16. August 2023 | Magazin:

Zwischen Experiment und Einsparung Wie in den Laboren der TU Braunschweig der Energieverbrauch gesenkt werden konnte

Das Land Niedersachsen appelliert an die Hochschulen, weiterhin den Energieverbrauch, also Wärmeenergie und Strom, zu reduzieren. Die Gasversorgung schätzt die Bundesnetzagentur als stabil ein, mit Blick auf den kommenden Winter „bleibt auch ein sparsamer Gasverbrauch wichtig“[1]. Die vom BMWK ausgerufene „Alarmstufe“ gemäß Notfallplan Gas gilt nach wie vor – trotz gefüllter Speicher. Der Grund: Die Marktlage hat sich bislang nicht normalisiert. Für die TU Braunschweig heißt das, die Bemühungen beim Energiesparen aufrechtzuhalten – auch im Sommer – um eine Energiekostenkrise abzuwenden und den Aspekt der Nachhaltigkeit zu stärken. Wie gelingt das bei besonders energieintensiven Forschungsgebäuden, etwa Laboren im Biologiezentrum an der Spielmannstraße und im Chemiezentrum am Hagenring?

Das Musterlabor im Chemiezentrum am Hagenring. Eine Lüftungsanlage sorgt hier dafür, dass die Luft bis zu achtmal in der Stunde ausgetauscht wird. Mit der nachgerüsteten Regelung können die Abzüge nun manuell abgeschaltet werden, z.B. wenn Praktika nicht stattfinden. Bildnachweis: Mark Winter/TU Braunschweig

Der Forschungs- und Lehrbetrieb in den Einrichtungen der Fakultät für Lebenswissenschaften ist vergleichsweise energieintensiv. Denn Großgeräte, Klimaräume, Lüftungsanlage und Co. sind unverzichtbar, laufen teilweise ununterbrochen und verbrauchen aber viel Energie. Trotzdem konnten das Chemiezentrum, die Pharmazie, das Biozentrum, das PVZ und das BRICS in der ersten Jahreshälfte 2023 deutlich den Wärme- und Stromverbrauch senken. Das Chemiezentrum am Hagenring verzeichnete so beispielsweise 15,4 Prozent Einsparungen im Wärmeenergieverbrauch und 11,7 Prozent Einsparungen im Stromverbrauch. Im Biozentrum an der Spielmannstraße sieht es ähnlich aus. 15,7 Prozent an Wärmeenergie und 7,8 Prozent im Stromverbrauch wurden hier eingespart. Die Energienutzungskoordinatoren Dr. Dirk Baabe, Institut für Anorganische und Analytische Chemie, und Dr. Martin Rothkegel, Zoologisches Institut, haben uns einen Einblick in das Energiesparen am Chemie- bzw. am Biozentrum gegeben und erklärt, welche Maßnahmen zum Erfolg geführt haben.

„Die Lüftungsanlage ist das A und O“

Beim größten Energieverbraucher sind sich die beiden Energienutzungskoordinatoren sofort einig: „Der größte Energieverbraucher im Laborbetrieb ist die Gebäudetechnik und hier insbesondere die Lüftungsanlage“, erklären beide unabhängig voneinander. Sie tauscht achtmal in der Stunde die Luft im Labor aus und sorgt neben der Nutzung von Digestorien (Abzügen) für das sichere Arbeiten im Labor beim Umgang mit Gefahrstoffen. Sie ist somit unverzichtbar, um die Sicherheit im Laborbetrieb zu gewährleisten. Im Winter wird die Luft zusätzlich erwärmt, um bei kalten Witterungsbedingungen die Zimmertemperatur aufrecht zu erhalten. Dies erhöht den Energiebedarf der Anlage.

Schon mit Einführung der Energiekostenbudgetierung im Jahr 2014 als Instrument zur Optimierung der Energieverbräuche in den Einrichtungen der TU Braunschweig, wurden im Betrieb der Lüftungsanlagen erste Sparmaßnahmen umgesetzt, die infolge der gesetzlichen Einsparanforderungen sowie der gestiegenen Energiekosten im letzten Jahr erweitert wurden.

Sowohl im Bio- als auch im Chemiezentrum werden die Lüftungsanlagen aktuell täglich von 20 bis 6 Uhr sowie am Wochenende und während der Sperrzeiten der Universität auf die Hälfte der maximalen Leistungsfähigkeit reduziert. In dieser Zeit sind keine Versuche in den Laboren möglich. Die Auswirkungen dieser Maßnahme äußern sich unter anderem in einem Mehraufwand bei der Planung von Experimenten im Laborbetrieb. Dr. Dirk Baabe: „Experimente können zwar nicht immer so geplant werden, dass sie pünktlich um 20 Uhr abgeschlossen sind, aber normalerweise gibt es bei länger dauernden Versuchen immer wieder natürliche Haltepunkte, an denen pausiert werden kann.“ Dr. Martin Rothkegel ergänzt zur Situation im Biozentrum: „Ich habe bisher ausschließlich positives Feedback bekommen. Durch die Absenkung sind zwar in unseren Laboren keine Arbeiten mit Gefahrstoffen nachts und am Wochenende möglich, aber dies schränkt die Durchführung der meisten unserer Experimente nicht ein.“

Unter solchen Abzugshauben können Arbeiten mit gesundheitsschädlichen Chemikalien durchgeführt werden. Sie sind mit der gebäudeeigenen Lüftungsanlage verbunden. Bildnachweis: Mark Winter/TU Braunschweig

Darüber hinaus bietet die Modernisierung der Lüftungsanlage großes Potenzial, um Energiekosten zu sparen, wie Henning Hartmann, Teamleiter im Energiemanagement an der TU Braunschweig, in einem früheren Interview erklärte: „Im Bereich der Be- und Entlüftung als energieintensivsten Bereich liegen die Einsparungen so vielfach zwischen mehreren Hunderttausend und Millionen von Euro über die gesamte Betriebsdauer gesehen.“ Im Biologiezentrum konnte die Belüftungsanlage bereits vor wenigen Jahren ausgetauscht werden. Im Chemiezentrum hingegen steht diese Modernisierung noch aus. Erste Voruntersuchungen dafür wurden aber bereits abgeschlossen.

