24. Januar 2023 | Magazin:

Künstliche Intelligenz aus Licht Professor Christian Werner von der OST Ostschweizer Fachhochschule über seine Kooperation mit dem LENA

Für uns Menschen ist es eine vergleichsweise einfache Übung, mit dem Auto in einer noch unbekannten Umgebung zu fahren. Für einen Computer ist diese Aufgabe hingegen äußerst anspruchsvoll und erfordert sehr viel Energie. Gemeinsam wollen Professor Christian Werner von der OST – Ostschweizer Fachhochschule und Professor Andreas Waag von der Technischen Universität Braunschweig einen völlig neuen Weg gehen, um Computer intelligenter und weniger energiehungrig zu machen: Mit einem Neuronen-Netzwerk aus mikroskopischen LEDs. Dafür wurde Werner nun als assoziiertes Mitglied im Forschungszentrum LENA aufgenommen.

Professor Christian Werner am Forschungszentrum LENA. Bildnachweis: Laurenz Kötter/TU Braunschweig

Herr Werner, Sie sind an der OST Professor für Embedded Software Engineering am Standort Rapperswil. Was genau ist da Ihr Schwerpunkt?

Ich lehre und forsche am ICOM Institute for Communication Systems und kümmere ich mich darum, dass unsere Studierenden mit den aktuellen Entwurfs- und Programmiertechniken für eingebettete Software verantwortungsbewusst und kompetent umgehen. Eingebettete Software umfasst Computerprogramme, die nicht auf Smartphones, PCs oder Servern laufen, sondern auf mitunter winzigen Prozessoren, die in Alltagsgegenständen oder Maschinen integriert sind, wie einem Navigationssystem im Auto, einer Überwachungskamera, einer Smartwatch oder einem Fahrradcomputer. Eingebettete Software sorgt dafür, dass sich diese Systeme sinnvoll und im besten Fall „intelligent“ verhalten. Methoden aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit hat zum Ziel, den Energiehunger moderner KI-Systeme zu zügeln, so dass diese künftig auch in mit einem knappen Energievorrat auskommen – beispielsweise in kleineren akkubetriebenen Geräten. Mein Forschungsschwerpunkt liegt entsprechend darin, die Welt im Kleinen sicherer, energiesparender und intelligenter zu machen.

Sie wurden offiziell als assoziiertes Mitglied im Laboratory for Emerging Nanometrology, dem LENA an der TU Braunschweig, aufgenommen. Was führt Sie dorthin?

Mit meinen Themen habe ich tatsächlich schon länger eine Verbindung zur TU Braunschweig. Seit 2018 lehre ich als Privatdozent am Institut für Betriebssysteme und Rechnerverbund in der Informatik. Was mich nun ins LENA führt, ist kurzgesagt mein Interesse an völlig neuartigen Rechnern. Momentan setzen fast alle Computer auf denselben Grundriss, die sogenannte Von-Neumann-Architektur. Das ist auch kein Zufall, schließlich ist diese Systemarchitektur universell programmier- und damit einsetzbar. Diese Architektur stößt aber vor allem unter dem Aspekt der Energieeffizienz zunehmend an Grenzen. Gerade im Bereich der Künstlichen Intelligenz benötigen wir hiermit für das „Anlernen“ noch leistungsfähigerer KI-Systeme unverhältnismäßig viel Energie.

Im LENA arbeite ich jetzt zusammen mit der Arbeitsgruppe von Professor Andreas Waag an einer neuartigen Systemarchitektur, die sich an biologischen Systemen orientiert. Das Schlagwort ist hier „Neuromorphic Computing“. Wer versucht, ein Modell des Gehirns auf klassischen Digitalrechnern zu emulieren, stößt schnell an Grenzen. Stattdessen versuchen wir, anstelle herkömmlicher Digitalrechner die in Braunschweig starke LED-Technologie für eine Informationsverarbeitung nach biologischem Vorbild einzusetzen.

Also ein Rechner aus mikroskopischen Lämpchen? Wie kann man sich das vorstellen?

Im Grunde als ein Abbild der neuronalen Struktur biologischer Gehirne: So wie in unseren Köpfen unzählige Neuronen parallel ihre Signale aussenden, versenden bei uns Mikro-LEDs ihre Lichtsignale kreuz und quer. Ähnlich wie im Gehirn verlassen wir dabei auch den Bereich, wo wir zwischen Hard- und Software unterscheiden können. Die neue Rechnerarchitektur wird daher nicht im traditionellen Sinne programmiert, sondern muss einen Lernprozess durchlaufen, um bestimmte Probleme zu lösen.

Bis zu einem für konkrete Anwendungen nutzbaren „künstlichen Gehirn“ auf dieser technologischen Grundlage ist es aber noch ein sehr langer Weg. Zwar haben wir die grundlegende Funktionsfähigkeit unserer Technologie schon im Laborversuch demonstriert, jedoch betrifft dies nur die grundlegende Funktionsfähigkeit einzelner Neuronen. Weitere Forschungsarbeiten müssen zeigen, wie sich Verbünde aus solchen Neuronen verhalten und welche Lernverfahren sich einsetzen lassen, um hiermit konkrete Aufgaben zu lösen.

Als Fachhochschulprofessor bringe hier den Blick für die Anwendungen mit ins Projekt. Am Ende soll unsere neue Systemarchitektur schließlich einen Mehrwert bieten. Dabei bin ich der OST sehr dankbar, dass sie mir für dieses Projekt Zeit zum Forschen gibt.

Wie könnte denn die Zukunft dieses Verbunds aussehen?

Mit dem LENA haben wir hierfür auf jeden Fall einen großartigen Ausgangspunkt, der offen und disziplinübergreifend ausgelegt ist. Es ist einfach die Bereitschaft da, völlig neue Pfade zu betreten und nicht nur das heute technologisch Mögliche in Details auszuarbeiten. Das gilt zudem auch für die Lehre, wo wir gemeinsam Praktika und Abschlussarbeiten im LENA anbieten können. Darüber hinaus freue ich mich darauf, im LENA neue Kontakte zu knüpfen. Als Forschungszentrum steht es aktuell inmitten zahlreicher spannender großer Verbünde wie dem Quantum Valley Lower Saxony, wo Neuromorphic Computing ebenfalls ein Thema ist.

Wenn ich noch weiter in die Zukunft denke, könnte unsere Forschung einen wichtigen Baustein dafür liefern, den Übergang von den heute gebräuchlichen Digitalrechnern zu assoziierenden und schließlich denkenden Maschinen zu schaffen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Vielen Dank für das Interview.