Wie verständlich ist das Gendersternchen? Experimente der TU Braunschweig deuten auf unterschiedliche Effekte für Plural- und Singularformen hin
Immer mehr Texte verwenden das Gendersternchen, das Menschen jeden Geschlechts repräsentieren soll. Kritiker*innen zufolge beeinträchtigt das allerdings die Textverständlichkeit. Das Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig hat in zwei Experimenten geprüft, ob das Gendersternchen die Verständlichkeit tatsächlich stört. Die Ergebnisse der Studie wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Frontiers in Psychology“ als Open Access veröffentlicht.
Wie sollten die Geschlechter in Texten repräsentiert werden? Darüber wird bereits seit mehreren Jahrzehnten gestritten. In letzter Zeit hat vor allem das Gendersternchen immer mehr Verbreitung gefunden, eine besondere Form der geschlechtergerechten Sprache, die auch Menschen außerhalb der Geschlechterdichotomie männlich-weiblich typographisch repräsentieren soll. Sie soll dazu beitragen, Frauen und andere Geschlechter besser anzusprechen und ihre Interessen und Leistungen sichtbarer zu machen. Kritiker*innen argumentieren jedoch oft, dass die Sprache dadurch weniger verständlich und ästhetisch weniger ansprechend würde. Ist das tatsächlich so?
Experimente mit Spielbeschreibungen
Dr. Marcus C. G. Friedrich, Veronika Drößler, Nicole Oberlehberg und Professorin Dr. Elke Heise vom Institut für Pädagogische Psychologie der TU Braunschweig haben dies in zwei Experimenten geprüft. So haben sie eine Beschreibung eines Brettspiels und eine Beschreibung der Kontakt-Sportart Kabaddi untersucht. Die Texte bestanden aus 462 bzw. 471 Wörtern und verwendeten nur maskuline Formen. An 20 bzw. 51 Stellen stand beispielsweise „die Spieler“, „der Angreifer“ oder „er“. Um den Text in eine geschlechterbewusste Sprache zu übersetzen, wurden diese Stellen systematisch durch Formen mit Gendersternchen ersetzt, zum Beispiel „die Spieler*innen“, „der*die Angreifer*in“ oder „er*sie“. Die Texte mit Gendersternchen waren jeweils genauso lang wie die Texte mit nur-maskulinen Formen.
In den Experimenten wurde 159 bzw. 127 Studierenden per Zufall jeweils eine der beiden Versionen des Textes vorgelegt. Nach dem Lesen bewerteten die Teilnehmenden die Verständlichkeit des Textes. Die Ergebnisse des ersten Experiments zeigten, dass es keine Unterschiede zwischen der Version gab, die nur maskuline Formen verwendete, und der Version, die das Gendersternchen verwendete.
Beeinträchtigung durch Singular-Formen?
Im zweiten vorgelegten Text zeigten sich hingegen deutliche Beeinträchtigungen der Verständlichkeit durch das Gendersternchen. Die Autor*innen vermuten hier, dass der Unterschied durch die Zahl der Singular-Formen verursacht wird. Der Text mit Gendersternchen im ersten Experiment enthielt überwiegend Plural-Formen, beispielsweise „die Spieler*innen“ und keine Form wie „der*die Spieler*in“. Der Text mit Gendersternchen im zweiten Experiment verwendete hingegen überwiegend solche umständlicheren Singular-Formen, beispielsweise „Jede Mannschaft schickt abwechselnd eine*n Angreifer*in – die*den sogenannte*n Raider*in – in die gegnerische Mannschaft“.
Diese Annahme soll in weiteren Studien und auch mit anderen Personengruppen geprüft werden, zum Beispiel mit Schüler*innen. „Insgesamt spricht die Forschung zu geschlechtergerechter Sprache und Textverständlichkeit dafür, dass geschlechtergerechte Sprache die Verständlichkeit nicht beeinträchtigt, solange die geschlechtergerechten Formen den gewohnten Formen ähnlich sind“, so Dr. Marcus Friedrich.