BepiColombo geht unter die Haut Rückblick auf die Studierenden-Exkursion zum Start der Mission in Kourou
Neun Milliarden Kilometer – diese Strecke werden die beiden Satelliten der BepiColombo-Mission zur Erforschung des Merkurs in den nächsten sieben Jahren zurücklegen. Immerhin rund 7.750 Kilometer Luftlinie in zwei Tagen reisten zehn Studierende der Technischen Universität Braunschweig, um zu erleben, wie BepiColombo huckepack auf der Ariane-5-Rakete abhebt.
Für dieses Ereignis nahmen die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das 48-stündige Reise-Abenteuer auf sich: zunächst mit dem Zug nach Paris, eine Nacht auf dem Flughafen Orly, mit dem Flieger nach Fort-de-France auf Martinique und schließlich nach Französisch-Guayana.Von dort – genauer vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou – transportierte in der Nacht zum 20. Oktober 2018 die Ariane-5-Trägerrakete die dreiteilige Raumsonde BepiColombo in den Weltraum. Mit an Bord: Magnetormetersysteme des Instituts für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGeP), die gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Weltraumforschung in Graz, dem Imperial College in London und dem Institute of Space and Astronautical Science in Tokio entwickelt, gebaut und betrieben werden.
Von einer Wissenschaftlergeneration zur nächsten
Professor Karl-Heinz Glaßmeier, Leiter der Arbeitsgruppe Weltraumphysik und Weltraumsensorik am IGeP und Principal Investigator des internationalen MPO-Magnetometerteams, hatte die Studierenden ermutigt, die Reise nach Südamerika zu organisieren. Er selbst freue sich seit 1986 auf den Start der Mission, hatte er seinen jungen Wissenschaflerinnen und Wissenschaftlern vorab erzählt. So lange liegen bereits die ersten Planungen für das Projekt zur Erforschung des Merkurs zurück – und beschäftigen jetzt die Physik-Studierenden des IGeP.
Wie zum Beispiel Kristin Pump, die bereits ihre Bachelorarbeit zu Astro- und Plasma-Physik geschrieben hat und sich nun wahrscheinlich in ihrer Masterarbeit mit der BepiColombo-Mission befassen wird. Sie schreibt an einem Datenkorrektur-Programm, das Störungen der vom Merkur gesendeten Daten herausrechnen soll. Viel Theorie also. Doch mit der Exkursion nach Französisch-Guayana hat sich ihr Blick auf die eigene Forschung noch einmal geändert:„Es ist ein ganz anderes Arbeiten, wenn man den persönlichen Bezug zum Projekt hat. Ich habe jetzt mehr Verständnis dafür, was dahinter steckt.“
Freie Sicht auf die Rakete
Live beim Start der Ariane 5-Rakete dabei zu sein – das hat bei allen zehn Studierenden einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Auch wenn sie rund siebeneinhalb Kilometer von der Rampe entfernt standen – auf einer Observationsplattform der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), für die sie persönliche Einladungen erhalten hatten. Mit dem Bus wurden die ESA-Gäste über einen langen, holprigen Weg durch den Dschungel zur Plattform gebracht. Noch wenige Stunden vorher hatten die Studentinnen und Studenten bang in den Himmel geschaut, weil sich ein Gewitter ankündigte. Kein gutes Zeichen. „Dann startet die Rakete eigentlich nicht“, erklärt Kristin Pump. Erst 15 Minuten, bevor die Ariane 5 abhob, gab es sicheres grünes Licht.
Durch eine Schneise quer durch den Urwald hatten die Studentinnen und Studenten freie Sicht auf die Rakete. Oder vielmehr auf einen riesigen, gleißend hellen Lichtball, der wie ein Sonnenaufgang aufstieg in den Himmel. „Der ganze Urwald war taghell“, erzählt Kristin Pump, immer noch begeistert, dieses Schauspiel mit eigenen Augen gesehen zu haben. In diesem Moment war es fast totenstill. Doch nach etwa 20 Sekunden folgte ein lauter Knall, da der Schall merklich später an der weit entfernten Aussichtsterrasse eintraf als das Licht des Starts. „Das Grollen ging durch den ganzen Körper. Danach war auf der Plattform eine deutliche Erleichterung zu spüren“, so die Physik-Studentin Lea Klaiber.
