23. November 2018 | Magazin:

Ein Ort für Ideen Zu Besuch in der High-Tech Werkstatt Protohaus in Braunschweig

Hinter den Mauern eines auf den ersten Blick unscheinbaren Gebäudes im Braunschweiger Rebenpark, versteckt sich seit zweineinhalb Jahren ein Paradies für Tüftler und Bastler: das Protohaus. Von Holz- und Metallwerkstatt, über Textilwerkstatt bis hin zu einem Makerspace mit 3D-Druck, Lasercutter und Virtual Reality. Geräte und Werkzeuge, die wohl die wenigsten zu Hause stehen haben, können im Protohaus an fünf Tagen in der Woche genutzt werden. Von TU-Studierenden seit diesem Semester sogar kostenlos.

Frithjof Hansing und Chris Töppe haben das Protohaus im Jahr 2016 eröffnet. Die beiden ehemaligen TU-Studierenden hatten den Plan, ein FabLab zu etablieren – eine Idee, die auf das Massachusetts Institute of Technology (MIT) zurückgeht. Schließlich ist aber deutlich mehr daraus geworden. „Bei uns dreht sich alles um die Themen Nachhaltigkeit, Digitales und Entrepreneurship“, sagt Inga Stang. Sie ist beim Protohaus für die Bereiche Event und Kommunikation zuständig. „Wir sind ein Ort, wo man seine eigene Ideen umsetzen, aber auch Mitstreiter für gemeinsame Projekte finden kann.“

Ein schlauer Garten ohne Erde

Ein Projekt, das das Protohaus selbst initiiert hat, ist der „Smart Digital Garden“. Einer Studie der Vereinten Nationen zufolge, werden im Jahr 2050 zwei Drittel der Menschen in Städten leben. Vor dem Hintergrund, mögliche Antworten auf die Frage zu finden, wie die grüne Stadt der Zukunft aussehen könnte, wurde ein Gewächshaus konstruiert, das weitgehend selbstständig Nutzpflanzen aufzieht. Dabei arbeitet das Protohaus mit dem Projekt „Open Bio Print“ des Instituts für Konstruktionstechnik der TU Braunschweig zusammen.

Ein Blick in den "Smart Digital Garden". Bildnachweis: Protohaus

Reiche Ernte aus dem "Smart Digital Garden". Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Mit finanzieller Unterstützung der Stadt Braunschweig und der Braunschweigischen Stiftung wurden 2017 schließlich zwei Gewächshäuser gebaut. Eines, das mit Hilfes eines Hydroponik-Systems Pflanzen ganz ohne Erde aufzieht. Sensoren sorgen für die richtige Wasserzufuhr. Langfristig sei geplant, das Konzept auf Dächern zu erproben. Das andere Gewächshaus soll mit einem Farm-Roboter ausgestattet werden. „Dieser ist derzeit noch in Planung und wird hoffentlich im  nächsten Jahr die ersten Ernten einbringen“, so Inga Stang.

Langfristig sei geplant, den „Smart Digital Garden“ stärker in die Lehre an der TU Braunschweig einzubinden. Aber schon jetzt finden regelmäßig Design Thinking Seminare der TU Braunschweig aus dem Bereich handlungsbezogene Kompetenzen im Protohaus statt.

Für TU-Studierende kostenlos

Seit diesem Wintersemester können Studierende der TU Braunschweig das Protohaus für die gesamte Zeit ihres Studiums kostenlos nutzen. „Das wurde in der Kooperationsvereinbarung mit der Universität festgelegt“, sagt Inga Stang. Die Einführungskurse bekommen Studierende zum halben Preis. Studierende anderer Hochschulen, Schüler, Arbeitssuchende, Rentner, Auszubildende und Freiwilligendienstleistende zahlen den ermäßigten Mitgliedsbeitrag von 20 Euro im Monat – für alle anderen kostet die Mitgliedschaft 35 Euro. Darüber hinaus gibt es einen Familientarif für zwei Erwachsene und zwei Kinder bis 18 Jahre für 70 Euro im Monat. Außerdem gibt es Tagespässe und auch eine gewerbliche Nutzung der Werkstätten ist möglich. Diese muss jedoch angemeldet werden und es gelten dabei andere Preise.

