29. August 2023 | Magazin:

Post aus … Braunschweig Theo Andrews aus Irland forschte drei Monate an der TU Braunschweig auf dem Gebiet der Quantenphysik

Allgemeine Informationen

Darum habe ich mich entschieden, an die TU Braunschweig zu kommen:

Ich habe mich über den DAAD für das RISE Germany Programm für Forschungspraktika in den Natur- und Ingenieurwissenschaften beworben. Es gab Hunderte von Projektvorschlägen, aus denen ich wählen konnte, aber das Vorhaben von Prof. Dr. Nabeel Aslam, Leiter der Arbeitsgruppe für Spinbasierte Quantentechnologien an der TU Braunschweig, hat mich besonders interessiert. Ich hatte vorher noch nie etwas von Braunschweig gehört. Aber wenn man ein bisschen googelt, findet man heraus, dass es eine schöne Stadt ist – mit einer der traditionsreichsten Technischen Universitäten Deutschlands. Das LENA, in dem das Projekt angesiedelt ist, ist außerdem eng mit der PTB in Braunschweig, einem weltweit führenden Metrologieinstitut, verbunden, was mich sehr gereizt hat. Deshalb war dieses Projekt meine bevorzugte Wahl.

Was möchten Sie nach Ihrem Studium machen und können Sie sich vorstellen, in Braunschweig zu bleiben?

Nach meinem Aufenthalt werde ich nach Dublin zurückreisen und das letzte Jahr meines Bachelorstudiums absolvieren. Danach möchte ich weiter studieren. Bevor ich hierher kam, hatte ich nie in Erwägung gezogen, für ein Masterstudium nach Deutschland zu ziehen. Aber jetzt ziehe ich es ernsthaft in Betracht, entweder in Braunschweig oder wo anders. Ich könnte mir durchaus vorstellen, hier zu bleiben – die mittlere Größe der Stadt mit ihrer Nähe zur Natur ist ein schönes Gleichgewicht zwischen Stadt- und Landleben.

Leben vor Ort

So wohne ich in Braunschweig:

Ich wohne in einem Studierendenwohnheim. Hier habe ich mein eigenes Zimmer und teile mir eine kleine Küche mit sechs anderen Studierenden.

Was unterscheidet das Studieren bzw. Forschen in Deutschland von dem in Ihrer Heimat?

Es gibt aus meiner Sicht viele Unterschiede. Studiengänge in Irland haben eine festere Struktur mit weniger Anpassungsmöglichkeiten und werden nach Jahren und nicht nach Semestern eingeteilt. Das Nichtbestehen eines Moduls führt deshalb zu einer Wiederholung des gesamten Studienjahres. Soweit ich weiß, lassen die deutschen Hochschulen den Studierenden in dieser Hinsicht mehr Freiheiten.

In Bezug auf die Forschung besteht der größte Unterschied darin, dass irische Studierende dazu ermutigt werden, direkt nach ihrem Bachelor-Abschluss eine Promotion zu beginnen. Es gibt nur wenige Masterstudiengänge in den Naturwissenschaften, und die, die es gibt, sind meist auf eine Karriere in der Industrie ausgerichtet. Deutsche Doktorandenverträge setzen dagegen einen Masterabschluss voraus. Das halte ich für sehr vernünftig. Generell habe ich den Eindruck, dass in Deutschland das Physikstudium mehr geschätzt wird als in Irland. Das spiegelt sich auch in der Vielzahl exzellenter Wissenschaftler*innen wider, die aus dem Land hervorgegangen sind, und in zahlreichen Forschungszentren wie Max-Planck-, Helmholtz-, Fraunhofer- und Leibniz-Instituten tätig sind. Für Physikstudierende eröffnen sich hier viele spannende Möglichkeiten und Perspektiven. In Irland arbeiten die meisten Absolvent*innen eines Physikstudiums am Ende in einer Bank. Der Mangel an Mitteln und Möglichkeiten treibt jedes Jahr einheimische und internationale Talente ins Ausland.

Hallo, ich bin Theo. Ich studiere am Trinity College in Dublin und habe drei Monate in Braunschweig verbracht. Mein Forschungspraktikum wurde durch eine RISE Germany Förderung unterstützt und vom Exzellenzcluster "QuantumFrontiers" der TU Braunschweig kofinanziert. Foto: Theo Andrews

Der Vordereingang des LENA, wo ich den größten Teil meines Praktikums verbracht habe. Foto: Theo Andrews

Der Aufbau des Konfokalmikroskops in der PTB … Foto: Theo Andrews

… und hier das Konfokalmikroskop im LENA. Foto; Theo Andrews

Blick von meiner Unterkunft im Studierendenwohnheim in der Dämmerung. Foto: Theo Andrews

Feststellung und Optimierung eines einzelnen Stickstoffvakanzzentrums. Foto: Theo Andrews

Hier bin ich zusammen mit einem Freund auf der RISE Germany-Tagung in Heidelberg zu sehen. Foto: Theo Andrews

Der Flüssigstickstoff-Dispenser im LENA, den wir für die Fluoreszenzspektroskopie verwendet haben. Foto: Theo Andrews

Was ist der Unterschied zwischen dem Alltag in Deutschland und dem in Ihrem Heimatland?