Abschalten, Teilen oder Austauschen

Mit Großgeräten im Dauerbetrieb, Trockentürmen und -schränken, Klima- und Kühlräumen, (Tiefst-) Kühlschränke und Serverräumen gibt es weitere Einsparmöglichkeiten, die durch die Energienutzungskoordinatoren erkannt und optimiert wurden. Stets gilt es dabei zwischen Nutzen und Einsparung abzuwägen. „Einige der Großgeräte brauchen eine längere Zeit, bis sie hochgefahren sind. Eine kurz dauernde Abschaltung, z.B. an den Wochenenden, ist hier oftmals nicht sinnvoll, da die Geräte danach nicht sofort wieder einsatzbereit wären“, erklärt Dr. Dirk Baabe.

Trockenschränke werden gebraucht um Labormaterialien vor dem nächsten Gebrauch bei ca. 100 Grad Celsius zu trocknen, um sie von Wasserrückständen zu befreien. Bildnachweis: Mark Winter/TU Braunschweig

Bei den anderen Energieverbrauchern sieht die Situation besser aus. Zum Beispiel können Klima- bzw. Kühlräume nach Absprache zwischen mehreren Instituten geteilt genutzt werden. So kann die Nutzung optimiert und überschüssige Geräte und Räume abgeschaltet werden. „Die dauerhafte Abschaltung ungenutzter Klimakammern im Biozentrum führt zu großen Energieeinsparungen. Vor Beginn der Energieknappheit haben wir die damit erzielten Überschüsse aus dem Energiebudget genutzt, um sie in die Gebäudetechnik zu reinvestieren. Das kommt uns jetzt zu Gute“, sagt Dr. Martin Rothkegel.

Auch das Alter von Geräten spielt beim Energiebedarf eine Rolle. Ein besonders anschauliches Beispiel sind hier ältere Kühlschränke. Sie laufen bei weitem nicht so energieeffizient wie moderne Geräte. Erschwerend kommt hinzu, dass Kühlschrankdichtungen durch die Lagerung von Chemikalien über die Jahre porös werden und so die Kälte nicht mehr zuverlässig im Inneren des Kühlschranks halten. Daher wurden Überschüsse der vergangenen Jahre sowohl am Chemie- als auch am Biozentrum in die Anschaffung moderner Geräte und Infrastruktur investiert. Neben den hier beispielhaft genannten Kühlschränken wurden so auch die Trinkwassererwärmung und die Heizwärmeverteilung im Chemiezentrum und die Beleuchtungsanlagen im Biozentrum modernisiert.

Es kommt weiterhin auf jede*n Einzelne*n an

Jede*r Mitarbeiter*in bleibt auch weiterhin gefragt, auf den jeweiligen Individualverbrauch zu achten. Dieser mag zwar im Vergleich zu Großverbrauchen wie Lüftungsanlage, Klimaräumen und Co. relativ gering ausfallen, sollte aber trotzdem nicht vernachlässigt werden. „Allein mein Büro war im ursprünglichen Energiebedarfsplan mit 3600 Kilowattstunden pro Jahr veranschlagt. Das entspricht ca. dem Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses, was natürlich viel zu hoch ist. Durch clevere Einsparungen konnte dieser auf ein Minimum reduziert werden“, berichtet Dr. Martin Rothkegel. Wie wichtig individuelle Einsparungen sind, weiß auch Dr. Dirk Baabe: „Die real erzielten Einsparungen im Energieverbrauch werden sich für das Chemiezentrum allerdings nicht im Energiekostenbudget bemerkbar machen. Aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten werden wir das Jahr 2023 voraussichtlich nur mit einem leicht positiven Budgetüberschuss nahe der Null abschließen.“ Somit wird es auch in den kommenden Monaten entscheidend sein, die Energieverbräuche möglichst gering zu halten. Egal, ob bei Forschungsgroßgeräten oder dem eigenen Arbeitsrechner.

Mit Blick auf die Einsparungen der letzten Monate möchte Dietmar Smyrek, Vizepräsident für Personal, Finanzen und Hochbau, die Gelegenheit nutzen und schon jetzt allen Mitarbeiter*innen für bisher geleistete Anstrengungen danken: „Durch die Bemühungen, die auch mit Einschränkungen in den Nutzungszeiten und im Komfort verbunden sind, können wir es vermeiden, Gebäude zu schließen oder noch härtere Sparmaßnahmen zu ergreifen. Es ermöglicht uns, den Lehr- und Forschungsbetrieb in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Wir danken für so viel Engagement bei dem Energiesparen.“

[1] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/_downloads/2023/06_Juni/230629_gaslage.pdf?__blob=publicationFile&v=1