Maschinenbau-Student Vincent Friesen misst eines seiner drei Holzstücke für die weitere Verarbeitung aus. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Maschinenbau-Student Vincent Friesen misst eines seiner drei Holzstücke für die weitere Verarbeitung aus. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Vincent Friesen misst auf der Werkbank der Holzwerkstatt drei runde Stücke eines Baumstammes aus. „Drei Euro habe ich pro Stück auf eBay“ bezahlt, freut sich der Maschinenbau-Student, der schon voll im Weihnachtsfieber zu sein scheint. Neben einem Stifthalter baut er einen Adventskranz und Weihnachtsdekoration für seine Freundin. Nebenan ist Jessica Bones mit schwerem Gerät zu Gange. An der Kreissäge schneidet sie Holz für eine neue Konsole zurecht. „Für den Bereich hinter meinem Sofa, damit meine Katze dort besser entlanglaufen kann“, erzählt die Studentin, die an der Hochschule Harz Medieninformatik studiert. „Es kommt nicht selten vor, dass Studierende hier etwas für Ihre WG bauen“, weiß Inga Stang.

Studentin Jessica Bones an der Kreissäge im Protohaus. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Studentin Jessica Bones an der Kreissäge im Protohaus. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Annette Mohr steht an der Siebdruckpresse. „Das ist ganz schön anstrengend“, sagt sie und legt die nächste rote Kochschürze bereit. Heute ist das Weihnachtsmotiv an der Reihe. An diesem Nachmittag hat sie bereits jede freie Möglichkeit im Makerspace genutzt, um ihre Werke trocknen zu lassen. Die Kochschürzen wird sie bald auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt anbieten. „Siebdruck ist einer unserer beliebtesten Kurse“, sagt Inga Stang vom Protohaus. „Unsere Einführungskurse finden Zwei-Wochen-Rhythmus statt“.

Annette Mohr bedruckt mit dem Siebdruckverfahren Kochschürzen, die sie auf dem Weihnachtsmarkt verkauft. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Mit einem Rakel fährt sie über das Sieb und überträgt so die Farbe auf die roten Geschirrtücher. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

...und fertig ist das Geschirrtuch mit Weihnachtsmotiv. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Ehrenamtliche Helfer sind immer willkommen

Neben den Mitgliedsbeiträgen wird die High-Tech-Werkstatt durch Sponsoren und die TU Braunschweig finanziert. Auch auf Ehrenamtliche, die die Protohaus-Mitglieder anleiten und Hilfestellungen geben, ist das Protohaus angewiesen. „Wir freuen uns besonders über Studierende, die sich bei uns engagieren.“

Zusammen mit Frithjof Hansing hat Chris Töppe das Protohaus im Jahr 2016 eröffnet. Er führt seit diesem Jahr die Geschäfte der High-Tech-Werkstatt alleine, nachdem sich Frithjof Hansing im Frühjahr dafür entschied, sich anderen beruflichen Herausforderungen zu widmen. Bildnachweis: Markus Hörster/Braunschweig

Ein Blick in die Holzwerkstatt des Protohauses. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Die Holzwerkstatt ist mit vielen Werkzeugen ausgestattet. Jedes Teil hat seinen festen Platz an der Wand. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Der Stiftehalter mit Protohaus-Logo ist mit dem Lasercutter gefertig worden. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Ein 3D-Drucker in Aktion. Bildnachweis: Markus Hörster/TU Braunschweig

Veranstaltungstipp: Am 1. und 2. Dezember findet im Protohaus das zweite „Upcycling Weekend“ statt, bei dem es darum geht, aus Abfallprodukten Neues zu erschaffen. Der Eintritt ist frei.