Post aus … Schweden Die TU-Studenten Jan Brinkmann und Lars Klingenstein zog es für ihre Auslandssemester in den hohen Norden. Fünf Monate verbringen sie mit dem Programm Erasmus+ in Schweden. Was sie dort erleben, erzählen sie in „Post aus“.
Allgemeine Informationen
Hier leben wir momentan:
Jan: Ich studiere in Luleå, der Hauptstadt der Provinz Norbotten im Norden Schwedens.
Lars: Ich wohne zurzeit in der schwedischen Hauptstadt Stockholm.
Das machen wir in Schweden:
Jan: Ich studiere an der Luleå tekniska universitet (LTU) im Rahmen meines Masters in Fahrzeugtechnik. Meine Lehrveranstaltungen hier gehen darüber allerdings etwas hinaus. In einer Vorlesung setzen wir uns beispielsweise mit den Eigenschaften von Schnee und Eis auseinander und durften ein Iglu bauen, welches während des Winterfestivals der LTU eröffnet wurde. Die Vorlesungen, die ich besuche, werden alle auf Englisch gehalten. Dazu gehören im aktuellen Quarter noch ein Schwedischkurs und ein Fach zur Kreativen Konzeptentwicklung. Additive Fertigung und Projektmanagement folgen ab April.
Lars: Ich studiere Physik mit Schwerpunkt Astrophysik an der Universität Stockholm (Stockholms Universitet). Insgesamt höre ich drei Vorlesungen: Astrophysical Spectra und Observational Astrophysics I & II. Diese werden alle in Englisch gehalten und sind Teil des eigenständigen Studiengangs Astronomie. Besonders Observational Astrophysics macht mir viel Spaß, da es sehr praxisorientiert ist und wir auch selbst eigene astronomische Observationen planen und durchführen. Im April machen wir eine Exkursion zum Weltraumobservatorium Onsala bei Göteborg, wo wir zwei Nächte selber das Teleskop bedienen und im Anschluss unsere Daten auswerten werden.
Darum haben wir uns für einen Auslandsaufenthalt entschieden:
Jan: Ich wollte schon immer eine längere Zeit im Ausland verbringen. Ich möchte mehr über Land, Leute und irgendwie auch mich selbst erfahren, als ich es vielleicht in einem Urlaub könnte. Einige meiner Freunde haben außerdem sehr von ihren Auslandssemestern geschwärmt. Auch wenn ich zuvor noch nicht in Schweden war, wusste ich schon ein paar Dinge und hatte an der TU Braunschweig vor längerer Zeit auch einen Einstiegs-Sprachkurs in Schwedisch besucht.
Lars: Ich wollte meinen Master etwas entzerren und erleben, wie es ist, in einem anderen Land zu studieren. Schweden und Stockholm habe ich mir als Ziel ausgesucht, da ich schon immer mal eines der skandinavischen Länder bereisen wollte. Die Natur hier und der Winter, der anders als in Deutschland hier noch sehr präsent ist, waren weitere entscheidende Punkte, da ich gerne draußen unterwegs bin. Generell habe ich schon oft gehört, dass Schweden toll sein soll und war dann froh zu sehen, dass ich mich auf einen Platz in Stockholm bewerben konnte.
Leben vor Ort
So wohnen wir in Schweden:
Jan: Ich wohne in einer 1-Zimmer-Wohnung mit kleiner Küche und Bad. Sie liegt in einer Studierendensiedlung ganz in der Nähe der Uni. Die einstöckigen Holzhäuser sind Schweden-typisch in rot und weiß gehalten und liegen in einem kleinen Waldstück. Durch den Schnee, der hier am Rande des Polarkreises den ganzen Winter liegt, wird der Weg zur Uni immer wieder zu einem Erlebnis. Die meiste Zeit verbringen wir Studierenden gemeinsam, sodass man sich in anderen Zimmern und WGs auch sehr schnell heimisch fühlt.
Lars: Ich wohne in einem Wohnheim der Universität Stockholm in Lappkärrsberget, kurz Lappis genannt. Dabei handelt es sich um einen großen Komplex bestehend aus mehreren Gebäuden, in denen insgesamt hunderte internationale Studierende wohnen. Man hat sein eigenes Zimmer mit Bad und teilt sich mit dem restlichen Flur (ca. zwölf Personen) nur die Küche. Zum Unicampus Frescati kann man in acht Minuten zu Fuß gehen, dort habe ich allerdings keine Vorlesungen. Mein Campus liegt etwas mehr Richtung Zentrum und ich erreiche ihn nach 10-minütiger Busfahrt. Von Lappis ins Zentrum kommt man am besten mit der Metro, insgesamt ist man dann 20 Minuten unterwegs. Das finde ich schon sehr komfortabel!
