2. März 2020 | Magazin:

Wo liegt eigentlich Braunschweig? Im Gespräch mit Francesco Ducatelli aus dem International House

Wie wird man eigentlich Erasmus-Hochschulkoordinator? Bei Francesco Ducatelli ist dieser Schritt die logische Folge eines erasmusreichen Lebenswegs. Als Student für ein Jahr aus Rom an die Technische Universität Braunschweig gekommen, hält sein Auslandsaufenthalt nunmehr seit 20 Jahren an.

„Eigentlich habe ich mein ganzes Leben nach Erasmus gestaltet.“ Wenn Francesco Ducatelli über seine Arbeit spricht, erfährt man nicht nur viel über kulturellen Austausch und lebensfrohe Studierende, sondern vor allem auch, wer die Person ist, die an der TU Braunschweig das Erasmusprogramm koordiniert. Ducatelli war vor 20 Jahren selbst Erasmusstudent. Als Student der Sprachwissenschaft an der Universität Roma III wollte er nach Münster oder Wuppertal, die Zusage gab es dann aber für Braunschweig. „Mein erster Gedanke damals ist typisch für Erasmusstudierende: Wo liegt das eigentlich? Am Ende war ich so verzückt von der Stadt – und vielleicht von einer bestimmten Braunschweigerin –, dass ich mich nach meiner Heimreise umgehend für ein DAAD-Stipendium bewarb, dass mich für meine Abschlussarbeit zurück nach Braunschweig brachte.“

Dott. Francesco Ducatelli ist Erasmus+ Hochschulkoordinator an der TU Braunschweig. Bildnachweis: Laurenz Kötter/TU Braunschweig

Dott. Francesco Ducatelli ist Erasmus+ Hochschulkoordinator an der TU Braunschweig. Bildnachweis: Laurenz Kötter/TU Braunschweig

Während die Magisterarbeit zur deutschen Jugendsprache immer länger und das Stipendium immer kürzer wurde, gelangte Ducatelli erst als studentische, dann als wissenschaftliche Hilfskraft ins International Office. „Die Hilfskräfte erhalten im International Office damals wie heute eine vorbildliche Förderung. So war ich gut vorbereitet, um an der Leibniz Universität Hannover als Sachbearbeiter für Erasmus anzufangen.“

Zwölf Jahre, von Oktober 2009 bis Juli 2018, arbeitet Francesco Ducatelli an der Leibniz Universität Hannover, zuletzt als Hochschulkoordinator. Sein Lebensmittelpunkt bleibt dabei immer Braunschweig. Täglich pendelt er hin und zurück. Am 29. Januar 2018 zerbricht diese Routine mit dem plötzlichen Tod von Björn Mehlhorn, dem damaligen Erasmus-Hochschulkoordinator der TU Braunschweig. Die beiden Koordinatoren waren durch Beruf und Hobby gut befreundet, verbunden durch die Begeisterung für Erasmus und Fußballspielen. „Als Braunschweiger Urgestein sagte mir Björn immer, ich müsse endlich aus Hannover rauskommen. Auch wenn es seltsam war, sich zu bewerben: Egal wo er jetzt ist, schmunzelt er sicherlich darüber, dass ich seine Stelle übernommen habe.“

Irgendwo zwischen Hochschulpolitik und Dauerparty

Im Studienservice-Center arbeitet Francesco Ducatelli im Beratungsbüro 104. Ein Ort, an dem jede Person irgendwann sitzt, wenn sie einmal einen Campus eines anderen Landes kennenlernen möchte. Mit den Möbeln im weiß-grünen Designkonzept wirkt alles ein bisschen wie das Foyer einer modernen Hotelkette. Erstaunlich passend für eine Beratungsstelle, die sich um Neugierde, Fernweh und Sprachbarrieren von (internationalen) Studierenden und Mitarbeitenden kümmert.

Für Francesco Ducatelli ist die Förderung des internationalen Austauschs maßgeblicher Motor seiner Arbeit. „U.a. durch die Umstrukturierung zum International House gewinnt die Internationalisierung an der TU Braunschweig immer mehr an Dynamik und Stellenwert. Gerade bei der Bewerbung zur Exzellenzuniversität zeigte sich, wie sehr das Thema bereichern kann, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Ich freue mich, diese Prozesse mitgestalten zu können.“

Entscheidend ist für Ducatelli die Entwicklung der Menschen, deren Auslandsaufenthalte er betreut. Erasmus ist nicht mehr die Dauerparty, in der sich Studierende ein Urlaubssemester in der Sonne gönnen. Um das Stipendium zu erhalten, sind Studienleistungen zu erbringen, die durch die fremde Sprache und das fremde Studiensystem erschwert werden. Unabhängig von den erworbenen Credits, wachsen die Austauschstudierenden an diesen interkulturellen Herausforderungen. „Ich gehe in diesem Job auf, weil ich die Entwicklung, die ich selbst durch Erasmus erfahren habe, anderen ermöglichen möchte. Ich rate jeder und jedem, diese Herausforderung zu suchen.“

Ein internationales Leben

Dass Francesco Ducatelli für seinen Job brennt, wird daran deutlich, dass er beim Sprechen immer mehr in Fahrt kommt. Der Redefluss zeigt, wie sehr Lebenslauf und Beruf miteinander verwoben sind. Egal, ob es gerade um die Anerkennung von Auslandsaufenthalten oder die Internationalisierung der TU Braunschweig geht: Zwischen den Themen eines Erasmus-Hochschulkoordinators blitzen immer wieder Anekdoten aus dem Privatleben auf. Da ist die Fußball-Herrenmannschaft, die er trainiert und deren Bedarf nach Gangster Rap Musik er nicht zu teilen vermag. Dann gibt es die Helikoptereltern, die ihre Kinder überbehüten. Und die doppelte Fremdheit, die Ducatelli als Italiener in Deutschland erfährt. Auch nach zwanzig Jahren erlebt er noch italienische Klischees, während ihn seine italienischen Freunde deutscher als jeden deutschen Touristen bezeichnen.

Nicht zuletzt ist Francesco Ducatelli ein Beispiel für sein eigenes Credo, dass man durch Auslandserfahrungen zu sich selbst finden und daran wachsen kann. Er zeigt, dass nicht nur alle Wege nach Rom führen, sondern auch viele aus Rom hinaus.