Puzzlestück für die Alzheimer-Forschung Forschende der TU Braunschweig zeigen, dass Dapansutril entzündliche Reaktionen im Gehirn von Mäusen verhindern kann
Neuroinflammationen, also entzündliche Reaktionen im Gehirn, spielen beim Verlauf der Alzheimer-Krankheit eine wichtige Rolle. Forschende der Technischen Universität Braunschweig konnten in einer Studie mit Mäusen zeigen, dass die Substanz Dapansutril (OLT1177) Neuroinflammationen in den Gehirnen der Mäuse verhindern kann. An der Studie beteiligt waren auch Charles Dinarello von der University of Colorado Denver, USA, und das biopharmazeutische Unternehmen Olatec Therapeutics LLC, USA. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht.
Mikrogliazellen sind Immunzellen im Gehirn. Um Krankheitserreger unschädlich zu machen, aktivieren sie spezielle Proteinkomplexe, die Inflammasome. Diese lösen eine Neuroinflammation aus, also entzündliche Prozesse im Gehirn, die in der Regel mit dem Gesundwerden enden. Bereits in einer früheren Studie hat Professor Martin Korte mit seinem Team von der TU Braunschweig herausgefunden, dass Neuroinflammationen negative Auswirkungen auf das Lernverhalten von Mäusen haben können.
Entzündliche Prozesse im Gehirn von Mäusen verhindern
Hier setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt bei der aktuellen Studie an: Sie haben die Substanz Dapansutril (OLT1177) eingesetzt, um das Inflammasom NLRP3 zu hemmen. Das spielt bei verschiedenen Entzündungsreaktionen eine Rolle, vermutlich auch bei der Alzheimer-Krankheit. Das Forschungsteam hat untersucht, wie sich die Hemmung von NLRP3 auf das Gehirn von Mäusen auswirkt, die Symptome ähnlich denen von Alzheimer-Patienten entwickelt haben und dadurch schlecht lernen können. Ein Teil dieser Mäuse hat dafür mit Dapansutril versetztes Futter bekommen, der andere Teil nicht.
Nach drei Monaten haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann die Gehirne und das Lernverhalten der Tiere angeschaut: Die synaptische Plastizität, also die Fähigkeit der Synapsen, sich als Voraussetzung zum Lernen verstärken zu können, war bei den „Alzheimer-Mäusen“, die Dapansutril zu sich genommen haben, vollkommen normal. Bei der Kontrollgruppe war sie dagegen eingeschränkt. Das zeigte sich auch im Verhaltenstest: Die Tiere, deren Futter Dapansutril enthielt, lernten bei den Tests deutlich besser.
Baustein für eine mögliche therapeutische Option
„Unsere Ergebnisse sind ein weiteres, wichtiges Puzzlestück in der Erforschung der Alzheimer-Krankheit. Sie stützen zum einen die Erkenntnis, dass entzündliche Reaktionen beim Entstehen der Krankheit wahrscheinlich eine wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Zum anderen konnten wir zeigen, dass Dapansutril im Gehirn prinzipiell wirksam ist und das Inflammasom NLRP3 erfolgreich hemmen kann“, so Professor Martin Korte, Neurobiologe am Institut für Zoologie der TU Braunschweig und Leiter der Arbeitsgruppe „Neuroinflammation und Neurodegeneration“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Ob die Ergebnisse aus dem Alzheimer-Mausmodell sich auf den Menschen übertragen lassen oder nicht, wird weitere Forschung zeigen müssen. Aber sie liefern einen wichtigen Baustein für eine mögliche therapeutische Option, die jetzt in klinischen Studien weiter untersucht werden muss. Das Bedeutsame daran ist, dass ein mögliches Medikament nicht gespritzt werden müsste, sondern über die Nahrung oder in Tablettenform aufgenommen werden könnte.“
Bestandteil von Brokkoli
Der Vorteil von Dapansutril ist, dass es einer der Hauptbestandteile von Brokkoli und deshalb für den Menschen unbedenklich ist. Das wurde bereits klinisch nachgewiesen. Professor Korte: „Wer jetzt vorsorglich zum Brokkoli greifen möchte, sollte vorher wissen: Brokkoli essen ist zwar gesund, aber man müsste ungefähr 5 Kilo am Tag essen, um die Konzentration von Dapansutril zu erreichen, die wir für unsere Experimente genutzt haben. Wir können allerdings durch unseren Lebensstil dazu beitragen, Inflammationen, die auch durch Infektionen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Viel Bewegung, kein Übergewicht und Impfungen können dabei neben dem Gemüseessen helfen.“
Von Maus zu Mensch?
Die Ergebnisse aus einem Mausmodell lassen sich nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Das Mausmodell der Alzheimer-Krankheit bildet nur einen Teil der Krankheit ab. Das Immunsystem von Mäusen ist außerdem nicht absolut identisch mit dem Immunsystem des Menschen. Die Nervenzellen sind sich jedoch bei beiden sehr ähnlich und auch das Inflammasom NLRP3 gibt es sowohl beim Menschen als auch bei Mäusen.
Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob die Hemmung von NLRP3 auch beim Menschen dazu führen kann, dass entzündliche Prozesse im Gehirn verhindert werden können. Das will das an der Studie beteiligte Unternehmen Olatec Therapeutics LLC weiter untersuchen und strebt dazu klinische Studien an.