Carl-Wilhelms-Bräu: Nicht zu bitter, nicht zu süß Vor 175 Jahren wurde das erste Pils gebraut
Man kann es als eine Sternstunde der Braukunst bezeichnen: Vor 175 Jahren, am 5. Oktober 1842, erfand der niederbayrische Braumeister Josef Groll in Böhmen das erste Bier Pilsener Brauart. Ein untergäriges, hopfenbetontes, helles Bier, das bald auch außerhalb Böhmens beliebt war und zum Exportschlager wurde. Heute ist der Großteil der deutschen Biere Pilsener Brauart, doch nicht das bevorzugte Getränk der Bierbrauer an der Technischen Universität Braunschweig.
Auch die Brau-AG „Carl-Wilhelms-Bräu“ hat sich bereits am Pils versucht. Diese Brauart benötigt viel Erfahrung, erklärt Friederike Stehmann vom Institut für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik, die sich seit einigen Jahren in der AG engagiert. „Das Pils verzeiht keine Fehler, da schmeckt man alles“, fügt Christian Oettel – auch ein Bierbrau-Experte und Student der Biotechnologie – hinzu. Deshalb sind die Braunschweiger Brauerinnen und Brauer eher an anderen, ungewöhnlichen Rezepturen interessiert, die man nicht im Laden kaufen kann.
Mehr putzen als trinken
Ungefähr alle zwei Monate treffen sich die Bierbrauerinnen und Bierbrauer der Studierendeninitiative, die vor acht Jahren aus einer Wein-AG hervorgegangen ist. Doch wer vermutet, dass es dort vor allem ums Trinken frisch gezapften Gerstensafts geht, liegt falsch. Neben dem Entwickeln neuer Rezepte steht der Bauprozess im Vordergrund. Und dabei ist Sauberkeit oberste Maxime. Schließlich stellen die Studierenden ein Lebensmittel her, das sie guten Gewissens trinken wollen. „Die Arbeit des Brauens besteht zu 90 Prozent aus Putzen“, so Bauingenieur-Student Maximilian Koziel. Maischebehälter, Fässer, Eimer, Schläuche, Flaschen müssen gründlich gereinigt werden.
Aber auch nach acht Stunden Brauen kann das Getränk noch nicht eingeschenkt werden. „Ein gutes Bier braucht sieben Wochen – mit Gärung und Lagerung“, sagt Friederike Stehmann. Sieben bis acht Mitglieder der insgesamt rund 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Brau-AG brauen auch in ihrer Freizeit. Durch die Craft-Beer-Bewegung, die aus den USA in den vergangenen Jahren nach Deutschland schwappte, hat auch das Hobbybrauen Zuwachs bekommen. Zahlreiche Online-Händler bieten die entsprechenden Zutaten und Geräte zum Verkauf. Auch Maximilian Koziel hat einen selbst gebauten Apparat zu Hause stehen. Und Friederike Stehmann zelebriert das Brauen zweimal im Jahr mit der gesamten Familie – zu Weihnachten und Ostern.
Das Gegenteil von Kölsch
Den Braukeller am Institut für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik müssen die Studierenden demnächst wieder füllen. Beim 8. Internationalen Brauwettbewerb in Hamburg, bei der die Studierenden auf den zweiten Platz kamen, wurden alle 100 Liter ausgetrunken. „Braunsch“ heißt die Kreation, mit der die Braunschweiger antraten. Ein untergäriges Dunkelbier mit dezenter Hopfung, Toffee- und Vanillenoten sowie leichter Röstnote, ein ursprüngliches Rezept des fränkischen Landbieres. „Wir wollten etwas brauen, das das Gegenteil von Kölsch ist“, erläutert Friederike Stehmann. „Nicht zu bitter, nicht zu süß“, beschreibt Maximilian Koziel. „Ein gut trinkbares Bier.“ Der Geschmack des Getränkes hängt unter anderem vom Hopfengehalt ab. Da schmeckt manches Bier nach Eisbonbons oder auch nach Mango.
Karamell-Steine im Bier
In den vergangenen Jahren hat die Studierendeninitiative einige kreative Bierstile getestet, so zum Beispiel das „Eisbock“, bei dem mit flüssigem Stickstoff Wasser ausgefroren wird, sodass der Alkoholgehalt des Bieres höher ist. Beim „Steinbock“ wurde die Würze – wie im Mittelalter – mit heißen Steinen gekocht, an denen der Zucker karamellisiert. Die „Karamell“-Steine kommen zur Nachgärung wieder in das Bier und geben dem Bier dadurch einen volleren Geschmack.
Egal, welche Biersorte bevorzugt wird, einig sind sich die Brauerinnen und Brauer, dass der Gerstensaft möglichst nicht aus der Flasche getrunken werden sollte. „Wenn man das Bier in all seinen Facetten kennenlernen will, sollte man es immer in ein Glas gießen“, ist sich Maximilian Koziel sicher. „Man kann die Farbe sehen und auch, wie sich der Schaum verhält.“