16. Mai 2018 | Magazin:

Mit Brausetabletten Potenziale entdecken Individuelle Förderung in der Schule: Forschungsverbund "Leistung macht Schule" (LemaS) – Teilprojekt Chemie

„Individuelle Förderung“ ist das neue Zauberwort in der Lehrerausbildung: Lehrkräfte sollen im Schulalltag die unterschiedlichen Schwächen, aber auch Potenziale ihrer Schülerinnen und Schüler frühzeitig erkennen und fördern. Genau hier setzt das Projekt „LemaS-Chemie: Chemiepotenzial entdecken und fördern“ an: Ziel des Projektes ist es, Diagnoseverfahren und Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, mit denen die unterschiedlichen Potenziale von Schülerinnen und Schülern erkannt und angemessen gefördert werden können.

Zu sehen sind Prof. Kerstin Höner und Kristiena Matis zu sehen, die einen Versuch im Chemielabor demonstrieren.

Professorin Kerstin Höner und Kristiena Matis demonstrieren einen Brausetabletten-Versuch im Labor. Bildnachweis: Anna Krings/TU Braunschweig.

Unter der Projektleitung von Professorin Kerstin Höner, Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften, Abteilung Chemie und Chemiedidaktik, entwickelt, erprobt und evaluiert Kristiena Matis Unterrichtsmaterialen. Diese sind auf die Besonderheiten des Faches Chemie bzw. der MINT-Fächer abgestimmt und sollen die Lehrkräfte bei der Diagnose und Förderung von leistungsstarken und potenziell leistungsfähigen Schülerinnen und Schülern unterstützen. Im Fokus steht dabei die individuelle Diagnose der Potenziale der jungen Menschen. Professorin Kerstin Höner merkt an: „Fördern ist in jeder Altersklasse sinnvoll. Je früher man damit beginnt, desto besser und fruchtbarer ist es.“ Kristiena Matis ergänzt, die im Projekt entstehenden Unterrichtsmaterialien sollen Lehrkräften helfen zu erkennen, dass bereits junge Schülerinnen und Schüler wissenschaftlich arbeiten können, wenn sie altersgerecht herangeführt werden. „Gerade in jungen Jahren besitzen Lernende ein sehr hohes Potenzial an Kreativität zur Problemlösung.“

Leistungspotenzial erkennen und fördern

Die Unterscheidung zwischen leistungsstarken und potenziell leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler sei wichtig im Unterrichtsalltag: Leistungsstarke Lerner zeigen ihr Wissen oder Können deutlich im Unterricht, während leistungsfähige Lerner zwar leistungsstark sein können, dies aber nicht immer zeigen. Gerade das Potenzial von letzteren sei deshalb häufig schwierig für Lehrkräfte zu identifizieren. Aber woran kann man leistungsstarke und potenziell leistungsfähige Schülerinnen und Schüler erkennen? „Neben kognitiven Fähigkeiten, zählen auch die Motivation und Persönlichkeitsmerkmale wie Kreativität, Ausdauer und Eigenständigkeit zu ihren Merkmalen“, so Höner.

Mit Brausetabletten Potenziale entdecken

Im Unterricht lassen sich diese Fähigkeiten beispielsweise beim experimentellen Problemlösen erkennen. Matis nennt hier als Beispiel einen Versuch mit Brausetabletten aus dem Chemieunterricht: Die Schülerinnen und Schüler erhalten zwei Behälter mit Wasser, einer mit heißem, der andere mit kaltem Wasser. In der Aufgabenstellung wird von ihnen nun verlangt, dass sie die Auswirkung von vier unterschiedlichen Wassertemperaturen auf die Auflösezeit der Brausetablette untersuchen sollen. Hierfür müssen sie erkennen, dass sie unterschiedliche Mengen von Wasser mischen müssen, um vier verschiedene Temperaturen zu erhalten. Darüber hinaus müssen die Kinder ihre Vorgehensweise dokumentieren, die erhaltenen Daten grafisch darstellen und auswerten. Ein erfolgreiches Meistern dieser Aufgabe in den unteren Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I lasse auf ein hohes Leistungspotenzial schließen. Auch das begründete Aufstellen von Hypothesen wie „Ich vermute, dass xy passiert, weil z da ist“ gäbe einen Hinweis darauf, dass Schülerinnen und Schüler leistungsstark bzw. potenziell leistungsfähig sind. Matis sieht die Herausforderung, leistungsstarke und weniger leistungsstarke Lerner in einer gemeinsamen Klasse im Regelunterricht zu fördern, als möglich an: „Die Schülerinnen und Schüler müssen sich im Unterricht nicht immer auf die gleiche Weise mit dem Fachinhalt beschäftigen. Ein individualisierter(er) Zugang zum selben Lerninhalt kann durch unterschiedliche Grade der geforderten Selbstständigkeit in den (Teil-)Aufgaben erfolgen. Die Schülerinnen und Schüler können so den gleichen Inhalt erlernen, dabei aber angepasst ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten schulen. So können die Lehrkräfte individuelle Stärken fördern und Schwächen angehen.“

Die nächsten Schritte

Nach dem offiziellen Start des Projektes Anfang des Jahres, sind jetzt die so genannten „Matching-Prozesse“ in vollem Gang: Die 300 Schulen, die sich bundesweit beworben haben, werden den unterschiedlichen Teilprojekten zugeordnet. Nach den Sommerferien beginnt dann die praktische Arbeit mit den Schulen. Kristiena Matis plant, direkt an die Schulen zu gehen und sich ein Bild davon zu machen, wie die Situation vor Ort ist: Was brauchen die Lehrerinnen und Lehrer? Was klappt gut, wo gibt es Nachholbedarf? Dabei sollen auch Interviews mit den Lehrkräften geführt werden. Geplant sind außerdem verschiedene Workshops für die Lehrkräfte, die theoretisches Wissen und Diagnosekompetenzen vermitteln. Ein Hilfsmittel für die Erstellung und Evaluierung von geeignetem Unterrichtsmaterial hat Matis bereits in einer App weiterentwickelt: Die Kompetenzspinne gibt einen Überblick über relevante Unterrichtsaspekte. Die Lehrkräfte können sie vor und nach dem Unterricht ausfüllen und später vergleichen, worauf sie bei der nächsten Fragestellung achten müssen.