16. November 2021 | Magazin:

Mit KI gezielt Moleküle im Computer designen Ernennung von Jonny Proppe zum Juniorprofessor für Computergestütztes Materialdesign

Neuzugang am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie: Seit 1. Oktober 2021 lehrt und forscht Jonny Proppe als Juniorprofessor im Fach „Computergestütztes Materialdesign für die chemische Energiekonversion“. Er beschäftigt sich dort mit Quantenchemie, Data Science und künstlicher Intelligenz (KI). Mit diesen und vielen weiteren neuen Methoden schaut er sich Moleküle ganz genau an und versucht vorherzusagen, wie ihre Struktur und Eigenschaften zusammenhängen. Wenn sich Moleküle auf diese Art zuverlässig beschreiben lassen, kann die Suche beschleunigt werden – zum Beispiel nach chemischen Verbindungen, die das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid in einen unschädlichen Stoff umwandeln können.

Prof. Jonny Proppe mit Präsidentin Prof. Angela Ittel und Dekan Prof. Christoph Jacob. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Professor Proppe, sind Sie gut an der TU Braunschweig angekommen?

Der reibungslose Ablauf von der Berufung bis zur Ausstattung sowie der freundliche Empfang durch die Kolleg*innen haben mir den Start an der TU Braunschweig sehr erleichtert. Im laufenden Wintersemester möchte ich nun auch die Studierenden kennenlernen. Ich freue mich auf viele interessante Begegnungen!

Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?

Im Zentrum der Juniorprofessur stehen die Themen Klimawandel und Digitalisierung. Hierfür spielen sowohl etablierte Methoden der Theoretischen Chemie, insbesondere die Quantenchemie, als auch moderne Methoden der Data Science, insbesondere die künstliche Intelligenz (KI), eine zentrale Rolle. In beiden Bereichen habe ich an renommierten Universitäten wie der ETH Zürich und der Harvard University wertvolle Erfahrungen sammeln dürfen, die ich hier ausbauen möchte. Ich freue mich, dass die TU Braunschweig eine innovationsfreundliche Institution ist, die mir und den künftigen Mitarbeiter*innen meiner Arbeitsgruppe die Möglichkeit bietet, an den drängenden Fragen unserer Zeit zu forschen. Darüber hinaus bietet der gerade neu eingerichtete Masterstudiengang Data Science eine ideale Gelegenheit, die interdisziplinäre Arbeit unserer Gruppe auch in der Lehre zu vertreten.

Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?

Moleküle spielen in nahezu allen Bereichen unseres Lebens eine große Rolle. Jedes Molekül weist eine Reihe von physikalischen und chemischen Eigenschaften auf, die sich auf seine Struktur, also die räumliche Anordnung von Atomkernen und Elektronen, zurückführen lassen. In der Theoretischen Chemie wird die Beziehung zwischen der Struktur und den Eigenschaften von Molekülen erforscht. Da die dafür notwendigen Berechnungen zeitaufwändig und ressourcenintensiv sind, untersuche ich KI-Algorithmen und wende diese auf chemische Fragestellungen an. KI ermöglicht es uns, zuverlässige Vorhersagen über die Eigenschaften von Molekülen treffen zu können, für die (noch) keine Daten vorliegen. Auf diese Weise kann der Prozess der Erkenntnisgewinnung erheblich beschleunigt werden.

Womit werden Sie sich an der TU Braunschweig auseinandersetzen?

Noch interessanter wird es, wenn wir nicht nach den Eigenschaften eines Moleküls, sondern nach einem Molekül mit einer Reihe von gewünschten Eigenschaften fragen. Ließen sich Fragen dieser Art gezielt beantworten, könnten wir Moleküle in silico – also im Computer – designen, zum Beispiel einen Katalysator für die Reduktion von Kohlendioxid, eine im Hinblick auf den Klimawandel viel diskutierte chemische Reaktion. Unsere Arbeitsgruppe wird sich in den nächsten Jahren der Methodenentwicklung in den Bereichen KI und Quantenchemie widmen, um dem gezielten Design von molekularen Katalysatoren und Materialien einen Schritt näher zu kommen.

Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?

Während meines Chemiestudiums habe ich schnell gemerkt, dass mich theoretische Konzepte interessieren, da sie einen abstrakten Blickwinkel auf die Chemie erlauben. Mich reizt nach wie vor der Gedanke, allgemeingültige Muster zu erkennen, die sich auf neue, noch unbekannte Beispiele übertragen lassen. 2015 lernte ich schließlich KI-Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens kennen, die nach genau diesem Prinzip funktionieren – und uns Menschen im Erkennen von Mustern bei Weitem überlegen sind. Da war mir klar: das möchte ich machen. Ich finde es faszinierend, Vorhersagen über die Struktur und Eigenschaften chemischer Verbindungen zu treffen, die sich schließlich experimentell oder mithilfe von Simulationen validieren lassen. Eine theoretische Chemie, die nicht nur hypothetisch prädiktiv ist, sondern Antworten innerhalb relevanter Zeiträume liefern kann, das ist meine Vision.

Ein Ausblick auf die Zukunft: Was sind Ihre Pläne?

Die von uns entwickelten Methoden bieten einen vielversprechenden Ansatz, um drängende gesellschaftliche Probleme zeit- und ressourcensparend lösen zu können. Des Weiteren können diese Methoden, die wir öffentlich zugänglich machen, von Forschenden in Ländern und Regionen mit eher geringem Forschungsbudget verwendet werden. Wir verfolgen hier einen sehr nachhaltigen Forschungsansatz. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Verwendung verlässlicher Daten, die zurzeit noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Deren Erzeugung und Verfügbarmachung in öffentlichen Datenbanken ist daher ein wichtiges Ziel auf unserer Agenda. Darüber hinaus möchten wir unsere Methoden in die Curricula von Chemie und Data Science einführen und diese damit um ein zukunftsträchtiges Tool erweitern.

Welchen Rat haben Sie für Nachwuchswissenschaftler*innen?

Die fachliche Vertiefung kommt mit der Promotion praktisch von allein. Vergessen Sie dabei nicht, auch über den Tellerrand zu schauen. Seien Sie stets neugierig, hören Sie fachverwandten wie fachfremden Gesprächspartnern aufmerksam zu und fragen Sie sich, wie Sie verschiedenste Themen mit Ihrer Expertise kombinieren können. Halten Sie sich stets auf dem Laufenden und lesen Sie die Literatur zu für Sie relevanten oder anderweitig interessanten Themen. Das erlaubt Ihnen nicht nur, mit Ihrer Forschung am Puls der Zeit zu bleiben, Sie steigern mit einem breiten Portfolio auch ganz sicher Ihre beruflichen Chancen.

Vielen Dank.