Neues Forschungszentrum „LENA“: Bund und Land investieren 29 Millionen Euro in Nanoforschung
An der Technischen Universität Braunschweig entsteht in den nächsten fünf Jahren das Forschungszentrum „Laboratory of Emerging Nanometrology“ (LENA). Der Wissenschaftsrat hat dem von der Braunschweiger Elektrotechnik federführend betriebenen Antrag heute zugestimmt und dem Bund und dem Land Niedersachen zur Durchführung empfohlen. Die endgültige Entscheidung über die Förderung trifft die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz voraussichtlich am 28.06.2013. Im Forschungsbau LENA werden für rund 29 Millionen Euro auf insgesamt 2483 Quadratmetern Labore und Büros für bis zu 116 Mitarbeiter entstehen. Arbeitsgruppen unterschiedlicher Fachgebiete aus zehn Instituten der TU Braunschweig werden metrologische Methoden und Normale für nanoskalige, das heißt Millionstel-Millimeter kleine Materialien und Bauteile entwickeln. Sie nutzen dabei Techniken und Expertisen aus der Elektrotechnik, der Physik, dem Maschinenbau und der Chemie.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), das nationale Metrologieinstitut Deutschlands und zweitgrößtes Metrologieinstitut der Welt, ist als strategischer Partner am LENA beteiligt und wird mit der TU Braunschweig gemeinsam an der Umsetzung der Ziele von LENA arbeiten.
Die Weiterentwicklung der Metrologie als der Wissenschaft vom präzisen Messen und seiner Anwendung ist eine wichtige Grundlage des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts. Das Ziel von LENA ist es, derartige Präzisionsmessungen auf die Nanometer-Skala und damit in die Welt von Molekülen, Zellen und Nanopartikel zu übertragen. Immer noch entziehen sich gerade diese nanoskaligen Systeme einer umfassenden metrologischen Charakterisierung. Präzise und quantitative Messungen sind nicht nur Grundlage für ein besseres Verständnis kleinster Strukturen, sondern auch für bessere Standardisierung und letztlich für die Überführung nanoskaliger Materialien, Methoden und Systeme von den Forschungslaboratorien in eine industrielle Nutzung. Die strategische Partnerschaft von LENA mit der PTB garantiert die Rückführung auf SI-Normale, die nur in den nationalen Metrologie-Instituten zur Verfügung stehen und die Überführung der Ergebnisse der LENA-Aktivitäten in die metrologische Anwendung. Die PTB wird ihre Expertise bei der Charakterisierung nanoskaliger Objekte einbringen sowie spezifische metrologische Fragestellungen anregen.
Energiegewinnung und Energiespeicher
Auch Nanopartikel sind dreidimensional und besitzen deshalb eine sehr große Oberfläche. Diese kann so präpariert werden, dass bestimmte chemische Prozesse besonders effizient ablaufen. Ein Beispiel ist die Wasserstoff-Gewinnung: bei Beleuchtung durch Sonnenlicht wird an der Oberfläche von Nanopartikeln Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Sonnenenergie wird dadurch direkt im Wasserstoff gespeichert und ist damit auch transportierbar. Nur durch eine präzise Analyse der zugrunde liegenden Mechanismen und der elektronischen und chemischen Eigenschaften der Oberfläche der Nanopartikel kann die Effizienz solcher Systeme weiter verbessert werden. Diese können so einen Beitrag zur Energiewende leisten.
Ein weiteres Beispiel sind Hochleistungs-Akkumulatoren mit nanostrukturierten Elektroden, die kürzere Ladedauern und längere Einsatzfähigkeit aufweisen und künftige Elektrofahrzeuge konkurrenzfähig machen könnten: Erst nach Entwicklung einer eindeutigen Charakterisierung der 3D-Struktur der hochporösen Elektrodenschichten wird die gezielte Verbesserung dieser Elektroden und letztlich die Qualitätskontrolle bei deren Produktion möglich.
Lichtquellen und Lichtlineale
Kleinste Lichtemitter sollen zu einer neuen Generation von Leuchtdioden führen, die in Zukunft flächendeckend für die Beleuchtungstechnik eingesetzt werden können. Derartige Nano-LEDs müssen aber zunächst präzise charakterisiert werden, um ihre Leuchteigenschaften zu analysieren und sie weiter zu verbessern. Nano-LEDs dieser neuesten Generation sind dreidimensional, was die Analyse sehr erschwert. LENA wird sich besonders auf die präzise Analyse dreidimensionaler Objekte spezialisieren.
Die bekannten Lichtmikroskope können für die Nano-Forschung nicht eingesetzt werden. Strukturen im Nanometer-Bereich sind etwa eintausend Mal kleiner als die Auflösung eines Lichtmikroskops und können in einem normalen Mikroskop nicht mehr „gesehen“ werden. Neue Mikroskopie-Techniken, die nicht-lineare Effekte und die Kopplung von Nanostrukturen an Gold-Nanopartikel nutzen, sollen im LENA weiterentwickelt werden, um weiter in den Nano-Kosmos vorzudringen und die optischen Eigenschaften einzelner Moleküle zu untersuchen.
