Nachhaltig Fliegen: Die Brennstoffzelle als Lösung? Patrick Meyer im Interview über das Fliegen der Zukunft mit der PEM-Brennstoffzelle
Ob Batterieflugzeug, Biokerosin oder Wasserstoff: Um den Traum vom nachhaltigen Fliegen wahr werden zu lassen, tüftelt die Wissenschaft an den unterschiedlichsten Technologien. Für Mittelstreckenflüge könnte der Einsatz von PEM-Brennstoffzellenflugzeugen die Lösung sein. Eine Herausforderung dabei ist jedoch das Luftmanagement. Dazu forscht das Projekt „C6.3 – DEFCA: Design-space evaluation of the air, heat and power management of fuel cells for aviation“ des Exzellenzclusters SE²A. Im Interview spricht Doktorand Patrick Meyer über die Optimierung des Luftmanagements sowie das Flugzeugdesign der Zukunft und beantwortet die Frage, wann der Wunsch vom umweltfreundlichen Fliegen mit Brennstoffzelle Wirklichkeit werden könnte.
Warum braucht ein Brennstoffzellenflugzeug überhaupt ein Luftmanagementsystem?
Eine PEM-Brennstoffzelle (PEM für Polymer-Elektrolyt-Membran) wandelt die im Wasserstoff und Sauerstoff enthaltene chemische Energie in elektrische Energie. Der benötigte Wasserstoff befindet sich während des Fluges in einem Tank, der im Flugzeug mitgeführt wird. Um Gewicht zu sparen, wird der Sauerstoff aus der Umgebungsluft verwendet. Die Brennstoffzelle stellt allerdings bestimmte Anforderungen an die Luft, damit sie zuverlässig funktioniert. Sie benötigt einen gewissen Druck, eine bestimmte Feuchte, die Luft darf nicht zu heiß und nicht zu kalt sein. Je besser die zugeführte Luft diese Anforderungen erfüllt, desto höher ist der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle. Deshalb ist es notwendig, die Luft mit Hilfe eines Luftmanagementsystems optimal vorzubereiten. Für den Druck sorgt ein Verdichter, der von einem Elektromotor angetrieben wird, für die Temperatur ein Wärmetauscher und für die Luftfeuchte ein Befeuchter.
Ein solches Luftmanagementsystem ist bei PEM-Brennstoffzellen generell erforderlich. In der Luftfahrt kommt dem Luftmanagementsystem jedoch eine noch größere Bedeutung zu, da sich sowohl die Leistungsanforderungen als auch die Umgebungsbedingungen während des Fluges ändern. Beispielsweise sind die Temperaturen und der Luftdruck beim Start wesentlich höher als während des Fluges in großer Höhe. Daher ist der Wärmetauscher beim Start besonders wichtig, wenn die Wärmeabfuhr aufgrund der hohen Umgebungstemperatur schwieriger ist. Der Verdichter hingegen muss in großer Höhe mehr arbeiten, um die geringere Luftdichte auszugleichen. Auch der Leistungsbedarf unterscheidet sich je nach Flugphase. Beim Start benötigt das Flugzeug wesentlich mehr Leistung bzw. Schub als im Reiseflug.
Wieso ist es notwendig, das Luftmanagementsystem zu optimieren?
Das Luftmanagementsystem hat einen direkten Einfluss auf das Gewicht des Flugzeugs und entscheidet somit mit darüber, ob das Fliegen mit der Brennstoffzelle auf der Mittelstrecke prinzipiell machbar ist. Darüber hinaus hat das Luftmanagement einen direkten Einfluss auf den Wasserstoffverbrauch. Allein die Reduzierung der parasitären Leistung, also der Leistung, die das Luftmanagementsystem zusätzlich benötigt, senkt den Verbrauch und die Abwärme. Generell gilt: Je besser die Betriebsparameter der Brennstoffzelle eingestellt sind, desto höher ist der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle. Weitere wichtige Fragestellungen betreffen das Wassermanagement und die Einflüsse des Luftmanagements auf die Bildung von Kondensstreifen.
An welchen Stellschrauben setzt ihr hierbei an?
Einige unserer Projektpartner fokussieren sich auf einzelne Komponenten und versuchen diese zu optimieren. Wir setzen eine Ebene höher an und betrachten das Gesamtsystem. Dazu untersuchen wir verschiedene Architekturen bzw. Modelle, entweder aus der Literatur oder auch von Projektpartnern, zum Beispiel verschiedene Befeuchtungsstrategien, koppeln das Ganze als Gesamtsystembetrachtung und vergleichen, welche für das gesamte System am besten funktioniert. Mit unseren Berechnungen können wir dann wiederum unseren Partnern wichtige Randbedingungen liefern, die ihnen helfen, die einzelnen Komponenten weiter zu verbessern.
