„Voll auf MOSAiC fokussiert“ Falk Pätzold vor Aufbruch zur internationalen Arktis-Expedition
In wenigen Tagen wird Dr. Falk Pätzold vom Institut für Flugführung (IFF) der TU Braunschweig seine Reise zum Nordpolarmeer antreten. Gemeinsam mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen internationaler Forschungseinrichtungen wird er mehrere Monate auf dem Eisbrecher „Polarstern“ verbringen und den Einfluss der Arktis auf das Klima erforschen. Das Schiff driftet dazu ein Jahr lang im Eis als großes Labor durch das Meer. Falk ist verantwortlich für Messungen mit einer Hubschrauber-Schleppsonde und einem Quadrocopter. Wir haben ihn und seine Kollegin Dr. Astrid Lampert kurz vor seiner Abreise getroffen.
Falk, wann startest Du genau Deine Reise zum Nordpolarmeer?
Am 23. Januar 2020 reise ich nach Nordnorwegen, Tromsø. Am 27. Januar geht es dann weiter. In den verbleibenden Tagen bis zur Weiterreise gibt es unter anderem ein weiteres Sicherheitstraining.
Trainings hattet ihr, also die Expeditionsteilnehmer, schon einige.
Falk: Ja, kurz vor Weihnachten habe ich an einem Seesicherheitstraining teilgenommen, also Rettung im Wasser, Feuervermeidung und -bekämpfung auf dem Schiff und natürlich Erste Hilfe. Im Januar hatte ich noch ein Helicopter Underwater Escape Training. Wir wurden dabei in einem nachgebildeten Helikoptercockpit im Wasser versenkt und mussten uns befreien.
Astrid: Das war schon heftig. Bei so einem Lehrgang wird sehr offen über die Gefahren von Leib und Leben gesprochen.
Womit hast Du Dich in den letzten Wochen beschäftigt?
F: Seit längerer Zeit besteht mein Leben daraus, mich voll auf diese Expedition zu fokussieren. Die Bandbreite der Aufgaben ist enorm breit und vielfältig: Wir müssen die Ausrüstung zusammenbekommen. Die Hardware und die Software für die Schleppsonde und den Quadrocopter müssen so organisiert werden, dass sie am 23. Januar um 6:25 Uhr funktionstüchtig und vollständig in meinem Gepäck landen. Die Trainings sind dabei eher eine willkommene Abwechslung.
Falk, bereitet Dir etwas Sorgen?
Der größte Druck ist, dass unsere Messtechnik wie geplant läuft. Wir machen bis zur letzten Sekunde Tests. Über die Sicherheit vor Ort mache ich mir weniger Gedanken: Es gibt ein umfassendes Sicherheitskonzept für die Zeit im Eis. Die Frage ist jetzt nur, ob wir gut performen.
Die Schleppsonde des Hubschraubers hat 60 Messgeräte an Bord. Was wird der Helipod zum Beispiel messen?
Falk: Ein Standardmessgerät der fliegenden Meteorologie ist das Feuchtemessgerät. Wir messen also die Luftfeuchtigkeit. Erstmals im fliegenden Einsatz haben wir unter anderem ein Ozonmessgerät, mit dem wir die Ozonkonzentration in der Luft aufzeichnen. Wirklich neu ist aber die Luftprobennahme auf dieser Hubschrauberschleppsonde.
Ihr kommt dann also mit Luft in Glasbehältern von einem Flug zurück?
Astrid: Die Proben werden nach dem Einsatz im Labor auf dem Forschungsschiff analysiert. Nicht alle Messgeräte sind so portabel, dass man sie auf dem Helipod verbauen kann.
Falk: Ursprünglich waren das tatsächlich Glasprobenbehälter, die wir für den Quadrocopter entwickelt hatten. Da das Analysegerät auf dem Schiff damit nicht klarkommt, haben wir auf eine neue Beutellösung umgestellt – die übrigens auf beiden Systemen, also auf der Schleppsonde und im Quadrocopter, zum Einsatz kommt.