Zum einen ist es hier viel günstiger! Ich bin immer wieder erstaunt über meine vergleichsweise niedrigen Miet- und Lebensmittelkosten in Deutschland. Auch die kulturellen Unterschiede sind groß. Die Iren lieben Smalltalk, gehen aber mit ihren Freundschaften oft oberflächlich um, während ich die Deutschen als direkt, aber sehr freundlich und aufrichtig kennengelernt habe. Da ich natürlich die irischen Gepflogenheiten gewohnt bin, waren einige Begegnungen in Deutschland am Anfang etwas irritierend. Ich habe aber festgestellt, dass oft ein „Moin“ genügt, um einen Smalltalk zu führen, ohne dass man dabei vage Pläne für die Zukunft machen muss, die sowieso keine der beiden Parteien einzuhalten gedenkt – wie es in Irland häufig der Fall ist. Ich möchte nicht sagen, dass die soziale Kultur eines der beiden Länder besser ist, aber als eher introvertierte Person glaube ich, dass ich mit der Art und Weise, wie die Dinge in Deutschland gehandhabt werden, besser zurechtkomme.

Das habe ich hier in den ersten drei Tagen gelernt:

Zu den ersten Dingen, die ich gelernt habe, gehört der Satz „Entschuldigung, mein Deutsch ist sehr schlecht.“ Ich kann nur sehr wenig Deutsch, und dieser Satz ist ein wenig höflicher als „Sprechen Sie Englisch?“, da die meisten Deutschen ohnehin sehr gut Englisch sprechen. Es ist eine irische Eigenart, dass wir dazu neigen, nicht direkt nach etwas zu fragen, sondern eher anzudeuten, dass wir Hilfe brauchen, was für die andere Person wahrscheinlich noch nerviger ist. Abgesehen davon habe ich gelernt, dass hier im Sommer häufig die Sonne scheint, was ich nicht gewohnt bin, und dass in meiner Laborgruppe eine viel entspanntere und herzlichere Atmosphäre herrscht, als ich erwartet hatte.

Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes war …

Es gab einen Zeitraum von über einem Monat, in dem ich jeden Tag im Labor war und immer wieder nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen konnte. Alle Versuche, den Aufbau des konfokalen Mikroskops zu optimieren und neue Messansätze zu entwickeln, blieben erfolglos, was mich ein wenig entmutigt hatte. Letztendlich haben wir ein grundlegendes Problem mit dem Gerät entdeckt, dessen Behebung viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Wir konnten die Probe schließlich in die PTB bringen und stattdessen deren konfokale Mikroskopeinrichtung verwenden. Es war ein bisschen stressig, aber solche Situationen sind bei der Laborarbeit unvermeidlich. Insofern bin ich froh, dass ich keine allzu rosige Sicht auf den Forschungsalltag bekommen habe.

Das nehme ich von hier mit nach Hause:

Ich werde einige Schallplatten aus einem Plattenladen in Braunschweig mitbringen, den ich sehr gerne besucht habe. Ich bin kein materieller Mensch, aber ich habe hier tolle Erinnerungen gesammelt, auf die ich immer zurückblicken werde, und ich möchte irgendwann wiederkommen.

Gut zu wissen

Diesen Tipp möchte ich anderen internationalen Studierenden oder Wissenschaftler*innen geben, die einen Auslandsaufenthalt in Deutschland planen oder gerade absolvieren:

Insbesondere für Forschungspraktikant*innen kann ich nur empfehlen: Taucht so tief wie möglich in die Forschung ein, lest viel, stellt Fragen, und wenn Betreuer*innen Euch zu einem Vortrag oder einer Konferenz einlädt, sagt immer zu! Ich durfte zum Beispiel an der jährlichen Quantum Frontiers-Konferenz in Hannover teilnehmen, was einer der Höhepunkte meines Aufenthalts war. Es war eine großartige Erfahrung, Vorträge von Expert*innen auf dem Gebiet zu hören und Nachwuchsforscher*innen zu treffen – ganz zu schweigen von dem kostenlosen Essen … aber ich schweife ab. Ich empfehle auch dringend, sich an den Wochenenden Zeit zu nehmen und das Land zu bereisen. Mit dem Deutschlandticket bin ich in diesem Sommer nach Köln, Düsseldorf, Hannover, Leipzig, Heidelberg, Kassel, Lübeck, Lüneburg, Schwerin, Hamburg und München für sehr wenig Geld gefahren. Es war jeden Cent wert – allerdings sollte man nicht erwarten, dass die Züge pünktlich sind.

Das sollte man meiner Meinung nach in Braunschweig oder generell in Deutschland unbedingt ausprobieren:

In den frühen Sommermonaten sollte man unbedingt weißen Spargel probieren. Ich hatte vorher noch nie etwas davon gehört, aber er ist in dieser Region Deutschlands sehr beliebt und schmeckt besser, als man vielleicht denkt. Wenn man wie ich eine Vorliebe für Süßigkeiten hat, kommt man nicht umhin, das im Vergleich zu anderen Ländern überragende Angebot an Haribo-Produkten in Deutschland zu probieren. In Braunschweig fand ich auch die Eisdielen sehr nett und günstig. Abgesehen vom Essen empfehle ich, sich etwas Zeit zu nehmen und einfach mal durch die Stadt zu schlendern, denn Braunschweig hat mit die schönste Architektur, die ich während meiner Zeit hier gesehen habe.

Das möchte ich noch hinzufügen:

Dieses Praktikum in Braunschweig war für mich unbezahlbar, denn es hat meine Leidenschaft für die Physik neu entfacht und mich in meinem Bestreben bestärkt, die Forschung nach dem Studium fortzusetzen – was ich mir vorher so nicht vorstellen konnte. Alle internationalen Studierenden, die mit dem Gedanken spielen, für eine Weile nach Deutschland zu kommen, möchte ich dringend dazu ermutigen, es zu tun, vor allem, wenn sie nach Braunschweig kommen; denn sie werden hier herzlich willkommen sein. Ich hatte eine phänomenale Zeit.

Der Originaltext wurde in Englisch verfasst.