Waschen, cremen, sprühen: Die Angst vor Körpergerüchen Fünf Fragen an Dr. Anja Grocholewski und René Schmidt
Ob nach dem Sport, an heißen Sommertagen oder nach einem anstrengenden Arbeitstag – jeder kennt wohl das Gefühl, nicht „gut“ zu riechen. Bei manchen Menschen ist die Angst vor einem unangenehmen Körpergeruch aber so groß, dass sie ihren kompletten Alltag bestimmt. In einer gemeinsamen Studie untersuchen das Institut für Psychologie und das Institut für Pharmazeutische Biologie seit zwei Jahren dieses Phänomen. Wir haben mit der Projektleiterin Dr. Anja Grocholewski und dem Projektkoordinator René Schmidt vom Institut für Psychologie über die Studie gesprochen.
Um was genau geht es in Ihrer Studie?
In unserer Studie geht es um Personen, die die extreme Befürchtung haben, einen unangenehmen Körper- oder Mundgeruch zu verbreiten. Die Betroffenen machen sich große Sorgen darüber, sich selbst oder andere Personen aufgrund ihres vermeintlich unangenehmen Geruchs zu beschämen. Häufig ziehen sie sich deshalb aus sozialen Kontakten zurück und versuchen durch ein exzessives Pflegeverhalten einen Körpergeruch zu vermeiden. Dabei ist der Geruch für andere Personen nicht oder nur sehr gering wahrnehmbar. Dieses Phänomen bezeichnen Psychologen als Olfaktorische Referenzstörung oder Olfaktorisches Referenzsyndrom (ORS).
Warum wird die Olfaktorische Referenzstörung erforscht?
Unsere Projektgruppe hat 2016 einen Überblick über die Forschungslage zur Olfaktorischen Referenzstörung erstellt. Dabei hat sich gezeigt, dass es bisher nur sehr wenige empirische Erkenntnisse zu diesem Leiden gibt. Wir wissen also sehr wenig darüber, welche Mechanismen eine Entstehung begünstigen oder aufrechterhalten. Außerdem ist diese Erkrankung unter praktisch tätigen Psychotherapeuten und Fachärzten kaum bekannt. Das erschwert es Betroffenen, eine effektive Hilfe zu erhalten. Diese Hilfe wäre aber notwendig, weil sie stark unter ihren Sorgen leiden, einer geregelten Arbeit nicht mehr (oder nur unter Schwierigkeiten) nachkommen können und im schlimmsten Fall auch mit lebensmüden Gedanken kämpfen. Wenn wir es schaffen, einige Mechanismen zu identifizieren, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der ORS beitragen, können wir langfristig auch geeignete Therapien entwickeln, um Betroffenen besser zu helfen.
Wie ist Ihre Studie aufgebaut?
An unserer Studie nehmen Probanden ab 18 Jahren teil. Das sind sowohl Personen, die befürchten einen unangenehmen Körper- oder Mundgeruch zu verbreiten, als auch Personen, die diese Befürchtung nicht haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen zu drei Terminen in unser Institut. Unter anderem werden sie dann gebeten, Fragebögen und Interviews zu beantworten, bei denen es um ihr seelisches Wohlbefinden geht. Außerdem sollen sie für 24 Stunden Kompressen unter den Achseln tragen, um eine Schweißprobe abzugeben. Diese wird dann von Mitarbeitern des Instituts für Pharmazeutische Biologie chemisch analysiert. Damit soll untersucht werden, ob es tatsächlich Komponenten im Schweiß gibt, die für einen anderen oder stärkeren Körpergeruch sprechen könnten, oder nicht. Schließlich gibt es noch ein „Schnupper-Experiment“, bei dem es darum geht, verschiedene Gerüche zu identifizieren und hinsichtlich verschiedener Eigenschaften wie der Intensität oder hervorgerufenen Gefühlen wie Ekel einzuschätzen.
Was können Sie aus Ihren bisherigen Untersuchungen schließen?
Bisher können wir sagen, dass sich deutlich mehr Betroffene bei uns gemeldet haben, als wir erwartet hätten. Unser ursprüngliches Ziel war es, mindestens 15 Betroffene zu erreichen. Bis heute haben aber schon 35 Personen an unserer Studie teilgenommen, die unter der Olfaktorischen Referenzstörung leiden. Oft richten die Betroffenen ihren kompletten Alltag danach aus, ihren Körpergeruch zu verbergen oder zu vermeiden. Sie nehmen z.B. Kleidung zum Wechseln mit zur Arbeit, können nicht ohne ein Deo aus dem Haus gehen, duschen sich mehrmals am Tag oder kauen unentwegt Kaugummi. Grund dafür ist häufig die Angst, aufgrund des Körper- oder Mundgeruchs von anderen abgelehnt oder für weniger liebenswert gehalten zu werden. Unsere Studie zeigt auch, dass Betroffene generell unter einer stärkeren sozialen Ängstlichkeit leiden: In Interaktionen scheinen sie eher unterwürfig und unsicher aufzutreten. Ein Großteil der Betroffenen leidet außerdem unter weiteren psychischen Beschwerden, wie zum Beispiel Angststörungen und Depressionen.
Was raten Sie Betroffenen?
Entscheiden Sie sich bewusst gegen Ihre Sicherheitsstrategien und gehen Sie auch mal ohne Wechselkleidung, Deo oder mehrmaliges Duschen aus dem Haus. Wenn Sie dann bemerken, dass die Angst zu groß wird und die Gedanken nur noch um den Körpergeruch kreisen, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe zu holen. Am sinnvollsten ist der Gang zu einem Psychotherapeuten. Oft kostet dieser Schritt Überwindung, kann aber durchaus zu einer Besserung führen. Besonders bei einem Verhaltenstherapeuten können Strategien gelernt werden, besser mit den Sorgen umzugehen. Zwar gibt es noch kein eigenes manualisiertes, wissenschaftlich abgesichertes Therapiekonzept für ORS, doch die Psychotherapeuten können auf Strategien zurückgreifen, die sie zum Beispiel für die Behandlung ähnlicher psychischer Erkrankungen einsetzen.