„Wir wollen den bestmöglichen Einsatz der Mitgliederkompetenzen“ Dr. Adrian Sonka, neuer Geschäftsführer des NFF, im Interview
Seit Januar 2022 leitet Dr. Adrian Sonka die Geschäfte des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik. Das NFF, wie es kurz heißt, ist eine Kooperations- und Netzwerkplattform für die gemeinsame Mobilitätsforschung von Industrie und Wissenschaft. Wir haben Dr. Adrian Sonka, einen Mann aus der Forschung, getroffen und gefragt, welche Mobilitätsthemen ganz oben auf der Agenda stehen.
Herr Dr. Sonka, was sind werden Ihre ersten Schritte als NFF-Geschäftsführer sein?
Zum Beginn möchte ich mir ein Bild vom gesamten Zentrum machen. Dazu treffe ich mich mit den Mitgliedern und den Vorständen. Was haben die Mitglieder und Institute für Wünsche und Bedarfe? Auch der Austausch mit anderen Zentren wie der Battery LabFactory (BLB) und der Open Hybrid LabFactory Wolfsburg (OHLF) gehört dazu. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, für die Mitglieder konkrete Projektentwicklungsangebote aufzustellen, wie zum Beispiel Strategieworkshops. Auch die Zusammenarbeit der Forschungsfelder innerhalb des NFF möchte ich verstärken. Mir geht es vor allem darum, dass die Mitglieder einen Mehrwert durch das Zentrum erhalten.
Sie sind selbst aktiver Forscher. Wie könnte sich das auf das Management des Zentrums auswirken?
Ich sehe mich einerseits als klassischen Geschäftsführer, der sich um den Haushalt und ähnliche Aufgaben kümmert. Andererseits – und das sehe ich als Schwerpunkt meiner Arbeit – möchte ich einen starken wissenschaftlichen Charakter in die Arbeit einfließen lassen und dabei wertvolle Impulse setzen. Dies erfordert eine enge Abstimmung mit dem Vorstandssprecher Professor Thomas Vietor sowie den Vorständen, die die wissenschaftliche Verantwortung der Forschungsfelder tragen, welche sie vertreten.
Durch meine Arbeit am Institut für Fahrzeugtechnik als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Teamleiter sowie als Geschäftsführer des NFF im EIT Urban Mobility konnte ich viel Erfahrung in der nationalen und internationalen Projektakquise und Forschungsförderung sammeln. Diese und auch ein großes Netzwerk mit Kontakten zu Projektträgern und Partnern bringe ich mit.
Das ist ein großer Vorteil, birgt aber auch einen Zielkonflikt: Wir pflegen eine langfristige Roadmap, die sich an wissenschaftlichen Kriterien und Zielen wie Internationalisierung und Exzellenz messen muss. Dennoch sollen die Mitglieder durch konkrete Benefits vom NFF profitieren können. Ich bin sehr froh, eine Geschäftsstelle mit so leistungsfähigen Kolleg*innen führen zu dürfen. Unser Ziel ist der optimale Einsatz der Mitgliederkompetenzen, um bestmögliche wissenschaftliche Schlüsselkennzahlen zu erreichen.
Welche Handlungsfelder sehen Sie heute am NFF?
In enger Abstimmung mit dem Vorstand haben sich drei Bereiche herauskristallisiert: Im Bereich Koordination und Strategie geht es um Industriekooperationen, interne Partnervermittlung, strategische Beratung sowie Mentoring für Studierende und Gründer*innen. Letzteres, die Gründungsförderung, spielt eine besonders wichtige Rolle für den Technologietransfer. Das bringt dem NFF zum einen neue Projekte und ermöglicht es, den direkten Draht in die Industrie weiter auszubauen.
Im Bereich Vernetzung sehe ich die Zusammenarbeit mit KMUs, kommunalen Partnern und Kompetenzclustern wie dem FutureMobilityHub, Kontaktaufnahmen mit Projektträgern und Fördergebern sowie die Nutzung von vorhandenen Netzwerken, um Zugang zu verschiedenen Förderlinien zu erhalten und die Position des NFF auf Landes- und Bundes- sowie europäischer Ebene auszubauen. Wir wollen darüber hinaus auch die Kooperation mit unserem Beirat weiter stärken, der von Dr. Axel Heinrich (Volkswagen Elektrik- und Elektronikentwicklung) geleitet wird und der uns bei dieser Aufgabe sehr gut unterstützt.
