500-jähriges Reformationsjubiläum: Wie kommt Martin Luther nach Seoul? Germanistik-Professorin Regina Toepfer zu wissenschaftlichem Austausch zwischen Luther und Weltpolitik
Das 500-jährige Reformationsjubiläum ist nicht nur im „Stammland“ von Martin Luther und Katharina von Bora ein großes Thema: Auch im Asien-Pazifik-Raum wird der Protestantismus gelebt. Regina Toepfer, Professorin für Germanistische Mediävistik am Institut für Germanistik an der Carolo-Wilhelmina, hat unsere Fragen per E-Mail aus Seoul beantwortet.
Südkorea ist zurzeit kein beliebtes Reiseland. Was treiben Sie in Seoul?
Der Anlass meiner Reise ist das 500-jährige Reformationsjubiläum, das auch in Korea gefeiert wird. Auf dem internationalen Jahressymposium des Instituts für Übersetzungsforschung zur deutschen und koreanischen Literatur stehen die Übersetzungen religiöser Grundtexte aus Ost und West auf dem Programm. Dort bin ich eingeladen, um über Luthers Bibelübersetzung, sein Verhältnis zur deutschen Sprache und den „Sendbrief vom Dolmetschen“ zu referieren. Als Koordinatorin des neuen DFG-Schwerpunktprogramms „Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit“ freue ich mich über solche internationalen Kontakte ganz besonders.
Was verbindet Südkorea mit Martin Luther?
In Südkorea leben gut 30 Prozent Christen, die Tendenz ist steigend. Die meisten von ihnen, circa 24 Prozent, sind Protestanten, die sich Luther verbunden fühlen. Die Koreaner interessieren sich generell sehr für Deutschland, was sowohl in den wirtschaftlichen Beziehungen als auch in kulturellen Vorlieben begründet liegt. Bedeutsam ist dabei auch die vergleichbare Geschichte der deutsch-deutschen Teilung.
Gibt es in Südkorea eine nennenswerte Germanistik?
Ja, deshalb ist die Germanistik an den Universitäten des Landes gut vertreten. In dieser Woche bin ich mit einem Vortrag an der größten und bedeutendsten Universität Koreas, der Seoul National University (SNU), zu Gast. Dort gibt es zwölf Germanistik-Professorinnen und Professoren – genau doppelt so viele wie am Institut für Germanistik der TU Braunschweig. In der Institutsbibliothek der SNU findet sich sogar das „Nibelungenlied“ – im mittelhochdeutschen Original und in koreanischer Übersetzung.
Haben die Südkoreaner nicht gerade andere Sorgen als das Reformationsjubiläum?
Seit mehr als sechzig Jahren müssen die Südkoreaner mit der Bedrohung aus dem Norden leben. Sie blenden die Kriegsgefahr weitgehend aus, sind aber besorgt, internationale Gäste könnten ihr Land aufgrund eigener Ängste meiden. Meine hochgebildeten Kolleginnen und Kollegen verstehen sich als Kulturmenschen, für die der Austausch mit anderen wesentlich ist.