Was unterscheidet das Studieren in Schweden von dem in Deutschland?
Jan: Das Studium wirkt auf mich schulischer als mein Studium an der TU Braunschweig. Es gibt viele kleine Abgaben unter der Woche und am Ende des Quarters größere Einzel- oder Gruppenarbeiten, die eingereicht und präsentiert werden. Mir gefällt der hohe Praxisanteil sehr. Neben diversen Laboren oder Anschauungsobjekten, werden die Studierenden auch in den Vorlesungen oft durch Gruppenarbeiten oder kurze Aufgaben aktiv eingebunden.
Lars: Ich empfinde das Studieren an der Universität Stockholm insgesamt etwas lockerer als in Deutschland. Die früheste Vorlesung beginnt um 10:15 Uhr, nach 45 Minuten gibt es erstmal eine viertelstündige Pause. Obwohl ich hier Vollzeit studiere, habe ich im Schnitt nur eine Vorlesung am Tag. Außerdem ist das Semester hier generell anders aufgebaut: es ist in zwei Hälften (Quarter) gegliedert, die jeweils ihre eigene Prüfungsphase haben. Pro Hälfte hört man nur zwei Vorlesungen. So hat man maximal zwei Vorlesungen parallel, und nicht wie in Deutschland üblich vier bis fünf, was ich sehr angenehm finde.
Besonders typisch für unser Aufenthaltsland ist:
Jan: Es wäre falsch, hier nicht mit der schwedischen Fika zu beginnen, da hierzu aber Lars berichtet, möchte ich lieber vom Winter erzählen. Die kalten Temperaturen, Eis, Schnee und zahleiche Wintersportaktivitäten gehören genauso zum Alltag wie die gelben Volvo-Bagger und LKW, die Tag für Tag den Schnee aus der Stadt fahren. Da die Ostsee hier vor Luleå zugefroren ist, können wir auf ihr Eislaufen und Hockeyspielen. Zum Lagerfeuer machen und Grillen sind wir zu den vorgelagerten Inseln gewandert und konnten tagsüber nicht nur das gute Wetter genießen, sondern in der Dunkelheit auch die Nordlichter bestaunen. Weil man Wintersportgeräte in Schweden kostenlos ausleihen kann, sind wir mehrmals in der Woche auf Eis und Loipe in und um Luleå herum unterwegs.
Lars: Wie Jan schon sagt, ist die schwedische Kaffeepause, genannt Fika, für die Schweden ein fester Bestandteil des Tages und das merkt man auch im Unialltag. Jeden Tag um 15 Uhr kommen alle Mitarbeiter*innen und Studierende des Instituts zusammen, trinken Kaffee und essen das bereitgestellte Gebäck. Das ist sogar alles kostenlos!
Das haben wir hier in den ersten drei Tagen gelernt:
Jan: Ich komme viel schneller mit Leuten ins Gespräch, als ich gedacht hätte. Dabei kommt mein eingerostetes Alltags-Englisch auch sehr schnell wieder in Gang. Außerdem sprechen die meisten Schwed*innen sehr gutes Englisch, was einiges erleichtert. Die Stadt ist außerdem auf die dunkle Jahreszeit gut eingestellt, alles ist sehr hell ausgeleuchtet und an wolkigen Tagen war es so auch schon mal nachts heller als am Tag.
Lars: Ich kann bestätigen, dass so gut wie alle Menschen hier sehr gut Englisch sprechen, sodass man gut kommunizieren kann. Außerdem stößt man überall auf große Hilfsbereitschaft, ob in der Uni, in der U-Bahn, wenn man sich nicht zurechtfindet, oder generell im öffentlichen Leben. Wenn ich auf Englisch jemanden etwas frage, wird mir eigentlich immer sehr nett geholfen!
Die bisher größte Herausforderung während unseres Aufenthaltes war …
Jan: Bei einem unserer Ausflüge ins Hinterland ist ein Freund mit seinem Auto falsch abgebogen und im tiefen Neuschnee stecken geblieben. Trotz zahlreicher Anfahrversuche und mehrfachen Freibuddelns des Autos, setzte es immer wieder auf. Nur mit Hilfe eines Radladers konnte es letztlich aus dem Schnee befreit werden. Dieser wurde geschickt, nachdem wir beim nächsten Haus, das zwei Kilometer entfernt war, um Hilfe gebeten hatten. Das geplante Grillen an unserem Zielort schmeckte uns anschließend umso besser.
