„Technologiesprung in der Luftfahrt nötig“ Berufung von Professor Sebastian Heimbs
Nach vielen Jahren in der industriellen Forschung folgte Sebastian Heimbs dem Ruf an die TU Braunschweig: Seit September 2021 leitet er den Lehrstuhl für Flugzeugkonstruktion am Institut für Flugzeugbau und Leichtbau. Hier arbeitet er unter anderem im Exzellenzcluster SE2A an neuen Bauweisen mit Hochleistungswerkstoffen und Simulationsmethoden für deren digitale Entwicklung.
Professor Heimbs, sind Sie gut an der TU Braunschweig angekommen?
Sehr gut sogar! Sämtliche Mitarbeiter*innen des Instituts, die Kolleg*innen benachbarter Institute und der Fakultät sowie das Präsidium, allen voran unsere Präsidentin Frau Professorin Ittel, haben mich auf solch freundliche und herzliche Weise empfangen, dass es von Tag eins an sehr viel Spaß macht, an der TU Braunschweig zu sein. Diese Erfahrung haben wir auch im Privaten nach dem Umzug von Hamburg nach Braunschweig gemacht. Die Menschen hier zeichnen sich durch sehr viel Freundlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft aus.
Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Mein beruflicher Werdegang nach der Promotion im Bereich der Leichtbauwerkstoffe an der TU Kaiserslautern führte mich in die Luftfahrtindustrie, genauer gesagt in die Konzernforschung des Flugzeugherstellers Airbus. Dort hatte ich die Gelegenheit, über viele Jahre hinweg mit verschiedenen deutschen und internationalen Hochschulen in wegweisenden Forschungsprojekten zusammenzuarbeiten. Die TU Braunschweig nimmt in dieser Hochschullandschaft durch den Exzellenzcluster „Sustainable and Energy-Efficient Aviation (SE2A)“ heute eine Spitzenposition ein, und war daher für mich ganz klar die erste Wahl für eine akademische Forschungs- und Lehrtätigkeit. Der Schritt weg von dem hervorragenden Arbeitgeber Airbus nach über 17 Jahren spannender Forschungs- und Führungstätigkeit fiel nicht leicht, war aber wohlüberlegt, da ich die eigene Praxiserfahrung gerne an die nächste Generation von Ingenieur*innen weitergeben und relevante Forschungsthemen gemeinsam mit meinem Team und Partnern umfänglich selbst gestalten möchte.
Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?
Das Fachgebiet der Flugzeugkonstruktion und des Leichtbaus beschäftigt sich vereinfacht gesagt damit, die Flugzeuge von morgen zu gestalten. So einfach dies klingt, umso herausfordernder ist diese Aufgabe, da wir alle wissen, dass wir uns mitten in einem Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimaschutz befinden. Die gemeinschaftlich gesteckten Klimaschutzziele der EU bis zum Jahr 2030 bzw. 2050 sind insbesondere für die Luftfahrt eine enorme Herausforderung und erfordern einen Technologiesprung hinsichtlich Luftwiderstandsreduktion, alternativer Antriebstechnik und Flugzeugleichtbauweisen. Die Flugzeuge von morgen werden sich deutlich von den heutigen unterscheiden.
Was heißt das für den Flugzeugbau?
Im Fall der Abkehr von fossilen Brennstoffen (Kerosin) hin zu Wasserstoff, was gerade im Zentrum der Forschung steht, würde der Treibstoff nicht mehr wie heute in den Flügeln gespeichert werden, sondern in großen Druckbehältern an anderer Stelle, was zu grundlegend anderen Flugzeugkonstruktionen führen kann. Genau an dieser Stelle setzt die Forschung unseres Instituts an, um nicht nur neue Bauweisen mit Hochleistungswerkstoffen für die Integration von Flüssigwasserstofftanks oder auch elektrischen Batteriesystemen zu ermöglichen, sondern auch um schnelle und genaue strukturmechanische Berechnungs- und virtuelle Simulationsmethoden für die digitale Entwicklung ebendieser Bauweisen bereitzustellen.
Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Ich denke, jeder hat irgendwann Schlüsselerlebnisse, wenn man etwas findet, was einen richtig fasziniert. Dies war bei mir im Laufe meines Studiums der Fall, als ich im Rahmen eines Auslandssemesters die Welt der Faserverbundwerkstoffe, die im Volksmund als „Carbon“ bekannt sind, für mich entdeckte. Gepaart mit der Faszination für Flugzeuge und die Luftfahrt hat mich die Vorliebe für den Leichtbau bis heute nicht losgelassen. Die Erforschung und Optimierung dieser Werkstoffe und Leichtbauweisen sowie die Überführung in Hochtechnologieprodukte wie die Flugzeuge von morgen motiviert mich jeden Tag aus neue.
Inwiefern sind Sie in dem Exzellenzcluster SE2A involviert?
Das Institut für Flugzeugbau und Leichtbau ist maßgeblich im Exzellenzcluster SE2A involviert, viele meiner Mitarbeiter forschen hier an den Technologien für das Flugzeug von morgen, wie z.B. an Laminarflügelkonzepten oder der Gestaltänderung der Flügelstruktur (Morphing) zur Lastabminderung. Aufgrund der bestehenden Projektstruktur und meinem Dienstantritt im Herbst dieses Jahres übernehme ich aktuell primär die laufenden Arbeiten. Da jedoch bald der Fortsetzungsantrag für eine weitere Laufzeit des Exzellenzclusters mit der Definition neuer Forschungsthemen ansteht, ergibt sich hier die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung der Neuausrichtung des Clusters.
Was reizt Sie an der Forschung?
Forschung ist das Entdecken von Neuem, das Austesten „was passiert, wenn…“, die Erweiterung der bestehenden Grenzen des Machbaren und des existierenden Stands der Technik, die Mitgestaltung unserer Zukunft. All dies fasziniert mich und macht eine Menge Spaß. Ich war beim Flugzeughersteller Airbus in verschiedenen Rollen und Bereichen tätig, von der Grundlagenforschung bis ganz zum anderen Ende, der endkundennahen Flugzeugentwicklung mit Beitrag zur Zertifizierung und Zulassung. Ohne auch nur eine dieser Stationen oder Zeiten missen zu wollen, habe ich für mich jedoch festgestellt, dass die Forschung in meiner DNA ist, und die Tätigkeit und die Erfolgserlebnisse in diesem Bereich für mich besonders erfüllend sind.
Ein Ausblick auf die Zukunft: Was sind Ihre Pläne für Ihre Forschung oder in der Lehre?
Zunächst einmal bin ich damit beschäftigt, nach meinem Dienstantritt das Institut strukturell und visuell zu modernisieren, Etabliertes zu hinterfragen, und gemeinschaftlich mit meinen Mitarbeitern ein neues, modernes IFL zu erschaffen, von dem die Belegschaft, die Studierenden und Projektpartner sowie Kunden profitieren. Da ich selbst jahrelang bei Airbus für den Bereich der strukturellen Crash- und Impactsicherheit von Flugzeugstrukturen verantwortlich war, werde ich dieses wertvolle Forschungsgebiet neu an die TU Braunschweig mitbringen, um auch die Sicherheit der Flugzeuge von morgen nicht aus dem Auge zu verlieren.
Die Sicherheit muss neben hochgesteckten Zielen der Nachhaltigkeit und des Leichtbaus in der Luftfahrt immer die Priorität Nummer eins sein. Konkret bedeutet dies, dass wir Crashszenarien sowie Hochgeschwindigkeitsimpacts (z.B. durch Vogelschlag, Reifenteile, Triebwerksteile etc.) durch simulative und experimentelle Arbeiten in unsere Erforschung neuer Werkstoff- und Bauweisenkonzepte integrieren. Das berühmte Investment in ein „Großgerät“ im Rahmen der Berufung wird diese Versuchstechnik ermöglichen. Unsere ambitionierten Forschungsvorhaben werden weiterhin zur Gründung eines neuen Labors für „Fliegende Demonstratoren“ führen, in dem wir skalierte unbemannte Flugmodelle zur Technologieerprobung entwickeln und fliegen werden. All dies wird die Möglichkeit der studentischen Involvierung sowie die Bereicherung der Lehre zur Folge haben, die im Rahmen der Modernisierung ohnehin überarbeitet und aufgefrischt werden soll. Ich freue mich darauf, verschiedene Erfahrungen aus meiner langjährigen Tätigkeit in der Luftfahrtindustrie mit Studierenden zu teilen, wertvolle Hinweise zu geben und die Lehre praxisnah zu gestalten.