Auch auf kleinsten Skalen benötigt man Lineale, mit denen Nanosysteme gemessen werden können. Derartige Lineale können in einer Molekül-Falt-Technik hergestellt werden – dem DNA-Origami. Die langen Kettenmoleküle können so modifiziert werden, dass sie sich in genau vorherbestimmter Weise zusammenfalten und dann eine dreidimensionale Form mit vordefinierter Ausdehnung ergeben. Diese kann dann als „Lineal“ auf der Nanoskala und zur präzisen Messung von Nanosystemen verwendet werden.
Nanopartikel transportieren medizinische Wirkstoffe
Nanopartikel können medizinische Wirkstoffe an genau festgelegte Stellen im Körper transportieren. Dafür ist es u.a. entscheidend, wie sich die Nanopartikel, die als Wirkstoff-Transporter eingesetzt werden, in einer Flüssigkeit verhalten. Das Fließverhalten und der Agglomerationszustand von Nanopartikeln bestimmen die medizinische Wirksamkeit. Nur durch eine präzise zeit- und ortsabhängige Messung beider Größen können derartige Ansätze weiterentwickelt werden.
Kleinste Waagen für den Umweltschutz
Um die Rolle von Nanopartikeln in unserer Umwelt (Autoabgase, Emission von Kraftwerken etc.) zu erforschen, müssen diese erst einmal präzise und empfindlich nachweisbar sein. Hierzu werden in LENA Nano-Waagen entwickelt, die so empfindlich sind, dass am Ende sogar einzelne Nanopartikel detektiert werden können. Ziel von LENA ist es, die Nanopartikel nicht nur nachzuweisen, sondern auch möglichst viele Eigenschaften gleich mitzubestimmen. Ubiquitäre, d.h. überall verfügbare Sensorenund Normale sollen die Nanopartikel-Messtechnik auf eine völlig neue Basis stellen und als Grundlage für „Schnell-Tests“ auf der Nanoskala dienen.
Forschung und Lehre: das Umfeld von LENA
Im Forschungszentrum LENA werden diese und weitere neuartige Technologien zur präzisen Charakterisierung von Nanosystemen umfassend erforscht. Die Planungs- und Bauphase soll spätestens in fünf Jahren abgeschlossen sein. Neben dem Forschungsgebäude selbst werden moderne Forschungs-Großgeräte eine hervorragende Basis für zukünftige Arbeiten darstellen.
LENA ist ein Baustein der umfassenderen „Metrology Initiative Braunschweig MIB“. Ziel der MIB ist es, die Metrologie als die Wissenschaft vom präzisen Messen in Forschung und Lehre strategisch zu stärken. Zu der Metrology Initiative Braunschweig gehören die Fakultäten Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik sowie Maschinenbau und Lebenswissenschaften der TU Braunschweig, die eng mit der PTB zusammenarbeiten. Gemeinsame Doktoranden forschen innerhalb der „International Graduate School of Metrology IGSM“. In vielen Master-Studiengängen werden derzeit metrologische Inhalte ausgebaut. Ab dem Wintersemester 2014/15 wird ein neuer Studiengang „Messtechnik und Analytik“ an der TU Braunschweig eingerichtet.
In Kürze – Fakten zum LENA:
Umbau des Gebäudes 3306 der TU Braunschweig und Neubau eines interdisziplinär genutzten Forschungsbaus (beide Franz-Liszt-Straße) mit Schwerpunkt Metrologie nanoskaliger Systeme.
- Nutzer: 10 Institute aus den Fakultäten Lebenswissenschaften, Maschinenbau sowie Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik, in Kooperation mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
- Kosten: 28,9 Millionen Euro (50 Prozent Bund / 50 vom Land)
- Bauzeit: geplanter Baubeginn: Winter 2014, geplante Fertigstellung: Herbst 2016
- Flächen: 2.483 m² Hauptnutzfläche (HNF), davon
- 1.180 m² HNF Büroflächen
- 1.303 m² HNF Labor- und Technikumsfläche
Foto:
„Dipl. Phys. Xue Wang, links, und Dipl.-Ing. Jana Hartmann, Doktorandinnen am Institut für Halbleitertechnik der TU Braunschweig, arbeiten an einer Atomlagen-Epitaxieanlage, in der 3-dimensionale Nanostrukturen für neuartige Sensoren hergestellt werden. Ziel ist es, u.a. künstliche Nasen zu entwickeln, die die chemische Zusammensetzung der Atemluft analysieren können.“
Bildquelle: TU Braunschweig/IHT, frei zur Veröffentlichung bei Abdruck der Quelle.
Der Lageplan zeigt die Position des künftigen Neubaus am Langen Kamp (Campus Ost) der TU Braunschweig.
Quelle: TU Braunschweig / GB3.
Kontakt:
Prof. Andreas Waag
Technische Universität Braunschweig
Institut für Halbleitertechnik
Tel.: +49 531 391 3773
E-Mail: a.waag@tu-braunschweig.de
www.iht.tu-bs.de