Lars: Die Uni an sich war für mich eine Herausforderung. Am Anfang war die ganze Organisation etwas schleppend, und es hat gedauert, bis ich mich zurechtgefunden habe. Auch wenn die Vorlesungen an sich entspannter wirken, ist der Stoff nicht einfacher. Man muss noch mehr Eigeninitiative aufbringen, als in Deutschland und sich nach der Uni zuhause weiter mit dem Stoff auseinandersetzen.
Das nehmen wir von hier mit nach Hause:
Jan: Neben zwei Pudelmützen (LTU + Rallye Sweden) und zahlreichen Fotos, nehme ich vor allem sehr viele Erinnerungen mit nach Hause. Erinnerungen an einen wunderschönen verschneiten Winter samt Iglu-Bau, Langlauf, Curling und Hockey. Auch habe ich schon richtig tolle Menschen und neue Freunde kennengelernt. Mir wird außerdem der Besuch einer Nacht-Etappe bei der WRC Rallye Schweden im Gedächtnis bleiben. Das war für mich als Motorsport-Fan ein tolles Erlebnis. Außerdem bin ich gespannt, was mich noch erwartet, meine Zeit hier ist ja noch nicht zu Ende.
Lars: Ich werde versuchen, in Deutschland etwas von der schwedischen Lebensart beizubehalten. Ein etwas entspannterer Alltag wird mir in Deutschland bestimmt auch gut tun.
Gut zu wissen
Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:
Jan: Kanelbullar (Zimtschnecke) kennen die meisten wahrscheinlich bereits von Ikea oder einem Schweden-Besuch. Schwieriger zu finden, sind gute Semla! Das ist eine Art weiches Milchbrötchen, das in zwei Hälften geschnitten wird und mit einer Mandelcreme und Sahne gefüllt ist. Es ist nicht nur lecker, sondern macht auch satt.
Lars: Ich persönlich finde die klassischen Kanelbullar am besten. Typische Speisen bei der Fika sind außerdem die Semla (süßes Gebäck mit Sahne und Mandelcreme) und die Prinsesstårta (Prinzessinnentorte). Wer es lieber herzhaft mag, sollte die schwedische Hausmannskost probieren, zu der z. B. Köttbullar, eingelegter Hering oder Rentier zählen.
Welches Fettnäpfchen sollte man in Schweden vermeiden?
Jan: In Schweden braucht man in der Regel kein Bargeld, alles geht mit Karte. Manchmal (z. B. Unikino oder Souveniershop bei der Rallye) kann es allerdings sein, dass man nur mit Swish zahlen kann, das ist eine Bezahl-App, für die man allerdings eine schwedische Personennummer benötigt. Da man diese als International in der Regel nicht besitzt, kann es durchaus von Vorteil sein, ein wenig Bargeld für Notfälle dabei zu haben.
Lars: Diesen Erfahrungen kann ich mich anschließen. Bargeld wird hier eigentlich nicht verwendet. Wenn man versucht, etwas in bar zu zahlen, kann es schon mal sein, dass man etwas komisch angeguckt wird. In vielen Läden ist Barzahlung auch gar nicht möglich. Allerdings schadet es nicht, trotzdem etwas Bargeld dabei zu haben. Als ich letztens beim Friseur war, hat dieser ausschließlich Bargeld angenommen.
Diesen Tipp geben wir anderen Studierenden, die ins Ausland gehen möchten:
Jan: Die Organisation der Erasmusmobilität und der Learning Agreements sind auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu durchschauen und auch auf den zweiten Blick gab es in meinem Fall einige Unklarheiten. Allerdings war es das definitiv Wert, all die Mails und Telefonate auf sich zu nehmen, um eine so schöne Zeit im Norden Schwedens verbringen zu können.
Lars: Wenn es nach Schweden gehen soll, empfehle ich auf jeden Fall das Frühlingssemester für den Aufenthalt. Dann bekommt man das Ende vom Winter mit, was ich persönlich auch ganz schön finde. Mit der Zeit werden die Tage dann länger und es wird wärmer. Am 24. Juni ist Midsommar und es wird gar nicht mehr richtig dunkel. Auf diese Zeit und die Midsommar-Feierlichkeiten freue ich mich schon sehr!