22. Dezember 2020 | Magazin:

Gesundheitsamt statt Sportzentrum Jennifer Westius in der Telefonauskunft

Eigentlich gibt Jennifer Westius Auskunft im Sportzentrum der Technischen Universität Braunschweig. Als eine von vielen Freiwilligen hilft sie jetzt den Gesundheitsämtern bei der Kontaktverfolgung in der zweiten Welle. Im Interview erzählt sie, was die Arbeit im Gesundheitsamt Gifhorn ausmacht.

Frau Westius, was hat Sie dazu bewegt, sich freiwillig für den Dienst im Gesundheitsamt zu melden?

Jennifer Westius Bildnachweis: Jennifer Westius

Als die Anfrage seitens der TU Braunschweig kam, habe ich gleich gedacht, dass das eine tolle Möglichkeit ist, aktiv in der aktuellen Pandemie mitzuhelfen. Als Beschäftigte im öffentlichen Dienst weiß ich die eigene berufliche Sicherheit sehr zu schätzen. Mir ist bewusst, dass es sehr vielen aktuell nicht so gut geht. Gleichzeitig hatte ich aber auch etwas Sorge, wie sich die Umstellung mit meiner Familie vereinbaren lässt. Ich wollte beispielsweise meine Arbeitszeiten weitestgehend beibehalten, um auch das Bringen und Abholen meiner Kinder zu Kita und Schule noch zu schaffen. Ich habe dann darauf vertraut, dass das berücksichtigt wird – und schlussendlich hat alles gut geklappt.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal herzlich Herrn Landherr und Frau Fritz aus der Personalabteilung danken. Mit beiden konnte ich offen darüber sprechen was meine Ängste und Wünsche sind. Sie haben mir die Sicherheit gegeben, dass diese auch berücksichtigt werden.

Worin bestand Ihre Aufgabe?

Ich war im Gesundheitsamt Gifhorn in der Telefonauskunft eingesetzt. Diese Aufgabe passte zu mir und ich hatte auch eine tolle Kollegin dort, bei der ich mir einiges abgucken konnte. Zusammen mit anderen sammelten wir alle allgemeinen Anfragen, notierten sie und leiteten sie weiter. Dabei kann alles Mögliche passieren:

Es rufen beispielsweise Eltern an, bei denen in der näheren Umgebung ein Fall auftrat. Sie machen sich Sorgen um die eigenen verschnupften Kinder und ob der Schnupfen vielleicht ein Zeichen für eine Corona-Infektion ist. Andere sind sogenannte Reiserückkehrer und erfragen den Ablauf bezüglich Quarantäne und ähnlichem, oder Berufstätige, die Fragen zu den allgemeinen Verordnungen haben.

Besonders berührt hat mich ein über 90-jähriges Ehepaar. Sie hatten einfach viele Ängste und fragten sich nach einer möglichen Impfung. Als Teil eines kleinen Orts wollten sie auf keinen Fall Informationen verpassen. Ich habe versucht, ihnen zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind und sie ihre Fragen jederzeit an das Gesundheitsamt stellen können. Sie sagten mir zum Abschluss, wie sehr ihnen das Gespräch Halt gegeben hat. Da flossen auch bei mir die Tränen. Es zeigte mir, warum auch wir „Jüngeren“, die wir vielleicht weniger Angst vor der Krankheit an sich haben, die geltenden Maßnahmen einhalten müssen. Wir schützen damit nicht nur uns, sondern alle anderen Menschen, denen ihr Leben so wichtig ist wie diesem Ehepaar.

Ähnlich erging es mir bei einer Mutter, die kurz vorher beim Hausarzt erfahren hatte, dass sie sich infiziert hat. Sie hat am Telefon geweint, da sie sich nicht erklären konnte, wo und wie sie sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen angesteckt hat. Nun machte sie sich Vorwürfe. Bei dem Gespräch hatte ich einen Kloß im Hals. Sie tat mir sehr leid. Aber meine Aufgabe war es ja, sie auch zu beruhigen und ihr mitzuteilen, dass sich jemand vom Gesundheitsamt bei ihr meldet und ihr das weitere Vorgehen mitteilt.

Die zweite Welle wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen, was bedeutet das für die Arbeit im Gesundheitsamt?

Ursprünglich war meine Abordnung vom 25. November bis zum 31. Januar geplant. Kurz nach Beginn der Abordnung habe ich jedoch die Zusage zu einer neuen Stelle erhalten sodass mein Dienst im Gesundheitsamt mit Ausscheiden aus der TU Braunschweig im Dezember endet. Dadurch konnte ich jetzt nur vergleichsweise wenige Tage im Gesundheitsamt helfen.

Ich hätte gerne mehr beigetragen. Aber vielleicht kann dieses Interview ja auch nochmal helfen. Indem es zeigt, was für tolle Arbeit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsamt leisten. Im Gegensatz zu mir endet ihre Arbeit in Bezug auf Corona nicht irgendwann. Es wird für sie noch sehr lange Zeit zum Alltag gehören. Sie müssen täglich ermitteln, Telefonate führen, sich Frust und Trauer fremder Menschen anhören. Sie bekommen zwar Unterstützung durch abgeordnete Kolleginnen und Kollegen, darunter auch Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, aber das ist immer nur temporär, und diese Personen müssen immer wieder neu eingearbeitet werden. Ich hoffe, dass ihre Arbeit von allen wahrgenommen wird und alle das zu schätzen wissen.