Zukunftsweisende Arzneimittel für die alternde Gesellschaft entwickeln und produzieren Braunschweig: Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik eröffnet
Wie kann man in der Zukunft maßgeschneiderte und hochwirksame Medikamente herstellen, die gleichzeitig kostengünstig sind? Am Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik, PVZ, der Technischen Universität Braunschweig arbeiten Forscher und Forscherinnen an dieser Frage. Kein anderer Hochschulstandort in Deutschland verfügt über Kombination der hier relevanten Fächer Pharmazie, Verfahrens- und Mikrotechnik. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Forschenden kann ab jetzt im eigenen Forschungsbau bei hervorragenden Arbeitsbedingungen vertieft werden: Das Gebäude, in das der Bund und das Land Niedersachsen knapp 29 Millionen Euro investiert haben, wurde heute feierlich eröffnet.
Im Beisein von Dr. Gabriele Heinen-Kljajić, Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Ulrich Markurth, dem Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Prof. Dr. med. Julia Stingl, der Vizepräsidentin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Prof. Dr. Jörg Breitkreutz, dem Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Pharmazeutische Verfahrenstechnik e.V. sowie Prof. Dr.-lng. Jürgen Hesselbach, dem Präsidenten der TU Braunschweig, erläuterte Vorstandssprecher Prof. Dr.-Ing. Arno Kwade das Zukunftskonzept des neuen Zentrums: „Die Bereitstellung von bezahlbaren und, wo medizinisch vorteilhaft, individualisierten Arzneimitteln mit hoher Wirksamkeit ist eine zentrale Herausforderung unserer Gesellschaft, die wir durch die deutschlandweit einzigartige Zusammenführung der Kompetenzen aus Pharmazie, Biotechnologie, Verfahrenstechnik sowie Mikro- und Produktionstechnik angehen.“
In unserer Gesellschaft nehmen altersbedingte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen oder auch Erkrankungen durch Infektionen zu. Diese mit Hilfe von Medikamenten zu behandeln oder gar zu heilen stellt die Forschung auch im 21. Jahrhundert noch vor große Herausforderungen. Neue, vielversprechende Wirkstoffe weisen sehr häufig eine schlechte Löslichkeit auf, werden vom Körper nicht gut aufgenommen oder haben eine empfindliche Struktur. Vor diesem Hintergrund haben sich die Braunschweiger Forscherinnen und Forscher drei Ziele gesetzt:
- Sie wollen erstens maßgeschneiderte, produktschonende und kostengünstige Herstellverfahren entwickeln.
- Zweitens wollen sie erreichen, dass auch schwer lösliche Wirkstoffe und empfindliche Biopharmazeutika als wirksame Arzneimittel eingesetzt werden können.
- Drittens haben sie vor, miniaturisierte Wirkstoff- und Arzneimittelproduktionsanlagen zu entwickeln, mit denen man kleine, patientengerechte Mengen von individualisierten Arzneimitteln herstellen kann.
Forschung bereits seit 2011
Schon seit der Gründung des PVZ im Jahr 2011 arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dezentral in den Instituten der Mitglieder eng zusammen. Zwei große Verbundprojekte bündeln Schwerpunkte der Pharmaverfahrenstechnik:
- das Verbundforschungsprojekt SynFoBiA – „Neuartige Synthese- und Formulierungsverfahren für empfindliche Biopharmazeutika und schwerlösliche Arzneistoffe“. Bis zu 30 Promovierende und Postdocs arbeiten an Themen rund um Syntheseprozessen, Formulierungen und Produktdesign, Mikroanalytik und Mikroapparate sowie Screening-Verfahren.
- das Niedersächsische Promotionsprogramm μ-Props – „Processing of poorly soluble drugs at small scale“. Schwerpunkt der Arbeit von 17 Promotionsstipendiatinnen und -stipendiaten ist die Prozessierung schwerlöslicher Arzneistoffe in kleinsten Mengen in den Themenfeldern Arzneistoffe, Formulierung, Mikrotechniken und Modellierung.
Beide Projekte werden vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) im Rahmen des Vorab-Programms der Volkswagenstiftung gefördert, ergänzt durch Promotionsstipendien aus der Industrie.
Der Masterstudiengang „Pharmaingenieurwesen“ komplettiert die Nachwuchsförderung der TU Braunschweig in diesem Bereich.
Das PVZ bildet eine Säule der Forschungslinie „Smart BioTecs“ der Wissenschaftsallianz Hannover-Braunschweig. Es ist Kompetenzträger im Bereich der Wirkstoffproduktion,- formulierung und -charakterisierung. Als universitäres Forschungszentrum ist das PVZ darüber hinaus Teil der biomedizinischen „Translationsallianz in Niedersachsen“ (TRAIN), in der außeruniversitäre und universitäre Forschungseinrichtungen der Wissenschaftsregion Braunschweig-Hannover ihre Forschungsinfrastrukturen zur Weiterentwicklung von Wirk- und Impfstoffen bündeln. Der Forschungsneubau eröffnet jetzt neue Möglichkeiten, aus den innerhalb von TRAIN gefundenen neuen Wirkstoffen wirksame, kostengünstige und individualisierte Arzneimittel zu formen.
Das Gebäude
Der PVZ-Neubau schafft Raum für insgesamt 121 Arbeitsplätze. Es bietet eine Hauptnutzfläche von 3.300 m², wobei sich diese aufteilt in etwa 1.350 m² Büroflächen, ca. 1.500 m² Labore und 420 m² Technika.
Der Neubau befindet sich im Bereich des Campus Ost zwischen Langer Kamp und Franz-Liszt-Straße. Er steht damit in direkter Nachbarschaft zu den bereits vorhandenen Standorten von Verfahrenstechnik und Pharmazie. Das Grundstück grenzt direkt an das des Forschungszentrums für Nanometrologie LENA, das 2018 eröffnet werden soll.
Das fünfgeschossige, nicht unterkellerte Gebäude unterteilt sich in verschiedene Nutzungsbereiche, die um ein überdachtes Atrium angeordnet sind. Die Büros sowie die Vortrags- und Besprechungsräume gliedern sich im Süden und Westen des Gebäudes um das zentrale Atrium. Die für ein Universitätsgebäude einzigartigen Labore, Messräume und Technika befinden sich hingegen im Norden und Osten des Gebäudes, angeordnet um einen Gebäudekern mit Technik- und Lagerräumen.