Nano-Messtechnik: Technologietransferpreis für das Gründerteam von GATTAquant Start-Up um Mentor Prof. Philip Tinnefeld entwickelt die kleinsten Lineale der Welt
Das junge Gründerteam des Startup-Unternehmens GATTAquant und ihr Mentor, Professor Philip Tinnefeld, erhalten den mit 10.000 Euro dotierten Technologietransferpreis der Industrie- und Handelskammer Braunschweig. Die vom Team gemeinsam entwickelten Nanometerlineale sind Werkzeuge für den Betrieb von superauflösenden Mikroskopen und werden weltweit an wissenschaftliche Labore sowie Unternehmen vertrieben. Die Grundlagen dazu entstanden in der Arbeitsgruppe NanoBioScience von Professor Tinnefeld am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Technischen Universität Braunschweig.
Die Mikroskopie hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, sodass es heute möglich ist, mit hoher Auflösung in die einzelnen Bestandteile lebender Zellen zu schauen und detaillierte Erkenntnisse über die Bausteine des Lebens zu gewinnen. Für den immer präziseren Blick auf die hier wirksamen Biomoleküle gibt es unterschiedliche Verfahren, wie etwa das STED-Mikroskop. Diese 2014 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichneten Hochleistungsmikroskope sind technisch außerordentlich komplex. Die winzigen Dimensionen stellen die Wissenschaft vor neue Herausforderungen.
Wie Legosteine im Nanoformat
„Wenn eine Aufnahme fehlschlägt, lässt sich oft nicht feststellen, ob die Probe beschädigt war oder ein Defekt am Mikroskop für den Fehler verantwortlich ist. Mit den Nanometerlinealen bieten wir eine Referenzstruktur, mit der man die Mikroskope zuverlässig testen kann.“, sagt Geschäftsführer Dr. Jürgen Schmied. Die speziellen optischen Mikroskopieproben ermöglichen neben der unkomplizierten und schnellen Überprüfung eines superauflösenden Mikroskopiesystems auch einen einfachen und dennoch aussagekräftigen Vergleich verschiedener Systeme untereinander. „Unsere Proben werden auch als Referenzstrukturen für molekulare Testreihen genutzt, wie sie in der Diagnostik zum Einsatz kommen“, ergänzt Dr. Max Scheible.
Die „Nanometerlineale“ werden mit Hilfe der sogenannten DNA-Origami-Technik hergestellt, welche die hochparallele Synthese komplexer Nanostrukturen ermöglicht, wobei deren Form durch die Wahl der DNA-Sequenzen völlig frei programmierbar ist. An diese Strukturen bringen die Forscher gezielt Farbstoffmoleküle in einem frei einstellbaren, aber präzisen Abstand zueinander an. Die Farbstoffe dienen als Marker auf dem DNA-Lineal und können mit den Mikroskopen sichtbar gemacht werden. Die DNA Nanolineale sind einfach zu handhabende Auflösungstestproben und somit die perfekte Positivkontrolle. Die DNA-Origami-Technik hat auch andere, mehrfach ausgezeichnete Entwicklungen der Arbeitsgruppe von Professor Tinnefeld ermöglicht, wie Nano-Linsen, Antennen und „Kraftfedern“, mit denen die Einwirkung von Kräften auf Strukturen im Inneren von Zellen gemessen werden können. „Für uns ist die Technologie wie ein Steckbrett, auf dem wir unterschiedliche molekulare Komponenten wie Legosteine aufbringen können“, schwärmt Professor Tinnefeld.
Passgenaue Nanostrukturen auf Bestellung
Ermöglicht durch die Förderung aus Mitteln des EXIST-Programms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wurde im September 2014 die GATTAquant GmbH gegründet, um obige Nanometerlineale kommerziell vertreiben zu können. Inzwischen beliefert das junge Unternehmen Kunden in ca. 50 Ländern weltweit. Neben renommierten Universitäten und wissenschaftlichen Arbeitsgruppen zählen auch Unternehmen aus den Bereichen Mikroskopie, Pharma und Diagnostik zu den Kunden. Der Vertrieb erfolgt direkt, sowie in strategischen Partnerschaften, in Zusammenarbeit mit ausländischen Distributoren. „Unser Ziel ist es, der weltweit führende Anbieter von Standard- und Teststrukturen für die Mikroskopie und Diagnostik zu werden“, sagt Geschäftsführer Jürgen Schmied.
Die Arbeitsgruppe von Professor Tinnefeld ist Mitglied in gleich zwei Carolo-Wilhelmina-Zentren der Technischen Universität Braunschweig: Dem Systembiologie-Zentrum BRICS (Braunschweig Integrated Centre of Systems Biology) und dem auf Nanomesstechnik spezialisierten Zentrum LENA (Laboratory for Emerging Nanometrology).