23. März 2021 | Magazin:

Bioinformatik: Tausende Moleküle im Blick Ruibing Shi aus dem PhD-Programm "Drug Discovery and Chemieinformatik für neue Antiinfektiva"

Bei Krankheiten ist eine frühe Diagnose häufig entscheidend. Noch besser ist es, wenn dann ein Medikament sogar präzise im biologischen Prozess der Krankheit wie dem Stoffwechsel ansetzen kann. Doch die relevanten Zwischenprodukte des Stoffwechsels, sogenannte Metaboliten, sind wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Ruibing Shi forscht im Promotionsprogramm „Drug Discovery und Chemieinformatik für neue Antiinfeiktiva“. Als Bioinformatikerin arbeitet sie im TU-Forschungsschwerpunkt „Infektionen und Wirkstoffe“ an einer Methode, um die Nadel vom Heu zu unterscheiden.

Ruibing Shi ist Bioinformatikerin im Promotionsprogramm iCA. Bildnachweis: Ruibing Shi/HZI

Wer sind Sie und woran forschen Sie?

Mein Name ist Ruibing Shi und ich komme aus China. Meinen Master in Bioinformatik habe ich an der Freien Universität Berlin gemacht. Danach begann ich im Oktober 2020 meine Promotion bei Professor Frank Klawonn in der Arbeitsgruppe Biostatistik am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) hier in Braunschweig. Als Bioinformatikerin entwickle ich Software-Tools zur Analyse biochemischer Daten.

Mein Schwerpunkt liegt im Gebiet der Metabolomik. Dieses junge Forschungsfeld untersucht die chemischen Prozesse, an denen Metabolite beteiligt sind. Metabolite sind die niedermolekularen Zwischenprodukte des Zellstoffwechsels. „Niedermolekular“ bezieht sich auf organische Verbindungen mit geringem Molekulargewicht. In der Regel haben diese eine Größe von etwa einem Nanometer.

Welcher Forschungsfrage gehen Sie derzeit konkret nach?

Die Massenspektrometrie (MS) ist das am weitesten verbreitete analytische Verfahren in der Metabolomik. Die MS-Daten sind allerdings komplex und sehr umfangreich. Einer der größten Engpässe in der metabolomischen Forschung ist es, die große Anzahl unbekannter und strukturell unterschiedlicher Moleküle in biologischen Proben zu identifizieren und zu quantifizieren.

Deswegen werden aktuell die Methoden des maschinellen Lernens für die statistische Analyse immer beliebter. Sie verarbeiten sogar nichtlineare Daten und können große und heterogene Datenmengen schnell aufbereiten. Insbesondere die Metabolomik nutzt daher maschinelles Lernen, um Mediziner*innen und Forscher*innen bei der Verbesserung der klinischen Diagnose, der Krankheitsvorhersage und der Medikamentenentwicklung zu unterstützen.

Mein Ziel ist es, ein Software-Tool zu implementieren, das maschinelles Lernen zur Analyse von Stoffwechseldaten nutzt. Es orientiert sich am Stoffwechselweg, um Metaboliten mit mehr Sicherheit zu identifizieren und zu quantifizieren. Anschließend soll die Software die aussagekräftigsten Bestandteile ausmachen und damit allgemein bei der Suche nach Biomarkern unterstützen.

Als Teil er Projektgruppe „Biostatistik“ arbeitet Ruibing Shi an Software, die Metaboliten analysieren soll. Bildnachweis: Ruibing Shi/HZI

Was motiviert Sie an Ihrer Forschung?

In meinem Masterstudium gab es interdisziplinäre Kurse, die die Studierenden ermutigten, ihre eigenen Ideen zu entwickeln. Meine Tür zur Forschung fand ich während meines Praktikums und meiner Masterarbeit bei Professor Frank Klawonn. Dort habe ich gelernt, was Wissenschaft ausmacht und wie man selbstständig ein Forschungsprojekt durchführt. Das hat mich in die Forschung gebracht. Besonders freue ich mich, wenn meine Modelle anderen Forschenden dabei helfen, ihre Daten zu interpretieren und ihre experimentellen Hypothesen zu überprüfen.

Warum ist Ihr Thema für die Arzneimittelforschung relevant?

Als niedermolekulare Verbindungen gehören sowohl natürliche Produkte als auch Medikamente im biologischen System zu den Metaboliten. Die Metabolomik wiederum untersucht diese innerhalb und außerhalb des Körpers entstandenen Metaboliten mit Hochdurchsatz-Screening. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Zusammensetzung dieser Verbindungen. Wenn Wissenschaftler*innen also Metaboliten und Stoffwechsel erforschen, forschen sie im Zentrum der Gen-Umwelt-Interaktionen. Die Metabolomik kann Informationen über neue Medikamente liefern, Ziele für die Medikamentenentwicklung aufzeigen und Ansatzpunkte in Verbindungen aufzeigen.

Entsprechend groß ist das Potenzial für die pharmazeutische und klinische Forschung. Dabei identifiziert die Metabolomik nicht nur die neue Wirkstoffziele und zeigt den Wirkmechanismus neuer Medikamente. Vielmehr erstellt sie auch Sicherheits- und Wirksamkeitsprofile, entdeckt Biomarker für die frühe Krankheitsdiagnose und -prognose und überwacht Reaktionen auf Therapien.

Was ist das Besondere im Promotionsprogramm „Drug Discovery and Cheminformatics for New Anti-Infectives (iCA)“?

Das Programm bringt Promovierende verschiedener Disziplinen zusammen. Wir arbeiten aktuell beispielsweise mit Dr. Raimo Franke aus der Abteilung für Chemische Biologie des HZI zusammen. Dadurch erhalte ich einen Einblick in die biologische und chemische Bedeutung der im Labor produzierten Daten. Das lässt mich wiederum die Forschungsfragen aus Biologie und Chemie besser verstehen, sodass ich die von mir eingesetzten Methoden weiter verbessern kann.