22. Juni 2021 | Magazin:

Wissenschaftskommunikation in Pandemien Neues Forschungsprojekt betrachtet die Rolle von Social-Media-Diskussionen

Brinkmann, Drosten, Kekulé: Die Namen führender Virolog*innen und Epidemiolog*innen prägen die öffentliche Debatte und Wahrnehmung der Corona-Pandemie. Die Expert*innen informieren über Covid-19, die Verbreitung und Schutzmaßnahmen. Dass die direkte Ansprache durch Wissenschaftler*innen effektiver als genereller Medienkonsum ist, konnten Forschungen bereits während der Krise zeigen. Noch nicht ausreichend untersucht ist hingegen, wie die direkte Kommunikation in den sozialen Medien wirkt und welche Auswirkungen die Beteiligung von Bürger*innen auf die wissenschaftliche Evidenz haben. Hier setzt das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Wissenschaftskommunikation in Pandemien: Die Rolle der öffentlichen Beteiligung an Social Media Diskussionen“ an, an dem die Kommunikationswissenschaftlerin Professorin Monika Taddicken von der TU Braunschweig beteiligt ist.

Wie schalten sich Expert*innen in den öffentlichen Diskurs ein und wie wird das in den sozialen Medien wahrgenommen? Diese Fragestellungen sollen in den kommenden drei Jahren im Hinblick auf Nutzung und Verbreitung sowie Wahrnehmung und Wirkung beantwortet werden – mit Hilfe von Inhaltsanalysen und Interviews mit Nutzer*innen. Ziel des Projektes ist es, die Verbreitung von evidenz-basierter Kommunikation in sozialen Medien zu analysieren und zu verstehen, wie stark Emotionen, vor allem Angst und Ärger, transportiert werden.

Interdisziplinär: Kommunikationswissenschaft, Informatik, Psychologie

Monika Taddicken, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der TU Braunschweig, arbeitet in dem interdisziplinären Forschungsprojekt mit zwei Kolleg*innen von der Universität Duisburg-Essen zusammen: Sozialpsychologin Prof. Nicole Krämer und Stefan Stieglitz, Universitätsprofessor für Professionelle Kommunikation in elektronischen Medien und Social Media.

Prof. Monika Taddicken. Bildnachweis: IfKW/TU Braunschweig

„Ich starte mit meinem Team an der TU zunächst mit einer manuellen Inhaltsanalyse“, erklärt Prof. Taddicken. Auf den theoriegeleiteten Einstieg wird dann in Duisburg im Bereich der Informatik mit einer maschinellen Analyse aufgebaut. Außerdem werden dort die psychologischen Effekte untersucht: Wie viele Emotionen stecken in der Expert*innen-Kommunikation in den sozialen Medien?

Von besonderem Interesse sei hier das Spannungsfeld Emotionen vs. Evidenz, so Taddicken: „Welche Mechanismen können wir erkennen, die dazu führen, dass Inhalte über die Corona-Pandemie mehr geteilt und zum Beispiel über einen Like favorisiert werden?“

Echte und „falsche“ Expert*innen auf Twitter und YouTube

Das Projekt analysiert die Kommunikation auf den Social-Media-Plattformen Twitter und YouTube. Twitter, weil sich dort zahlreiche Wissenschaftler*innen, Wissenschaftsjournalist*innen und Politiker*innen austauschen. Außerdem bietet das Unternehmen über eine Schnittstelle einen einfachen Zugang zu den Daten. Und YouTube spielt in der Corona-Pandemie eine große Rolle, die Video-Plattform ist gerade unter den jüngeren Mediennutzer*innen Informationsquelle Nummer Eins.

Aber wer ist Experte oder Expertin und wer gibt sich nur als solcher oder solche aus? Die Unterscheidung zwischen Expert*innen und „falschen“ Expert*innen ist für Professorin Monika Taddicken und die anderen Forschenden genauso eine Herausforderung wie für Laien. „Wir sind gerade dabei, Kriterien zu entwickeln, die uns bei der Erkennung echter Expert*innen helfen. Zum Beispiel schauen wir uns deren institutionelle Anbindung an und was sie über das Thema, zu dem sie sich äußern, schon publiziert haben“, so Taddicken.

Wissenschaftskommunikation der Zukunft

Am Ende des Projekts möchten die Wissenschaftler*innen eine Aussage darüber treffen können, wie Wissenschaftskommunikation in Zukunft aussehen sollte. „Wir werden eine wissenschaftliche Stellungnahme für die Politik und die Öffentlichkeit verfassen“, so Taddicken. Wem kann ich trauen und wie gehe ich damit um? Das müssten alle Social-Media-Nutzer*innen lernen einschätzen zu können.