Die TU Braunschweig ist also für Messungen in der Luft verantwortlich?
Astrid: Auf dem Schiff gibt es noch einige Luftchemiker und Atmosphärenforscher. Wir sind mit dem HELiPOD und dem Quadrocopter mobil und messen direkt in der Atmosphäre. Nehmen wir das Beispiel Methanisotope: Kolleginnen und Kollegen messen die Herkunft des Methans im Wasser und im Eis, wir messen das Treibhausgas in der Luft. So soll sich ein möglichst geschlossenes Bild ergeben.
Wann und wie lange wird die Schleppsonde unterwegs sein?
Falk: Es gibt unterschiedliche Ziele und es kommt immer darauf an, was man messen möchte. Es gibt deshalb verschiedene Einsatzprofile. Der Standardfall ist: Herausfinden, wie repräsentativ der Standort des Schiffes für Messungen ist. Dazu fliegt man für rund zwei Stunden vom Schiff weg in verschiedene Richtungen und erhält eine statistische Verteilung der Messwerte über dem nicht immer homogenen Eis. Ein anderer Fall wird ereignisbasiert sein, zum Beispiel wenn Risse im Eis auftreten: Was tritt dann in die Atmosphäre aus?
Welche Funktion übernehmen die Kameras auf der Schleppsonde?
Astrid: Die Kameras in verschiedenen Wellenbereichen sind auch neu auf dem Helipod installiert worden. Damit und mit einem Laserscanner dokumentieren wir die Beschaffenheit der Meeresoberfläche. Grundsätzlich teilen wir die Sensorik in zwei Gruppen ein: Sensoren, die am Ort des Helipods Messungen vornehmen wie die Konzentration von Spurengasen und eben die Luftproben. Um zu wissen, was zeitgleich am Boden passiert, gibt es einen Laserscanner und Kameras.
Da fällt eine riesige Menge an Daten an. Was passiert damit?
Falk: Mit der Datenerfassung kämpfen wir noch etwas. Die Daten sollen zentral und zeitsynchron erfasst werden. Das ist ganz wichtig zu wissen, wann ein Messwert entstanden ist, unter welchen Umgebungsbedingungen, und dass die Daten abgleichbar mit Fotos von der Eisoberfläche sind. Nur dann kann man die Messwerte korrelieren, also Zusammenhänge herstellen und vergleichen. Vor Ort werden die Daten gesichtet: Funktionieren die Sensoren, kommen sinnvolle Messdaten? Auf dem Schiff werden die Rohdaten aufbereitet, also von Fehlern bereinigt, kalibriert und zentral gespeichert. Die Daten werden nach der Kampagne veröffentlicht, so dass sie für weitere Forschungszwecke zur Verfügung stehen. An der TU Braunschweig werden wir im Laufe des Jahres vor allem die Daten zur Methanisotopie und zum Wärme- und Feuchteübergang von der Oberfläche in die Atmosphäre auswerten.
Ganz allgemein gefragt: Was wollt Ihr während der MOSAiC-Mission herausfinden?
Astrid: Wir wollen das gesamte Klimasystem besser verstehen. Um zu überprüfen, ob die heute bekannten Klimamodelle und Simulationen funktionieren, fehlen Daten aus der Arktis. Die Daten müssen repräsentativ sein und insbesondere auch für die zentrale Arktis gelten. Es wird immer wichtiger in den Klimawissenschaften, nicht nur eine Komponente wie die Atmosphäre zu betrachten. Man braucht immer eine Kopplung an das Meereis, Ozeane und Kreisläufe der Biogeochemie. Es geht also um den Blick auf das Ganze.
Falk: Unser Schwerpunkt als TU Braunschweig und in Zusammenarbeit mit unseren Partnern am GFZ Potsdam ist der Methankreislauf: Woher kommt es und in welchen Mengen tritt es auf?