Bild des Monats: Ein Schatz der besonderen Art Eingereicht von Professor Johannes Wienand
Wenn Dagobert Duck Historiker wäre, hätte er mit diesem Münzhaufen seine helle Freude: Ein gewaltiger Berg an Geldstücken, sorgfältig ausgerichtet an einer Zeitachse, die von den Anfängen der Münzprägung im siebten Jahrhundert vor Christus bis heute reicht. Die Ansammlung erstreckt sich vom frühen Elektron-Geld, den ersten Münzen überhaupt, über die griechische Silberprägung der klassischen und hellenistischen Zeit, dann über römische Asse, Sesterzen und Denare, weiter über spätantike und byzantinische Goldmünzen, islamische Dirhams und mittelalterliche Brakteaten bis hin zu neuzeitlichen Medaillen und zu Münzen aus unserer eigenen Zeit.
Diesen Schatz der besonderen Art hat ein Verbund an universitären Münzsammlungen zusammengetragen. Jeder einzelnen Münze, die hier ihrem Prägedatum entsprechend arrangiert ist, liegt eine anspruchsvolle digitale Erfassung und Beschreibung des jeweiligen Originalobjektes zugrunde. Über 30 deutsche Universitäten arbeiten zusammen, um ihre Münzsammlungen wissenschaftlich fundiert für Forschung und Lehre zu digitalisieren. Die Digitalisate der Einzelobjekte fließen dann unter anderem auf dem Portal visualize.numid.online zusammen.
Von dort stammt der Screenshot des chronologisch sortierten Münzhaufens. Jeder kann hier die etwa 30.000 Münzen nach Belieben neu arrangieren – beispielsweise nach Münzstätten, Material, Gewicht, Durchmesser – und damit immer neue faszinierende Einblicke in die wertvollen Bestände der universitären Münzsammlungen in Deutschland gewinnen. Jede einzelne Münze lässt sich dabei individuell anwählen. Per Mausklick gelangt man zum digitalen Münzkabinett der jeweiligen Herkunftssammlung, wo sämtliche relevanten Detailinformationen zum ausgewählten Objekt hinterlegt sind. So gelangt man beispielsweise auch zu einer Münze des römischen Kaisers Konstantin, die sich in der Sammlung der TU Braunschweig befindet.
Das Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland
Der Digitalisierungsverbund, der die Daten liefert, nennt sich „Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland“ NUMiD. Ein solcher Zusammenschluss ist bislang weltweit einmalig. Gegründet hat den Forschungs- und Digitalisierungsverbund Professor Johannes Wienand, der an der TU Braunschweig zuständig ist für die Geschichte der griechisch-römischen Antike und der zugleich die Münzsammlung am Herzog Anton Ulrich-Museum leitet. Die Datenbankfamilie, der sich die universitären Sammlungen angeschlossen haben, erstreckt sich inzwischen über Universitäten und Museen in vier europäischen Ländern. Etwa 100.000 Objekte werden auf diese Weise zusammengeführt. Über das Portal ikmk.net sind sie gemeinsam durchsuchbar – etwa ein Drittel der Daten wurde innerhalb des NUMiD-Verbunds erarbeitet.
„Die Bereitschaft einer so hohen Zahl an Verbundpartnern, sich auf dieses gemeinsame Wissenschaftsabenteuer einzulassen, ist die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Projekts, und die Unterstützung durch das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin als außeruniversitärer Verbundpartner bietet die nötige institutionelle Stabilität“, so Johannes Wienand.
Für die Forschung digitalisieren
Die historisch wie materiell wertvollen Originalobjekte werden in den universitären Instituten, zu denen die Sammlungen gehören, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder im Rahmen von Lehrveranstaltungen auch von Studierenden fotografiert, bestimmt und beschrieben; für die Erstellung und Publikation der Digitalisate nutzen die Sammlungen ein gemeinsames Datenbanksystem und einen gemeinsamen Pool standardisierter Konzepte (Normdaten). Schnittstellen ermöglichen den Export der Daten in internationale Forschungsportale. Dort sind dann statistische Auswertungen und Big-Data-Analysen möglich. Die Möglichkeit der Datenvisualisierung über das visualize-Portal ist im Grunde nur ein – wenn auch sehr ansprechendes – Nebenprodukt der Digitalisierung im Verbund. „Das eigentliche Ziel besteht darin, die Sammlungsbestände für die Forschung zu erschließen“, so Professor Wienand. Die Grundlage bildet (neben hochwertigen Fotos von Vorder- und Rückseite) eine wissenschaftlich valide Dokumentation der Objekte – ihrer materiellen Eigenschaften, ihrer geografischen, chronologischen und politischen Verortung, ihrer Bild- und Textprogramme sowie ihrer Provenienzen
Münzen als Geschichtszeugnisse
„Die Digitalisierung historischer Münzen ist damit nicht nur ein wertvoller Beitrag zur Dokumentation und zum Schutz des kulturellen Erbes, sondern auch ein wichtiger Akt der historischen Grundlagenforschung“, betont Professor Wienand. „Denn Münzen wurden seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert zunächst im östlichen Mittelmeerraum und bald weit darüber hinaus von einer Vielzahl an Städten, Städtebünden, Fürsten- und Königtümern oder auch Imperien geprägt, seriell mit teils rasch wechselnden Bild- und Textprogrammen versehen und in hohen Mengen unter die Bevölkerung gebracht.“ Durch ihre besonderen Materialeigenschaften konnten sich Münzen über die Jahrhunderte und Jahrtausende als Originalzeugnisse erhalten, sie lassen sich meist gut datieren und bestimmten Prägestätten zuweisen; damit gewähren die Objekte Einblicke in wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge, aber auch in Ebenen der politischen Kommunikation und Herrschaftsrepräsentation, die weit unter dem Radar der literarischen Überlieferung liegen.
Johannes Wienand sieht darin auch eine Chance für die universitäre Lehre: „Speziell bei Epochen mit einer lückenhaften literarischen Überlieferung bieten Münzen vielfältige thematische Ansatzpunkte für den akademischen Unterricht. Ein großes Plus der Digitalisierung ist, dass Studierende selbst an kleineren, ressourcenschwachen Standorten direkt an der Grundlagenforschung mitwirken und beispielsweise eigene Digitalisate von Münzen erstellen oder auch Online-Ausstellungen im Portal des NUMiD-Verbunds konzipieren können.“