Warum ist die Brennstoffzelle als Antrieb vor allem für Mittelstreckenflüge, also Flüge innerhalb eines Kontinents oder zwischen benachbarten Ländern, interessant?
Abhängig von der Distanz in der Luftfahrt sind unterschiedliche Antriebsarten am besten geeignet. Brennstoffzellenflugzeuge könnten beispielsweise auch auf der Kurzstrecke zum Einsatz kommen. Theoretisch könnte man auf diesen Strecken, aber vor allem bei kleineren Flugzeugen, auch rein elektrisch über eine Batterie fliegen. Dies wäre dann, bis auf die Lärmbelastung, völlig emissionsfrei. Für Langstreckenflugzeuge sind dagegen Antriebe wie die Verbrennung von Wasserstoff oder die Verbrennung von Sustainable Aviation Fuels (SAFs) realistischer, da Brennstoffzellenflugzeuge für diese Distanzen zu schwer wären und es zudem Probleme mit der Abwärme gäbe. Für Mittelstrecken könnte die Brennstoffzelle hingegen die Lösung sein. Aufgrund der höheren Energiedichte des Antriebs bietet sie Gewichtsvorteile gegenüber der Batterie und hat gleichzeitig ein größeres Emissionsreduktionspotenzial und einen höheren Wirkungsgrad als die Verbrennung von Kraftstoffen.
Können Sie eine Prognose abgeben wann klimaneutrales Fliegen mit Brennstoffzelle für die breite Masse möglich sein könnte?
Das ist eine gute Frage. Grundsätzlich ist es schon jetzt möglich mit einem Brennstoffzellenflugzeug zu fliegen. Das hat eine Firma kürzlich gezeigt, als sie einen Prototyp eines Kurzstreckenflugzeugs mit Brennstoffzelle geflogen ist. Ob das Ganze auch auf der Mittelstrecke funktioniert, wissen wir noch nicht sicher. Und um das Fliegen für die breite Masse möglich zu machen, spielen noch viele weitere Aspekte eine Rolle. Es muss zum Beispiel noch eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut werden. Denn: Was nützt es einem Flugzeug, mit Wasserstoff zu fliegen, wenn es nirgendwo tanken kann.
Deshalb arbeiten meine Kolleg*innen im Projekt A3.3 des Exzellenzclusters SE²A an der Umrüstung bestehender Flughäfen. Außerdem müssen Flugzeuge viele strenge Zulassungsanforderungen erfüllen, um für den Publikumsverkehr zugelassen zu werden. Gerade bei einer so neuen Technologie ist das ein langwieriger Prozess. Und dann gibt es noch ein paar Fragezeichen bei der Herstellung von Wasserstoff. Wenn ich klimaneutral fliegen will, muss die Energie zur Herstellung des Wasserstoffs aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Es ist noch ein weiter Weg, bis all diese Strukturen geschaffen sind.
Wird das Fliegen mit Brennstoffzelle auch das Flugzeugdesign verändern?
Ja, auf jeden Fall. Die ersten Brennstoffzellenflugzeuge werden vermutlich „Retrofits“ sein. Das heißt, man nimmt ein bestehendes Flugzeugdesign und baut quasi einen neuen Antrieb ein. Während das bei den Sustainable Aviation Fuels ganz gut funktioniert, ist das bei der Brennstoffzelle nicht so einfach. Denn Kerosin wird typischerweise in den Tragflächen gespeichert, der Wasserstoff müsste wahrscheinlich flüssig in großen, zylindrischen kryogenen Tanks gespeichert werden. Das bedeutet, dass diese nicht mehr in den Flügeln, sondern wahrscheinlich im Rumpf untergebracht werden müssten, was großen Einfluss auf das Design hat. Außerdem benötigt Wasserstoff aufgrund seiner Dichteeigenschaften ein viel größeres Speichervolumen als Kerosin. Die von uns untersuchten Luftmanagement- und Wärmemanagementsysteme benötigen ebenfalls Platz. Auch die Aufteilung der Triebwerke könnte sich ändern. Und dann ist da noch die Abwärme der Brennstoffzelle. Um diese abzuführen, braucht man voraussichtlich sehr große Lufteinlässe am Flugzeug. Um ein möglichst effizientes Brennstoffzellenflugzeug zu bauen, ist es also sinnvoll, das Flugzeug zukünftig komplett neu und anforderungsgerecht zu entwerfen.
Weitere Projekte des Exzellenzclusters SE²A beschäftigen sich daher mit der Optimierung des Designs. Wir unterstützen diese Projekte, indem wir wichtige Kennzahlen liefern, die den Mitarbeiter*innen der Projekte helfen, das Flugzeug der Zukunft zu entwerfen. Bis wir allerdings mit solchen völlig neu designten Flugzeugen fliegen, wird noch viel Zeit vergehen und es wird spannend, wie die Menschen auf diese völlig neue Art des Fliegens reagieren.