Eine Wade für BepiColombo
BepiColombo geht eben unter die Haut. Und das auch im wörtlichen Sinn. Falk Smilowski, der Maschinenbau mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik und Physik an der TU Braunschweig studiert, hatte sich drei Wochen vor dem Flug nach Südamerika ein neues Tattoo stechen lassen. Seitdem prangt auf seiner linken Wade eine Abbildung von BepiColombo. Ein Fotomotiv, das nun wohl um die Welt geht, da es auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der ESA auffiel.
Aufmerksamkeit erregten die Studierenden aus Braunschweig in Kourou sowieso. „Professor Glaßmeier hatte uns bereits überall angemeldet“, berichtet Falk Smilowski. So konnten die jungen Forscherinnen und Forscher einige Tage nach dem Raketenstart an einer ESA-Tour teilnehmen, bei der sie das Launch Control Center, die nun leere Startrampe der Ariane 5 sowie die Baustelle für die Startrampe der Ariane 6 sahen. Und auch im sogenannten Jupiter-Raum, dem Kontrollcenter der ESA, durften sie sich umsehen. Dort wurden sie mit einem „Willkommen Braunschweig“ begrüßt.
Von Kokosnüssen und Kochbananen
Professor Glaßmeier, der ebenso wie Dr. Daniel Heyner und Dr. Ingo Richter vom IGeP, nach Französisch-Guyana geflogen war, hatte seinen Studierenden einige Türen geöffnet. „Es war ein Glück, dass Professor Glaßmeier so energisch hinter uns stand“, so Falk Smilowski. „Wir haben dadurch viele Forscherinnen und Forscher kennengelernt.“ Darunter auch den ESA-Direktor für Wissenschaft, Professor Günther Hasinger, sowie Johannes Benkhoff, führender Wissenschaftler der BepiColombo-Mission.
„Wir haben definitiv alle eine Menge während der Exkursion gelernt“, betont der Physik-Student Jacob Schütz. Und meint damit nicht nur das Wissen über die BepiColombo-Mission: „Wir haben uns sehr viel gegenseitig beigebracht.“ Auch darüber, wie man Kokosnüsse knackt und wie man den Unterschied zwischen Bananen und Kochbananen erkennt. Denn neben dem wissenschaftlichen Programm wollten die Studierenden auch Französisch-Guyana und das dortige Leben entdecken. In Cayenne hatten sie gemeinsam eine Unterkunft gemietet. Der häufige Besuch auf dem Markt und das gemeinsame Kochen gehörten für die Gruppe dazu.
Perfektes Networking
Erkundet haben sie das französische Überseedepartment auch bei mancher Wanderung durch den tropischen Regenwald. „Der Urwald hat uns wirklich alle fasziniert, durch die Tiergeräusche war es sehr laut. Und wir Physiker haben dort eine Menge über Biologie gelernt“, resümiert Kristin Pump. Schlangen, Geckos, ein Kolibri und ein Tukan zeigten sich den Studierenden auf dem Monkey Mountain Trail. Von Professor Glaßmeier hatten sie noch einen ganz besonderen Auftrag erhalten: Sie sollten für ihn einen Jaguar fotografieren. Im Dschungel fanden sie ihn nicht, dafür aber im Zoo von Französisch-Guayana.
Mit der Rückkehr nach Braunschweig ist für die zehn Studierenden die Exkursion noch nicht abgeschlossen. Gerade schneiden sie einen Film über ihre Erlebnisse. Außerdem wollen sie ihre Erfahrungen bei der Organisation der Reise und der Finanzierung anderen Studentinnen und Studenten zur Verfügung stellen. Auch in Kourou wurden sie immer wieder von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefragt, wie sie die zweiwöchige Reise nach Südamerika organisiert haben – um ihren Studierenden zu Hause Tipps geben zu können.
„Diese Exkursion ist eine gute Empfehlung für zukünftige Jobs“, ist sich Falk Smilowski sicher. „Der Erfahrungsaustausch war wahnsinnig interessant, es war das perfekte Networking.“ Und Kristin Pump ergänzt: „In sieben Jahren, wenn BepiColombo den Merkur auf verschiedenen Umlaufbahnen erkundet, werden Leute gebraucht, die sich mit der Auswertung der Daten beschäftigen.“
Die Exkursion wurde finanziell vom Präsidium der TU Braunschweig, dem DAAD und der Cray-Stiftung unterstützt.