25. September 2019 | Magazin:

Eiszeit für den Klimaforscher Institut für Flugführung schickt einen Messexperten auf MOSAiC-Expedition in die Arktis

Die größte Arktis-Expedition der Geschichte ist gestartet. Rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 17 Ländern werden im Laufe des Jahres an Bord des Eisbrechers „Polarstern“ sein. Zum internationalen Forschungsteam gehört auch Dr. Falk Pätzold, Spezialist für meteorologische Messtechnik am Institut für Flugführung der TU Braunschweig.

Auch bei auffrischendem Wind und zunehmender Schneedrift arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Meereis. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks

Eingefroren im arktischen Meereis. Eine Vorstellung, die viele Menschen frösteln lässt. Dr. Falk Pätzold bleibt da aber ganz cool. „Man muss sich nur in jeder Minute bewusst sein, dass man in einer Umgebung arbeitet, die Gefahren birgt“, sagt der Spezialist für meteorologische Messtechnik vom Institut für Flugführung (IFF) der TU Braunschweig. Pätzold gehört zum auserwählten Kreis von internationalen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die an der MOSAiC-Expedition teilnehmen – der bislang größten Expedition im arktischen Meereis, die am 20. September gestartet ist und unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), steht.

Pätzold wird voraussichtlich Ende Januar 2020 mit dem Eisbrecher Makarov in die Arktis reisen und an Bord des deutschen Forschungs-Eisbrechers Polarstern gehen, der eingefroren im Meereis über den Nordpol driftet. „Dann werden die Tage wieder länger und wir können unsere Forschungsflüge starten“, sagt er. Ziel der MOSAIC-Expedition ist es, dringend benötigte Daten zur Wechselwirkung zwischen Atmosphäre, Ozean und Meereis sowie zum polaren Ökosystem zu sammeln. Zum Einsatz kommt dabei auch erprobte Messtechnik des IFF: die Hubschrauber-Schleppsonde Helipod sowie der Luftproben-Quadrocopter ALICE zur Methanisotopen-Analyse.

Helipod-Projektleiterin Dr. Astrid Lampert vom IFF und Dr. Falk Pätzold, Spezialist für meteorologische Messtechnik am IFF. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig

Bereits bei drei Kampagnen auf der Polarstern war der Helipod im Einsatz – 1994, 1995 und 2003. Momentan wird die Hubschrauber-Schleppsonde im IFF mit den 60 Messgeräten – teils neuen, teils bewährten – bestückt, bevor alles in rund 15 Kisten verpackt im Dezember verschifft wird.

Wechselwirkungen zwischen Meereis, Atmosphäre und Wolken

„Neben den ursprünglich geplanten Messgeräten integrieren wir auf dem Helipod noch weitere Sensorik, um gleichzeitig mit den atmosphärischen Messungen auch die Eis-Oberfläche zu dokumentieren, Aerosole zu messen und die Eigenschaften von Wolken abzuschätzen“, erläutert Dr. Astrid Lampert vom IFF. „Mit dem erweiterten Datensatz können wir Wechselwirkungen zwischen Meereis, Atmosphäre und Wolken untersuchen.“

Kaum eine Region hat sich laut AWI in den vergangenen Jahrzehnten so stark erwärmt wie die Arktis. Gleichzeitig fehlen ganzjährige Beobachtungen aus dem eisbedeckten Nordpolarmeer. „Viele arktische Prozesse sind nur grob in den Klimamodellen abgebildet. Es gibt bislang zu wenige Messungen in der Arktis“, erläutert Pätzold. Das soll sich mit der MOSAIC-Expedition ändern, und das IFF will seinen Forschungsbeitrag dazu leisten.

„Von der Polarstern aus werden wir mit dem Helipod voraussichtlich einmal pro Woche einen zweistündigen Flug in die nähere Umgebung durchführen, um meteorologische Messungen vorzunehmen“, sagt Pätzold, der dann an Bord des Eisbrechers die gesammelten großen Datenmengen für die spätere Auswertung aufbereiten wird. Zur Vorbereitung absolvierten die Helikopterpiloten extra Trainingsflüge mit der Schleppsonde in Emden. In der Arktis wird der IFF-Wissenschaftler dann mit an Bord des Hubschraubers sein und kontrollieren, ob die Sensoren des Helipods reibungslos funktionieren. Um die sensible Messtechnik vor Kälte zu schützen, wird die Schleppsonde entsprechend isoliert und beheizt. Eine konstante Innen-Temperatur von 18°C soll damit erreicht werden.

