Wenn das Uni-Lehrbuch verständlicher ist als das Schulbuch Experiment der TU Braunschweig zur Verständlichkeit von Lernmaterialien
Schulbücher sind weit verbreitete Lernmittel. Viele Schüler*innen und Eltern beklagen sich allerdings über die geringe Verständlichkeit von Schulbüchern für das Selbststudium. Doch welchen Einfluss hat die Verständlichkeit für das Verstehen und die Lernmotivation? Das wollte das Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig wissen und hat es in einem Experiment untersucht. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Psychologie in Erziehung und Unterricht“ veröffentlicht.
Schulbücher spielen im Schulalltag eine zentrale Rolle. „Es ist allerdings nicht ganz klar, welchen Zweck Schulbücher haben: Sind sie nur zur Unterstützung des Unterrichts da oder sollen die Schüler*innen mit den Büchern alleine lernen können?“, fragt Dr. Marcus Friedrich vom Institut für Pädagogische Psychologie der TU Braunschweig. Für das Selbststudium zu Hause müssten die Lernmaterialien jedoch verständlicher sein, so der Wissenschaftler.
Obwohl der Einfluss der Verständlichkeit auf die Lernleistung gut belegt ist, mangelt es an Studien zum Einfluss der Verständlichkeit von Schulbüchern auf die besonders wichtigen Ziele des Unterrichts – Verstehen und die intrinsische Motivation. Das heißt: Die Handlung selbst ist für mich attraktiv, wie etwa das Fußballspielen. Es geht also nicht um Anreize außerhalb der Handlung, zum Beispiel Noten, Anerkennung finden oder finanzielle Anreize. Das hat das Institut für Pädagogische Psychologie jetzt in einem Experiment mit vier Texten aus Schul- und Universitäts-Lehrbüchern analysiert.
Schul- und Universitäts-Lehrbücher im Vergleich
An dem Experiment nahmen insgesamt 164 Schüler*innen aus den sechsten bis neunten Jahrgangsstufen zweier Gymnasien teil. Die Schüler*innen bearbeiteten zuerst Fragebögen zu ihrer Lernmotivation zum Thema und absolvierten einen Vorwissenstest. Im Anschluss legten ihnen die Wissenschaftler per Zufall jeweils einen von vier Texten zum Thema „Lagemaße“ zum Lesen vor. Das Thema ist im Kerncurriculum des Fachs Mathematik für die fünften und sechsten Jahrgangsstufen vorgesehen. Zwei der Texte stammten aus Schulbüchern, ein Text aus einem Nachschlagewerk für Schüler*innen und ein Text aus einem Statistik-Lehrbuch für Studierende. Die Texte unterschieden sich im Hinblick auf ihre sprachliche Einfachheit, wobei der Text aus dem Statistik-Lehrbuch der einfachste der vier Texte war. Nach dem Lesen beantworteten die Schüler*innen Fragebögen zur Verständlichkeit der Texte und zur Lernmotivation sowie einen Verstehens-Test, in dem die Schüler*innen die Formeln aus dem Text auf verschiedene Datensätze anwenden sollten.
Je verständlicher, desto mehr Lernfreude
Die Ergebnisse zeigen, dass die Schüler*innen die Inhalte umso besser verstanden und umso mehr Lernfreude empfanden, je verständlicher der Text war, den sie gelesen hatten. Dabei erwies sich das Universitätslehrbuch tatsächlich als verständlicher als die Texte, die für Schüler*innen konzipiert waren. „Viele Schüler*innen der sechsten Klasse haben sich in der Studie beklagt, dass die Schulbuch-Texte für sie zu schwierig seien, obwohl die Texte für die fünfte Klasse vorgesehen waren“, so der Studienleiter Dr. Marcus Friedrich. „Es ist überraschend, dass der Text aus dem Lehrbuch für Psychologie-Studierende in der vorliegenden Studie am besten abschnitt.“
Um die Ergebnisse erneut zu prüfen, soll die sprachliche Komplexität der Texte in Folgestudien gezielt manipuliert werden. „Insgesamt sprechen diese und frühere Studien dafür, Schulbücher verständlicher zu gestalten“, betont Dr. Friedrich. „Es wäre wünschenswert, dass Schüler*innen mit den Schulbüchern alleine lernen können. Beispielsweise wenn sie Inhalte nachholen, die sie durch Krankheit verpasst, im Unterricht nicht verstanden haben oder die während möglicher Schulschließungen in einer Pandemie ausgefallen sind.“