Künstliche Intelligenz für die Bildanalyse in der Nano- und Quantenphysik Interdisziplinäres Projekt für Digitalisierung in der Physik
Die Nano- und Quantenphysik untersucht meist winzige Strukturen im Bereich weniger Nanometer bis zu wenigen Atomen. Dazu analysieren Forschende hunderte bis tausende Bilder und überprüfen sie auf Fehler. Häufig zeichnen wiederkehrende Strukturen und Muster die untersuchten Präparate aus. Genau das ist als Stärke einer anderen wissenschaftlichen Disziplin bekannt: der Künstlichen Intelligenz. Ein Forschungsprojekt der Technischen Universität Braunschweig bringt jetzt Expertise aus Angewandter Physik und maschinellem Lernen im Forschungsschwerpunkt Metrologie zusammen. Damit ist es eines von acht Projekten, die beim „Niedersächsischen Vorab“ punkten konnten.
Bildgebende Verfahren sind häufig der beste Weg, um mehr über die Eigenschaften kleinster Strukturen zu erfahren und diese für Anwendungen wie Lichterzeugung optimal anzupassen. Bisher war die Analyse der Bilder zweier weit verbreiteter Verfahren der Nanophysik – die Elektronenmikroskopie (TEM) und die Rastersondenmikroskopie (STM, AFM) mühsam, zeitaufwändig und abhängig vom Auge des Betrachtenden. Erschwerend kommen Bildfehler wie verschobene Zeilen oder Verzerrungen hinzu. Dabei können an einem messintensiven Tag im Forschungszentrum LENA der TU Braunschweig gleich hunderte Bilder entstehen. Selbst wenn jedes Bild durch die Hände mehrerer Forschender geht, können dabei immer noch Fehler oder Erkenntnisse übersehen werden. Zusätzlich kann bei der Elektronenmikroskopie der Beschuss mit Elektronen die Proben schädigen, beziehungsweise bei der Rastersondermikrokopie die Strukturen verändern. Zusätzlich kann jede Bewegung außerhalb des Mikroskops die Bildqualität beeinflussen.
Wenn eine Künstliche Intelligenz die Bilder analysieren könnte, schafft das nicht nur mehr Zeit für die Forschenden. Auch die Qualität der Ergebnisse erhöht sich und wird objektiver. Während die Forschenden mit bestimmten Fragestellungen nach Ergebnissen suchen, findet eine Künstliche Intelligenz alle Ergebnisse, die sie sieht. Damit ist sie potentiell ergebnisoffener und effizienter bei seltenen Ereignissen.
Physik auf breiter Basis digitalisieren
Das Projekt gilt als ein Vorreiter in der Digitalisierung von Physik und Metrologie, der Wissenschaft des Messens. Da es bisher noch keine Systeme zur Mustererkennung für beide Verfahren gibt, bauen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Erfahrungen der TU Braunschweig mit automatisiertem Fahren auf. Die ersten Schritte des Projekts loten entsprechend die Möglichkeiten des Maschinellen Lernens in der Physik aus und trainieren die Künstliche Intelligenz an.
Längerfristig sollen die Ergebnisse des Projekts aber nicht nur die Digitalisierung der Physik voranbringen. Geplant ist auch, diese in die Lehre zu integrieren. Interdisziplinäre Zusammenarbeit soll damit bereits im Studium starten. Ein Anschlusspunkt könnte der Masterstudiengang „Data Science“ sein, der im kommenden Wintersemester an der TU Braunschweig startet.
Über das Projekt
Das Forschungsprojekt startet unter dem Namen „Deep Learning for Imaging Nano and Quantum Science“ am 1. April 2021 für drei Jahre. Als eines von acht Projekten fördert die VolkswagenStiftung das Projekt mit knapp 1 Million Euro über das „Niedersächsische Vorab“. Das Programm investiert damit in die Digitalisierung der Naturwissenschaft. Ganz konkret profitieren dabei Aktivitäten des Exzellenzclusters QuantumFrontiers zu bildgebenden Verfahren. Beteiligt sind an der TU Braunschweig neben den Physik-Arbeitsgruppen des Instituts für Angewandte Physik von Professor Andreas Hangleiter und Professorin Uta Schlickum der Lehrstuhl zu Machine Learning um Professor Tim Fingscheidt und die in Bildverarbeitung und Optimierung versierte Arbeitsgruppe von Professor Dirk Lorenz aus dem Institut für Analysis und Algebra.