Luftprobennahme in bis zu 1.000 Metern Höhe

Zusätzlich wird der Luftproben-Quadrocopter ALICE des IFF im Einsatz sein und bei Flügen „auf Sicht“ in bis zu 1.000 Metern Höhe Luftproben entnehmen, damit das Forschungsteam in der Auswertungsphase anhand von Isotopenanalyse bestimmen kann, aus welchen Quellen das Methan in der Arktis stammt.

Zehn Jahre dauerten die Vorbereitungen für die gesamte MOSAIC-Expedition. Im vergangenen Jahr erfuhr das Team von Professor Peter Hecker, Leiter des IFF der TU Braunschweig, dass es mit seinem Know-how und seiner Technik dabei sein wird – unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Europäische Union, die Ecki Wohlgehagen-Stiftung und die Richard Borek Stiftung sowie durch Kooperationspartner.

Unter Hochdruck laufen seitdem die Vorbereitungen am IFF-Institut. „Diese Art von Expedition kann nicht bis ins letzte Detail geplant werden. Wir bereiten uns und die Technik so gut wie möglich vor, aber müssen vor Ort flexibel auf die Gegebenheiten reagieren“, so Pätzold, der bereits Erfahrung mit Expeditionen in die arktische Kälte hat. 2017 war er für fünf Wochen bei einer Forschungsfahrt mit der Polarstern ins Eis östlich von Grönland dabei, um den Quadrocopter ALICE zu testen und Messungen sowie Luftprobennahmen vorzunehmen.

Intensiv mit den MOSAiC-Vorbereitungen beschäftigt: die Arbeitsgruppe „Fluggestützte Meteorologie und Messtechnik“ des IFF. Dazu gehören Konrad Bärfuss, Astrid Lampert, Stefan Nowak, Barbara Altstädter, Thomas Rausch, Falk Pätzold und Lutz Bretschneider (v.l.). Bildnachweis: Maximilian Fuhrmann/TU Braunschweig

Landebahn wird auf dem Meereis präpariert

Zur Vorbereitung der MOSAIC-Expedition, wo das Forschungsteam unter extremen Bedingungen auch auf dem Eis unterwegs sein wird, musste er unter anderem ein so genanntes Helicopter Underwater Escape Training und einen Eisbär-Sicherheitskurs absolvieren. Pätzold: „Eisbären sind neugierig und haben dort keine natürlichen Feinde.“ Wegrennen ist übrigens keine Option. Ein Eisbär kann bis zu 43 Kilometer pro Stunde schnell laufen und das über eine Distanz von zwei Kilometern. „Besser ist, vorsichtig und vorausschauend zu handeln, im Team gegenseitig aufeinander zu achten und sich bewusst zu sein: Wir sind nur Gast in der Arktis.“

Nur die Naturgewalt des driftenden Meereises bestimmt die Route des Eisbrechers Polarstern. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut / Martin Künsting

Geforscht wird nicht nur an Bord der Polarstern, sondern auch auf einer Eisscholle, wo das MOSAIC-Team ein komplexes Forschungscamp errichtet, das mit einem Netz von Messstationen im Umkreis von 50 Kilometern, dem sogenannten Distributed Network, verbunden wird. Im Frühjahr 2020 soll zudem eine begleitende Flugkampagne starten, für die eine Landebahn auf dem Meereis präpariert werden soll.

Die Polarstern wird sich im Spätsommer 2020 zwischen Grönland und Spitzbergen aus dem Meereis befreien und Kurs auf ihren Heimathafen in Bremerhaven nehmen, wo sie Mitte Oktober 2020 erwartet wird. Für Pätzold ist die Eiszeit voraussichtlich im Juni beendet, wenn seine Forschungsflüge mit Helipod und Quadrocopter abgeschlossen und die Daten zur weiteren Auswertung gesammelt sind.

Text: Nicole Geffert