Standardweiß von ultraviolett bis infrarot Irina Santourian aus der Graduiertenschule B-IGSM im Porträt
In der „Braunschweig International Graduate School of Metrology“ (B-IGSM) widmen sich circa 50 Promovierende der Wissenschaft des genauen Messens. Sie alle werden dabei sowohl an der Technischen Universität Braunschweig als auch an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) betreut. Irina Santourian forscht an der PTB am Gonioreflektometer, einem Messplatz, der Lichtreflexionen misst. Im Interview erzählt die Doktorandin, wie sie das deutsche Normal für Weiß und Grauschattierungen verbessern möchte.
Wer sind Sie und woran forschen Sie?
Mein Name ist Irina Santourian und ich forsche an einer alternativen Strahlungsquelle für das Gonioreflektometer der PTB. Damit bin ich Teil des Fachbereichs für angewandte Radiometrie von Deutschlands nationalem Metrologie-Institut. Wir messen dort die Reflexion von optischer Strahlung sowohl im sichtbaren Bereich als auch in Ultraviolett (UV) und Infrarot (IR). Vor allem kalibrieren wir weiße Standards, welche als Referenz an eine Vielzahl von Kunden aus Industrie und Forschung weitergegeben werden.
Welcher Fragestellung gehen Sie konkret nach?
Das Gonioreflektometer hat drei Hauptkomponenten: Ein Drehkranz mit Lichtquelle, innen die Probe auf einem Roboterarm und außerhalb des Drehkranzes die Sensoren, die die eigentliche Messarbeit machen. Wir messen den Strahldichtefaktor. Der beschreibt, wie stark eine diffus reflektierende Oberfläche optische Strahlung reflektiert, abhängig von Einfalls- und Ausgangsrichtung und der Farbe der Probe. Bezugswert ist dabei immer die sogenannte perfekt reflektierende Probe, gewissermaßen das weißeste Weiß. Das Gonioreflektometer kann den Reflexionswert von Proben für alle Richtungen der Einstrahlungs- und Reflexionswinkel und für jede Wellenlänge bestimmen. Die eingebaute 400-Watt-Halogenlampe eignet sich gut bei sichtbarem Licht und Infrarotstrahlung. Im UV-Bereich gibt es dagegen noch Verbesserungspotenzial. Ich untersuche, inwiefern UV-LEDs als alternative Strahlungsquelle das Gerät verbessern können. Die stärkere UV-Strahlung könnte nicht nur Messzeit einsparen, sondern auch präzisere Ergebnisse für den Strahldichtefaktor liefern.
Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?
Mich begeistert, bei ohnehin schon höchst genauen Verfahren und Apparaturen die Präzision noch weiter steigern zu können. Natürlich ist das mit steten Herausforderungen verbunden. Das fängt schon bei der Auswahl der LEDs an. Denn die LEDs, die ich jetzt nutze, müssen auch noch in Jahren erhältlich sein. Ansonsten müsste alles neu charakterisiert werden. Dass sich der Aufwand lohnt, kann ich in meinem Arbeitsbereich direkt sehen. Etwa, wenn meine Arbeit für andere Forschungsaufgaben oder Kundenaufträge eingesetzt wird.
Welche Relevanz hat das Thema für die Metrologie?
Wie weiß etwas ist, auch im infraroten und ultravioletten Bereich, kann anhand der Reflexion bestimmt werden – etwa mit dem besagten Strahldichtefaktor. Das Gonioreflektometer der PTB ist das nationale Normal für gerichtete Reflexionsmessungen. Hier kalibrieren wir die Weißstandards, die als Referenz präzise vermessen an die Kunden weitergeben werden.
Diese Sicherheit brauchen nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Denn ohne diese Rückführung durch den Weißstandard sind Papier und weiße Stoffe nicht mehr gleichbleibend weiß. Es kann nicht beurteilt werden, wie weiß ein Waschmittel wäscht. Reflexionsgrad und Farbtreue sind unverzichtbar bei Autolackierungen, in der Kosmetik und der Architektur. Entsprechend gefragt sind unsere Dienstleistungen. Das Gonioreflektometer läuft fast 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Nur wenn wir die Probe wechseln, steht es still. Wenn ich mit meiner Arbeit den Prozess noch weiter beschleunigen und präzisieren kann, sollten wir auch besser den Bedarf an Kalibrierungen abdecken.
Was ist das Besondere, in der Graduiertenschule B-IGSM mitzuwirken?
Das Besondere ist für mich der aktive Austausch mit anderen Doktorandinnen und Doktoranden auf dem Gebiet der Metrologie. Dank der Kooperation zwischen der PTB und der TU Braunschweig erhalte ich so stets neue Einblicke aus den verschiedensten Fachrichtungen. Das gibt mir neue Denkanstöße und verbessert wiederum meine eigene Arbeit. Da die Graduiertenschule sehr international ausgerichtet ist, kann man sich auch individuell weiterentwickeln und lernt viel Neues. Vor dem Corona-bedingten Lockdown war zwar der Austausch noch persönlicher, aber auch jetzt halten die Promovierenden zusammen und wir nutzen die schwierige Situation bestmöglich. Ich freue mich, ein Teil dieses Netzwerks sein zu dürfen.