Rosetta-Mission: „Tschuris“ Kern ist unmagnetisch Braunschweiger Astrophysiker präsentieren Forschungsergebnisse in Wien
Erkenntnisse über die magnetischen Eigenschaften der Planeten und anderer Körper im Sonnensystem lassen weitreichende Schlüsse über ihre innere Beschaffenheit, Dynamik und Entstehungsgeschichte zu. Nach der spektakulären Landung des Rosetta-Landers „Philae“ auf der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko im November 2014, liegen nun die Ergebnisse der Magnetfeldmessungen zweier an der Technischen Universität Braunschweig entwickelter Messinstrumente vor. Ihre neuesten Ergebnisse präsentieren die Braunschweiger Astrophysiker in der Fachzeitschrift Science und im Rahmen der Generalversammlung der Europäischen Vereinigung für Geowissenschaften (EGU) am 14. April 2015 in Wien.
„Tschurjumow-Gerassimenko ist ein bemerkenswert unmagnetisches Objekt“, erklärt Dr. Hans-Ulrich Auster, Leiter des Lander-Magnetometerteams vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGEP) der TU Braunschweig. Zwar war aufgrund seiner geringen Größe nicht zu erwarten, dass im Inneren des Kometenkerns Dynamoprozesse ablaufen, wie sie beispielsweise das Erdmagnetfeld erzeugen. Jedoch wurde darüber spekuliert, dass eisenhaltige, magnetische Staubpartikel als Bestandteile des kometaren Materials durch starke Magnetfelder vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren ausgerichtet worden und so eine bleibende Magnetisierung entstanden sein könnte.
Die Messungen des Braunschweiger ROMAP-Magnetometers auf dem Kometen-Lander „Philae“ zeigen an der Kometenoberfläche nun aber Magnetfelder, die in ihrer Struktur und Stärke den Messungen des Braunschweiger RPC-Magnetometers auf der „Rosetta“-Sonde sehr ähneln. „Die bemerkenswerte Übereinstimmung der Messungen im Orbit und an der Oberfläche ist ein untrüglicher Hinweis, dass sich an der Oberfläche gemessenen Magnetfeldes wesentlich die Eigenschaften des Magnetfeldes in der kometaren Koma widerspiegeln“, erläutert IGEP-Wissenschaftler Dr. Ingo Richter, Instrument-Manager des Orbiter-Magnetometers.
Komet 67P „singt“ auch an der Oberfläche
Die seit Anfang August 2014 gemessenen regelmäßigen Oszillationen des Feldes, das von den Braunschweiger Forschern als „Singen“ des Kometen bezeichnet wird, beherrscht auch das Magnetfeld direkt an der Oberfläche. Beiträge des Kerns zum Magnetfeld liegen nach den Messungen der Braunschweiger Wissenschaftler deutlich unter zwei Nanotesla, also bei etwa einem Fünfzigtausendstel des Erdmagnetfeldes. Erst die Kombination aus Messungen im Orbit und an der Oberfläche sowie der mehrfache Anflug und Abflug zur und von der Oberfläche führten zu diesem Ergebnis. „Die von uns festgestellte äußerst geringe Magnetisierung des kometaren Materials lässt nun den Schluss zu, dass Magnetfelder in der Region, in der dieser Komet entstanden ist, keine Rolle für das Zusammenbacken Dezimeter großer Brocken gespielt hat“, erläutert Prof. Dr. Karl-Heinz Glaßmeier, Leiter des „Rosetta“ Orbiter-Magnetometer Teams. Da starke Magnetfelder eine wichtige Rolle für das Verständnis der Entstehung des Sonnensystems spielen, sehen die Braunschweiger Forscher den kommenden Diskussion mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen mit Spannung entgegen.