Zeiten des Umbruchs Geisteswissenschaftliches Studium an der TU Braunschweig in den 60er und 70er Jahren
Die Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der TU Braunschweig ist in diesem Jahr in Feierlaune. Ihr Bestehen jährt sich 2018 zum 50. Mal. Aus diesem Anlass entstand am Institut für Geschichtswissenschaft die studentische Ausstellung mit dem Titel „Zeiten des Umbruchs. Geisteswissenschaftliches Studium an der TU Braunschweig in den sechziger und siebziger Jahren“. Diese wird am 9. Mai 2018 in der Universitätsbibliothek eröffnet. Ein Gastbeitrag von Dr. Klaus Latzel.
Im Jahr 1968 wird die Philosophische und Sozialwissenschaftliche Fakultät an der TU Braunschweig gegründet – die späten 60er Jahre sind die Zeit der Bildungsexpansion in der Bundesrepublik. Gleichzeitig verweist „1968“ auf den Höhepunkt einer weltweiten Revolte, auf spektakuläre Ereignisse etwa in Berlin, Paris oder Chicago. Doch die Chiffre „1968“ ist schon lange zum Klischee erstarrt. Sie verdeckt den Blick auf zeitlich übergreifende politische Veränderungen und gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozesse, die auch die Provinz erfassten. Vor dem Hintergrund wachsenden Wohlstands erstreckten sich diese Prozesse von Anfang der 60er Jahre bis Mitte der 70er Jahre.
Politischer Umbruch
Die Ausstellung zeigt, dass sich hier vor Ort junge Leute nicht weniger, aber anders in Bewegung setzten als in den Zentren der Revolte wie Berlin oder Frankfurt. Manche Themen des Protests verbanden sie mit der globalen Bewegung, an erster Stelle der Vietnamkrieg. Andere Themen ergaben sich direkt aus der Situation, die Studierende in ihrem Alltag an der TU Braunschweig erlebten: miserable Studienbedingungen, mangelnde Möglichkeiten studentischer Mitbestimmung oder schlechte Berufsaussichten für Lehrerinnen und Lehrer. Braunschweiger Aktivistinnen und Aktivisten aus den geisteswissenschaftlichen (und anderen) Fächern organisierten sich zunehmend in linken und seit Ende der 60er Jahre linksradikalen politischen Gruppen. Viele verstanden ihren Protest an der TU Braunschweig zugleich als Kampf gegen ein internationales System von Ausbeutung und Unterdrückung, sichtbar etwa in Aktionen an der TU anlässlich des Schahbesuchs in Deutschland 1967.
Alltagskultureller Umbruch
Die Ausstellung zeigt auch, wie tiefgreifende Veränderungen der Alltagskultur das studentische Leben in dieser Zeit prägten. Traditionelle und ritualisierte Umgangsformen an der TU Braunschweig verschwanden und mit ihnen die Talare der professoralen Würdenträger. Junge Frauen entdeckten das Politische im Privaten und verlangten Gleichberechtigung nicht nur in Studium und Beruf, sondern auch im Bett. Junge Männer ließen sich die Haare wachsen, beide Geschlechter experimentierten mit neuen Formen des Zusammenlebens. Es entstanden neue, aufregende, provozierende Arten von populärer Musik, der Schlosspark wurde zum Schauplatz von Open Air Konzerten. Ob in Berkeley oder Braunschweig: Die Welt war in Bewegung geraten.