen Fachsprachen aus der Gemeinsprache hervorgangen sind und sich sprachliche Intuition darüber hinaus vor allem während des Erstspracherwerbs entwickelt“, so seine Kollegin Jenny Jakisch, „dürften jedoch Wissenschaftler mit Englisch als Muttersprache sprachlich im Vorteil sein.“

 

Englisch ungebremst auf dem Vormarsch?
Insgesamt unterstrichen alle Befragten die Bedeutung des Englischen als zentrale Wissenschaftssprache. Die Antwort auf die Frage „Publish in English or Perish in German?“ fiele aber je nach Disziplin unterschiedlich aus: Im Maschinenbau und insbesondere in der Biologie sei es tatsächlich kaum noch möglich, Forschungsergebnisse in einer anderen Sprache als dem Englischen zu publizieren, wenn man international konkurrenzfähig bleiben wolle. Auch in der Germanistischen Linguistik und der Geschichte gebe es einen verstärkten Trend zu englischsprachigen Publikationen, dies nicht zuletzt aus Karrieregründen, so das Ergebnis der Studie.

Das Deutsche als Wissenschaftssprache habe hier aber weiterhin einen gesicherten Status. Ohnehin müsse das Deutsche bei einer Untersuchung des Schreibens und Veröffentlichens auf Englisch immer mitgedacht werden, ergänzt Prof. Gnutzmann. Wissenschaft sei nämlich nicht per se einsprachig, und eine Anglisierung der Publikationskultur bedeute nicht automatisch, dass weitere Sprachen im erweiterten Kontext der Universität keine Rolle spielten. Im Gegenteil: Die Verwendung des Deutschen dominiere nach wie vor in der Lehre, in der internen Kommunikation und im hochschulöffentlichen Leben – und das ist auch gut so, wie Gnutzmann und Kollegen meinen.

Das Forscherteam möchte mit den Ergebnissen der Studie dazu anregen, die Vorteile akademischer Zwei- und Mehrsprachigkeit stärker in den Blick zu nehmen und sie nicht als Einschränkung, sondern als Chance internationaler Wissenschaft zu sehen. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt können hier auf den Seiten des Englischen Seminars abgerufen werden.

 

Kontakt
Prof. Dr. Claus Gnutzmann
Abteilung Englische Sprache und ihre Didaktik
Englisches Seminar
Technische Universität Braunschweig
Bienroder Weg 80
38106 Braunschweig
Email: c.gnutzmann@tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/anglistik