6. Oktober 2020 | Magazin:

Von Bakterien und Proteinen Biotechnologin Rebekka Biedendieck über ihre Forschung mit Mikroorganismen

Mit bloßem Auge ist er nicht zu erkennen, obwohl er mit einer Breite von zwei Mikrometern und einer Länge von bis zu zehn Mikrometern zu den Großen seiner Gattung gehört: der Bacillus megaterium. Dr. Rebekka Biedendieck vom Institut für Mikrobiologie im Braunschweiger Zentrum für Systembiologie der Technischen Universität Braunschweig arbeitet schon seit mehreren Jahren mit diesem Mikroorganismus. Sie erforscht unter anderem, wie er dazu genutzt werden kann, um Proteine zu erzeugen. Wozu das nützlich ist und wie man Bakterien manipulieren kann, hat sie unserer Redakteurin Anna Krings erzählt.

Dr. Rebekka Biedendieck forscht am Institut für Mikrobiologie. Bildnachweis: Max Fuhrman/TU Braunschweig

Ob im Waschmittel, bei der Herstellung von Käse oder als Wirkstoff in Arzneimitteln: Biotechnologisch hergestellte Proteine, so genannte rekombinante Proteine bzw. Enzyme, sind vielseitig einsetzbar. Sie werden mithilfe von Mikroorganismen wie Bakterien erzeugt, die so verändert werden, dass sie die gewünschten Proteine in größeren Mengen produzieren.

Bacillus megaterium als Produktionswirt

Die Herausforderung dabei: Bakterien produzieren in ihrem Zellinneren viele verschiedene Proteine. Aus diesem „Gemisch“ müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann das gewünschte Protein herausfiltern. „Der Vorteil bei Bacillus megaterium ist, dass wir ihm ein Signal geben können, dass es ein bestimmtes Protein in das Nährmedium sekretieren, also ausschleusen soll“, erklärt Rebekka Biedendieck vom Institut für Mikrobiologie. „Aus dem Medium können wir das Protein dann vergleichsweise einfach herausfiltern. Dadurch sparen wir uns viele aufwendige Reinigungsschritte.“

Von Enzymen und Bakterien

In einem aktuellen Schwerpunktprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft setzt Rebekka Biedendieck mit ihrer Arbeitsgruppe das Bakterium ein, um das Enzym Penicillin-G-Acylase, ein katalytisch aktives Protein, zu erzeugen. „Penicillin-G-Acylasen werden von vielen Mikroorganismen produziert. Diese Enzyme unterscheiden sich aber ganz leicht. Wir untersuchen, welche Gründe es dafür gibt“, erklärt Biedendieck. Um das zu tun, benötigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler größere Mengen der Enzyme. Viele der Organismen, die Penicillin-Acylasen produzieren, kann das Team aber nicht im Labor kultivieren. Hier kommt Bacillus megaterium ins Spiel.

Wie man Bakterien manipulieren kann

„Wir nutzen das Bakterium als Produktionswirt für die unterschiedlichen Penicillin-G-Acylasen“, so Biedendieck. Dafür verwenden sie Plasmide, ringförmige DNA-Elemente, wie die Biotechnologin beschreibt: „Wir nehmen das Gen, das die Informationen zur Penicillin-G-Acylase enthält, aus den entsprechenden Mikroorganismen und fügen es in die Plasmide für unseren Bacillus megaterium ein.“ Durch die Veränderung einzelner Teile der Plasmide des Bakteriums können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Einfluss auf das Enzym selbst nehmen. „Ein Teil unserer Forschung besteht darin, die Eigenschaften des Enzyms zu verbessern, damit es zum Beispiel stabiler wird oder länger gelagert werden kann. Penicillin-G-Acylase ist ein sehr spannendes Enzym, das Teile von Penicillin abspalten und bei der Forschung an neuen Antibiotika eingesetzt werden kann.“ Mit ihrer Forschung trägt Rebekka Biedendieck so zum Forschungsschwerpunkt „Infektionen und Wirkstoffe“ bei.

Kombination aus Forschung und Anwendung

Bereits seit 14 Jahren forscht Rebekka Biedendieck am Institut für Mikrobiologie. „Besonders spannend finde ich, dass ich mit sehr vielen unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten kann. Bei dem Projekt mit der Penicillin-G-Acylase arbeiten wir zum Beispiel mit Professorin Anett Schallmey vom Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik und Professor Carsten Schilde vom Institut für Partikeltechnik zusammen“, erzählt sie. „An meiner Forschung mag ich besonders den angewandten Charakter. Bei der Penicillin-G-Acylase haben wir mit Nanogramm-Mengen gestartet. Inzwischen können wir mit bloßem Auge sehen, wie das Enzym in einem Reagenzglas kristallisiert.“