Drittens geht es um Sichtbarkeit: So wollen wir unseren Forschenden einen Überblick über nationale und internationale Forschungsvorhaben verschaffen, neue Fördermöglichkeiten anregen, Publikationen in hochrangigen Journals fördern und unsere Kommunikationsstrategie schärfen.
In welche technologische Richtung wird das NFF in den nächsten Jahren steuern?
Wir sind als NFF nach wie vor technologieneutral. Das heißt, wir wollen uns nicht auf eine Technologie festlegen und diese beforschen, sondern für ein Problem mehrere Lösungsansätze prüfen. So bleiben in der emissionsfreien Mobilität Wasserstoff und batteriebetriebene Fahrzeuge gleichermaßen ein Thema. Neben der emissionsfreien Mobilität ist das automatisierte und vernetzte Fahren ein weiterer Schwerpunkt. Hier geht es primär darum, die Technologie zur Marktreife zu bringen. In Reallaboren werden die automatisierten Fahrzeuge validiert und die Sicherheitsredundanzen getestet. Dazu stehen wir im engen Austausch mit dem TÜV und anderen Zulassungsinstitutionen. Auch alternative Mobilitätskonzepte stehen auf dem Plan: So arbeitet das NFF an einem Shuttle, basierend auf der modularen PLUTO-Plattform, das sowohl im Personentransport und in der Logistik zum Einsatz kommen kann als auch in einer Kombination aus beiden.
Bei allen unseren Entwicklungen dürfen wir die Kundenperspektive und die Marktanforderungen nicht außer Acht lassen. Wir möchten unsere Ingenieursichtweise erweitern, zum Beispiel durch Konzepte wie „Customer-Co-Creation“, also der Beteiligung von Kund*innen an der Entwicklung durch Befragungen, in VR-Laboren, Reallaboren und beim Einsatz von Prototypen.
Die Digitalisierung ist ein weiteres großes NFF-Forschungsfeld, auch wenn es als Querschnittsthema quasi in allen anderen unserer Forschungsfelder eine Rolle spielt. Um die Wichtigkeit zu unterstreichen, werden wir in der Forschung enger mit der Informatik zusammenarbeiten, die Hardware-Infrastruktur ausbauen und Big Data stärker in den Blick nehmen.
Welche Rolle werden TU-Kernthemen wie Internationalisierung, Digitalisierung und Knowledge Transfer spielen?
Was die Internationalisierung betrifft, sind wir bereits auf einem guten Weg und werden das natürlich weiter forcieren. So haben wir eine Dependance in Shanghai an der Tongji Universität sowie unter anderem Kooperationen mit Japan (Tokyo University of Agriculture and Technology) und den USA (University of Michigan). Durch unsere Mitgliedschaft im EIT Urban Mobility verfügen wir über den Zugang zu einem breiten Netzwerk in Europa.
In der Digitalisierung haben wir uns mit einem eigens dafür gegründeten und neu strukturierten Forschungsfeld aufgestellt. Wir profitieren auch stark vom „Zukunftslabor Mobilität“ und zukünftig potenziell vom beantragten European Digital Innovation Hub (EDIH) , welches bei der digitalen Transformation unterstützen wird.
Der Technologietransfer wird ebenfalls weiter vorangetrieben. Wir arbeiten dazu eng mit der iTUBS und dem Entrepreneurship Hub zusammen. Professor Reza Asghari, Leiter des HUB, ist seit diesem Jahr NFF-Mitglied.
Was steht konkret für 2022 auf dem Plan?
Neu starten werden verschiedene Projekte, welche wir im Rahmen einer Förderung des EIT Urban Mobility (Großprojekt, des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie) bearbeiten. Ein Beispiel wäre das Projekt LogiSmile, das mit einem autonomen Shuttle zur Verbesserung des urbanen Logistik beitragen soll. Bis Ende 2024 soll auch ein Personen-Shuttle auf der Hermann-Blenk-Straße in die Erprobung unter realen Bedingungen gehen.
Laufende Projekte sind das 5G-LabBraWo (Aufbau eines offenen 5G-Reallabors in der Region Braunschweig-Wolfsburg), das Zukunftslabor Mobilität (Digitalisierung in der Mobilität, gemeinsam mit dem DLR) und das Batterieforschungscluster greenBatt (nachhaltige Elektromobilität).