Schweben für die Forschung Braunschweiger experimentieren beim Parabelflug in Bordeaux
Zur 30. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurden auch Astrophysiker der Technischen Universität Braunschweig ausgewählt. Das Team um Prof. Jürgen Blum vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik untersucht mit einem Experiment die Planetenentstehung. Mit dabei sind auch zwei Master-Studenten, die zum ersten Mal in der Schwerelosigkeit forschen werden.
Sehr gute Noten, teamfähig, körperlich fit – damit überzeugten die beiden Physik-Studenten Alexander Landeck und Aljoscha Dolff ihre Dozenten. Sie wurden ausgewählt, an der DLR-Parabelflugkampagne zwischen dem 11. und 15. September in Bordeaux teilzunehmen. Erst vor zwei Monaten haben die beiden erfahren, dass sie sich in die Schwerelosigkeit begeben. Nicht viel Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Punkt eins auf der Liste: die Gesundheitstests, um die Flugtauglichkeit der beiden Braunschweiger zu überprüfen. Unproblematisch, wenn man wie die beiden jungen Forscher mit Schwimmen, Bouldern und Tennis regelmäßig Sport treibt. Flugangst haben die jungen Forscher sowieso nicht. „Aber es ist auch kein 08/15-Flug in den Urlaub“, so Alexander Landeck.
Mit Spritzen gegen die Übelkeit
Während Ingo von Borstel und Dr. Rainer Schräpler mit mehr als zehn Parabelflügen schon alte Hasen im Umgang mit dem Schweben sind, wissen die Studenten nur theoretisch, was auf sie zukommt. „Nicht herumhampeln“ in der Hypergravitationsphase sei das „A und O“, so von Borstel. „Gemütlich auf den Rücken legen und den Kopf möglichst nicht bewegen.“ 31 Mal geht es rauf und runter in dem rund dreistündigen Flug, 31 Parabeln, in denen jeweils 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht, das Oben und Unten aufhört zu existieren.
Aljoscha Dolff und Alexander Landeck wollen sich darauf verlassen können, dass ihnen dabei nicht doch übel wird. Deshalb sorgen sie mit Spritzen gegen Reiseübelkeit vor. Schließlich sollen die jungen Physiker das Experiment während der vier Flüge mitbetreuen. Beim letzten Flug werden die Studenten sogar ohne ihre Dozenten in den umgebauten A310 steigen. Kamera und Beleuchtung einschalten, Drehgeschwindigkeit variieren und das Überprüfen der Geräte sind die Jobs, die sie erledigen müssen. „Im Idealfall läuft das Experiment automatisch“, so Alexander Landeck.
Wie entstehen Planeten
Insgesamt werden sich elf Experimente an Bord befinden. Die Braunschweiger Wissenschaftler werden das Stoßverhalten kleiner Staubpartikel in der Schwerelosigkeit untersuchen. Ihr Versuch soll helfen, die anfängliche Phase der Entstehung von Himmelskörpern besser zu verstehen. Dafür werden 15 jeweils ein Zentimeter große Partikel in einen Behälter mit Glasdeckel und Glasboden gefüllt, der in eine 2D-Bewegung versetzt wird. Die Geschwindigkeit des Schüttelns wird während der 22-sekündigen Schwerelosigkeit erhöht. Anschließend analysieren die Forscher, wie stark Material von den Teilchen abgetragen wird. Damit wollen sie zeigen, in welchem Ausmaß dieser Effekt zur Erzeugung kleiner Teilchen und zur Vernichtung großer Agglomerate in protoplanetaren Scheiben, in denen Planeten entstehen, beiträgt.
Den Großteil der für das Experiment benutzten Staubteilchen, die wie kleine Gipskugeln aussehen, wollen die Astrophysiker erst in Bordeaux herstellen, damit die empfindlichen Agglomerate nicht bereits beim Transport zum Flughafen beschädigt werden. Mehr als 130 Kugeln müssen gepresst werden, um für alle vier Flugtage genug Material zu haben.
Eine Woche Vorbereitungszeit in Bordeaux
Bereits eine Woche vor der Parabelflugkampagne ist das Braunschweiger Team nach Frankreich für die Experiment-Vorbereitungen und Sicherheitseinweisungen gefahren. Sehr aufgeregt wirkten Alexander Landeck und Aljoscha Dolff vor der Abfahrt nicht. „Wir versuchen vor allem an alle Sachen zu denken, die wir einpacken müssen“, erklärt Aljoscha. Zusätzlich zu der Kiste mit der Versuchsanordnung mussten Kittel, Atemschutzmaske, Stahlkappenschuhe, Werkzeug und Hallenturnschuhe für den Flug im Auto verstaut werden. Viel Zeit, um sich in Bordeaux umzusehen, werden die Studenten nicht haben.
Nach dem Ausflug in die Schwerelosigkeit werden sie weiter an ihren Masterarbeiten zu Stößen zwischen Schneebällen und Hochgeschwindigkeitsimpakten schreiben. Ob sie Interesse haben, die Forschung nicht nur unter Weltraumbedingungen sondern tatsächlich im Weltraum zu betreiben? „Als ich klein war, wollte ich mal Astronaut werden“, sagt Aljoscha Dolff. Aber jetzt möchte er erst einmal am IGEP bleiben und Doktorand werden, ebenso wie Alexander Landeck. Für eine Zukunft als Astronaut seien seine Augen zu schlecht. „Da bin ich realistisch.“